24/10/2007
24/10/2007

Ute Woltron, die Diskussionsleiterin, lauscht mit Andreas Gerner den Ausführungen von Michael Hofstätter (re).

Gerd Erhartt von Querkraft, wie Andreas Gerner ein ehemaliger Mitarbeiter im Büro von Helmut Richter, in konzentrierter Aufmerksamkeit.

Jakob Dunkl von Querkraft vervollständigt den einstimmigen Reigen der Bewunderer von Helmut Richter am Podium. Fotos: K. Tschavgova

Neulich in Wien, anlässlich der Ausstellung von Helmut Richters Arbeit: eine Diskussion zum Thema „Unangepasste Architektur. Gegen das Mittelmass“. (am 17.10.2007, Az W, Halle F3; Anm.)

Es hätte ein spannender Abend werden können. Im Titel zur Diskussion im AZW am letzten Mittwoch im Rahmen der Ausstellung von Helmut Richters Arbeit - „Unangepasste Architektur. Gegen das Mittelmaß“ - klang Programmatik an. Richter, erläuterten die Veranstalter in ihrer Einladung, „negiert als Lehrer das Mittelmaß und animiert seine StudentInnen vielmehr zu dem Experiment, einen Schritt weiter als der Lehrplan zu gehen ....“.

Negierte müsste es korrekterweise heißen, denn die Ausstellung über Helmut Richters Arbeiten, über seine Arbeits- und Denkweise ist als Reminiszenz an einen Architekten und Lehrer zu sehen, der in diesem Jahr nicht nur als Vorstand des Instituts für experimentellen Hochbau von der TU Wien emeritierte, sondern auch als Schwerkranker nicht mehr teilhaben kann am Diskurs über Haltung. Der der Frage nach dem Wert des Durchschnitts nichts anderes mehr entgegen setzen könnte als sein Werk, das grosso modo ein Bekenntnis zum Außerordentlichen, Besonderen ist. Und so hätte der Abend spannend werden können, wären die Gespräche am Podium nicht auf der Ebene persönlicher Erinnerungen an die Zusammenarbeit mit Helmut Richter stecken geblieben und aus dem achtungsvollen Abgesang an einen offensichtlich bewundernswert konsequenten Menschen eine tiefergehende Hinterfragung und Analyse heutiger aktueller Tendenzen und Haltungen in der Architektur entsprungen.

Dem war nicht so. Jakob Dunkl, Gerd Erhartt und Andreas Gerner gaben Einblicke in ihre Zeit als Mitarbeiter in Richters Büro und erzählten, was sie dabei gelernt haben – J.D. etwa, dass man alles hinterfragen muss, sogar oder gerade auch Gesetze; G.E., wie wichtig auch Phasen der Entspannung sind und dass man sich nicht dem täglichen Druck unterwerfen dürfe. Lothar Heinrich hat als Statiker im Büro Vasko einige Projekte von Helmut Richter konstruktiv mitentwickelt und sieht diese Zusammenarbeit als Symbiose, die Ergebnis einer sehr intensiven Arbeitsphase war, in der der Architekt nie von seiner Idee abrückte und nur „das Gesetz der Physik“ - das der Konstruktion gelten ließ. Michael Hofstätter, die eine Hälfte der Architekten Pauhof, der als einziger in der Gruppe weder Schüler noch Mitarbeiter von Richter war, erwähnte seinen Städtebaudiskurs mit diesem, ohne näher auf den Inhalt der Auseinandersetzung einzugehen. Ute Woltron war mit der Diskussionsleitung beauftragt und versäumte, das Gespräch konsequent und nachdrücklich auf jene allgemeine Ebene der Bedeutung von Richters Haltung zu heben. Auf ihre Frage nach dem, was man von Richter lernen könne, meinte Hofstätter lapidar, dass Schwierigkeiten und Kampf mit Auftraggebern zwar nicht wünschenswert und kein Kriterium für architektonische Qualität seien, heute jedoch nur das Angenehme, Bekömmliche erwünscht sei. Hier wäre einzuhaken gewesen, auch wenn sich Jakob Dunkl und Gerd Erhartt von Querkraft in Optimismus übten und meinten, dass es heute nicht schwieriger sei als zur Zeit der Entstehung von Richters erstem „Kiang“, das zu seiner Zeit, zur Zeit der Wiener Postmoderne, so unangepasst war, dass ein halbes Jahr keine Gäste ins Restaurant kamen.

Helmut Richter war ein Unangepasster mit Überzeugungskraft, der Charme und Eleganz einzusetzen wusste im Kampf um die Durchsetzung seiner Ideen. Und Richter war offensichtlich in seiner Konsequenz bereit, hohe Risken einzugehen. (so soll er einen sehr großen Auftrag zu Erweiterung/Umbau der Veterinärmedizin abgelehnt haben, weil dieser an die Verwendung von Naturstein als Bodenbelag gebunden war).

Was, wäre also eine weitere Frage gewesen, bedeutet „Haltung“ heute - in einer Zeit, in der Architekten betonen, sich als Dienstleister zu verstehen? Können sich, wäre zu fragen gewesen, jetzt, wo die finanzielle Lage von Bund, Ländern und Städten angeblich so angespannt ist wie nie und sich mehr Planer denn je um die Futtertöpfe reißen, Architekten überhaupt leisten, konsequent oder gar widerständig zu sein? Vielleicht kann die Antwort - eine Antwort - von Helmut Richter kommen, als heute gültiger Nachhall aus dem Jahr 1984. „Das Ziel unserer Bemühungen ist es“, schreibt Richter anlässlich der Errichtung eines Badezimmers im Umbau (8/1984), „nicht Gesetzen zu folgen, sondern Sachverhalte vorurteilslos und kritisch zu betrachten und danach so zu handeln, um unsere Beziehungen zu dem, was uns umgibt, besser zu organisieren. Wir betrachten das, was im Bereich der Architektur und Kunst da ist, als das Bemühen um einen Beitrag zur besseren Bewältigung unserer Existenz durch Erkenntnis. Es gibt keine apodiktischen und allgemeingültigen Sätze in der Architektur .... Es gibt keinen architektonischen Determinismus. Was wir sagen können, ist, daß ständige Beschäftigung mit einem Problem, dauernde Anstrengung und der Wille, etwas zu verbessern, neben der Verwendung von klaren Argumenten bei der Kontrolle unserer Handlungen zum Resultat führt. Das Wesentliche an unseren Handlungen ist das freie Handeln. Wir bedauern jene, die an Gesetze glauben; nicht nur unsere Ämter sind voll von jenen, die dem Formalismus huldigen. Der blinde Glaube an das Gesetz lässt es u.a. zu, dass soziale Systeme trotz ihrer Ungerechtigkeit länger erhalten bleiben; es geht nicht nur um die Architektur an sich, sondern um sie als Zeichen einer bestimmten Haltung.“

ZUR INFORMATION:
Aus Anlass seiner Emeritierung fand von 27.09. bis 21.10.2007 im Architekturzentrum Wien eine Ausstellung über Helmut Richter, Professor am Institut für Architektur und Entwerfen/Hochbau 2 der TU Wien, statt. Die Ausstellung wurde kuratiert von Hemma Fasch und Hans Schartner.

PUBLIKATION:
Zeitgleich zur Ausstellung erschien eine Publikation „für Helmut Richter“, die Beiträge von Persönlichkeiten seines weiten Umfeldes versammelt und anlässlich der Eröffnung der Ausstellung präsentiert wurde. Erhältlich ist sie an der Abteilung für Hochbau II, TU Wien sowie im Architekturzentrum Wien und in der Buchhandlung Prachner.

Verfasser/in:
Karin Tschavgova, Kommentar
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