03/04/2016

Die Streitschrift Verbietet das Bauen! von Daniel Fuhrhop ist im August 2015 im oekom Verlag erschienen.

Der Autor wendet sich nicht nur gegen die Bauwut sondern bietet mit seinen 50 Werkzeugen auch eine Fülle von Ideen an, um alte Substanzen zu erhalten und Neubau überflüssig zu machen.

Daniel Fuhrhop
Verbietet das Bauen!
192 Seiten, gebunden
ISBN-13: 978-3-86581-733-4
17,95 Euro

03/04/2016

Daniel Fuhrhops Streitschrift 'Verbietet das Bauen!'

Wenn Stadtregierungen den Bau zeitgeistiger Trabantenstädte fördern, während jene von gestern ein geisterhaftes Dasein fristen, Immobilienentwickler sich den Bau noch kleinerer Wohnungen wünschen und vermeintlich ökologie-bewusste Häuslbauer es sich in ihren Passivhäusern im Grünen auf einem Berg grauer Energie bequem machen, dann ist es vielleicht an der Zeit für eine Einführung in Anti-Stadtmarketing, Bestandspflege und angewandte Leerstands-Prophylaxe.

Die 2015 erschienene Streitschrift von Daniel Fuhrhop, mit dem programmatischen Titel Verbietet das Bauen, kann dabei Erste Hilfe leisten. Im Wechselspiel zwischen pointierter Metaphorik und fundiertem Faktenwissen wird darin nichts Geringeres gefordert, als ein sofortiger und umfassender Baustopp.

Vom lange Zeit vernachlässigten Berliner Stadtteil Marzahn über ungenutzte Büroflächen in Frankfurt bis zur holländischen Hausbesetzerkultur reicht die bunte Palette an Beispielen. In Frankfurt am Main, so Fuhrhops Rechnung, ließen sich die anderthalb Millionen Quadratmeter leerstehender Büroflächen theoretisch in zwanzigtausend Wohnungen zu je 75m2 umnutzen. Eine weitere Idee ist die Verschiebung von Schwerpunkten der Stadtwerbung mit Kampagnen, die Peripheres zum Weltkulturerbe erheben und im Zentrum stehendes als uncool erklären. Bilder dazu finden sich auf dem gleichnamigen Blog verbietet-das-bauen.de. Für das Nachschlagen einzelner Themen, bietet der Werkzeugkasten im Anhang eine übersichtliche Zusammenfassung der zahlreichen Initiativen und Strategien.

Sollte der österreichische Leser übrigens bei den Frankfurter und Berliner Beispielen pharisäisch die Achseln zucken, dann sei an den allgemeinen Büro- und Geschäftslokalleerstand hierzulande und die kürzlich mit Stolz verkündeten Wohnbauoffensive in Wien erinnert, die vielleicht zumindest in Teilen zu hinterfragen wäre. Kurzer Blick in den Werkzeugkasten: Stichwort Kluishuizen. In Holland wird dem Leerstand seit einigen Jahren über eine von den Kommunen legitimierte Besetzerkultur entgegengewirkt. Bleibt eine Immobilie länger als ein Jahr ungenutzt, so kann diese besetzt werden. Das Resultat: Eigentümer kümmern sich darum, ihren Bestand zu vermieten.

Diese und andere Formen eines suffizienten Handelns auf allen Ebenen, soll in Zukunft an Stelle des unbedingten Effizienzdenkens treten. Dabei bewegen sich die Individuen stets im Spannungsfeld aus Glück und Verzicht, zwischen Entschleunigung und gleichzeitiger Konzentration auf das Wesentliche. Was das für die Architektur bedeuten kann, wird durch einen Schulumbau in Großbritannien der besonderen Art auf den Punkt gebracht. Dort stauten sich zu Beginn jeder Pause Schüler und Lehrer auf den Fluren. Die anfänglichen Neubau-Pläne wurden jedoch verworfen. Nachdem die große Glocke durch mehrere kleine ersetzt wurde, die nun zeitversetzt die Pause einleiten, gelangen die Schüler erst nach und nach auf die Flure. Problem gelöst – ganz ohne Bauen. Alastair Parvin, Mitbegründer des Wikihouse Projekts, untermalt diese Parabel in seinem Vortrag Architecture for the people by the people zusätzlich mit einem Kostenvergleich. Die leichte Rhythmusverschiebung schlägt, im Verlgeich zu einem Umbau im zweistelligen Millionenbereich, mit einigen hundert Pfund zu Buche.

Eine weitere sehr gelungene Metapher für den idealen Stadtwandel ist der erste Spachtelstrich, der bei Fuhrhop an Stelle des heiß begehrten Spatenstichs tritt. Politiker sollen sich demnach besser mit Kelle und Fugenmasse medial in Szene setzen, als mit der Schaufel. Bei den anschließenden Wiedereröffnungsfeiern könnten dann Bänder gemeinsam geflochten werden, anstatt sie zu zerschneiden. Ob Bau- oder Bürgermeister, Hausbesitzer oder Besetzer – eines ist sicher: An den Spachteln wird man die Leser dieses gut fundierten Gedankengebäudes erkennen.

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