04/08/2008
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In einer Folge von Hal Forsters „Prinz Eisenherz“ beklagt ein fetter, levantinischer Kaufmann, dass der versklavte Eisenherz mit seiner jungen Frau und dem „Singenden Schwert“ geflohen sei. Der Verlust der berühmten Waffe schmerzt den Kaufmann mehr, als der Frau; allein ihr Besitz habe ihn zu mancher edelmütiger Tat angeregt. Die Geschichte illustriert auch De Botons Architekturverständnis, das von der Wechselwirkung zwischen Architektur, Innenräumen oder Möbel und ihren Bewohnern bzw. Benützern geprägt ist. Einerseits werden sie durch die Bauten präsentiert, oder diese sind zumindest Projektionen dessen, was wir gern wären. Andererseits besteht kein Zweifel, dass uns die Architektur bestimmt, auch wenn der elegante De Botton nie so weit gehen würde, wie Heinrich Zille. Der Zeichner des „Berliner Milljöhs“ behauptete, dass man einen Menschen mit einer Wohnung genau so gut töten könne, wie mit einer Axt. Der 1969 geborene De Botton sagt unumwunden, dass die Dinge „zu uns sprechen“, also auch „etwas von uns wissen“. Ihre fast magische Aufwertung ist aber keinesfalls als Konsumismus zu verstehen, sondern viel eher als dessen Gegenteil. In der Freude an handwerklicher Qualität und gelungener Form steckt auch genussvolle Entschleunigung. Dieser kommunikative und pragmatische Aspekt lässt sich aus den Titeln anderer Bücher von De Botton ablesen. „Wie Proust ihr Leben verändern kann“ (1997), „Trost der Philosophie“ (2000) oder „Kunst des Reisens“ (2002). Sie alle greifen auf hochliterarische, aber leichthändige Weise die Form des Ratgebers auf. Sich gelassen durch die Geschichte der Architektur bewegend, variiert der hoch gebildete Autor sein Thema an Le Corbusiers „Villa Savoye“, an viktorianischen Landhäusern, Plastiken von Henry Moore, Häusern von Peter Zumthor oder Ludwig Wittgenstein. Indem De Botton beharrlich die Geschichten nacherzählt, die diese Bauten über uns, ihre Nutzer erzählen, entlarvt er zugleich „natürliche“ Gesetze der Architektur als zeitgebundene Projektionen. Seien es nun die in den Villen Palladios aufzufindenden „klassischen“ Gesetze oder die „rationalen“, funktionalen Konstruktionen eines Industriellen Zeitalters. Wenn das Buch eine kleine Schwäche hat, besteht sie darin, dass De Botton die anfängliche Entideologisierung architektonischer Ästhetik (wie sie etwa Terry Eagleton für die Literatur in „Die Ideologie der Ästhetik“ geleistet hat) über seinem vergnüglichen Flanieren beiseite liegen lässt. Für den Architekten (so vermute ich als Laie) stellt De Bottons „Glück und Architektur“ eine Begegnung mit Themen dar, die ihm zweifellos bekannt sind - hier allerdings unter neuen Aspekten. Und er wird sich vielleicht des Panzers aus architektonischen Grundsätzen bewusst, in dem auch er gefangen sein mag.

„Glück und Architektur“
Alain De Botton
2008, S. Fischer Verlag, 23 EURO
ISBN 978-3-10-046321-0
Aus dem Englischen von Bernhard Robben

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