13/06/2004
13/06/2004

(C) Fabian Wallmüller, Klemens Luser

LANGE NACHT DER VISIONEN
Die Zukunft der Stadt Graz auf dem Prüfstand
Statement Peter Pretterhofer

Einleitung

Der Architekt sieht das Ganze, und dabei kommt ihm zugute, dass die Dinge ab einer gewissen Größenordnung wieder einfacher erscheinen.

Ein Thema , dass in diesem Rahmen diskutiert werden sollte, ist das der Peripherie der Stadt und der Urbanisierung des Grazer Südens, der Entwicklung des Raumes zwischen Graz, Wildon, Leibnitz bis Maribor.

Eine große wirtschaftliche Dynamik, neu entstehende Infrastruktur- und Freizeiteinrichtungen zusammen mit einer Siedlungsentwicklung um die bestehenden Ortskerne fördert die Entwicklung einer Neustadt des 21 Jahrhunderts, eines zeitgenössischen Stadtraumes, jenseits der gewohnten Zuordnungen von Peripherie und Zentrum.

Die Entwicklungen innerhalb der Kernstadt Graz sind ursächlich mit diesem Raum verbunden.
Die Entwicklung dieses Raumes gehorcht aber keinen übergeordneten raumplanerischen Gestaltungskonzeptionen, sondern passiert in den autonomen Gemeinden, Architekten oder gar Landschaftsplaner sind kaum in die Entwicklung und Planung involviert.

Einige Vorbemerkungen

Von Maribor zu Ikea in Graz braucht man mit dem Auto gleich lang, wie von der Andritzer Stadtgrenze zu Ikea, nämlich 35 Minuten.
Dieser Raum, - 60km zwischen Graz und Maribor- wird von sehr vielen Menschen jetzt schon auf Grund seiner Ansammlung dichter Orte wie ein zusammenhängender Stadtraum benutzt.

In der ersten Ausgabe des Grazer Architektumagazins GAM wird eine pointierte Analyse der Entwicklung Gesamteuropas vorgestellt, in der den Alpen die zentrale Erholungsfunktion eines „central parks“ inmitten eines verstädterten Zentraleuropas zukommt. Die Städte in bevorzugter Lage um dieses Erholungsgebiet weisen schon jetzt erhöhte Lebensqualität auf:

Das Städteduo Graz-Maribor besitzt diese Lagegunst, und darüber hinaus finden wir zusätzlich zu den kulturellen und identitätsstiftenden Polen der beiden Altstädte eine flache Hierarchie großmaßstäblicher Nutzungen:

Die Stadtautobahn Graz-Maribor und die Bahntrasse als Rückgrat,
Die Shoppingmeilen Center West und Seiersberg als neuer Marktplatz,
der Flughafen und der Güterterminal Graz-Süd in Werndorf als Knotenpunkte der Infrastruktur, Businesscenters und Innovationsparks bis hin zum wirtschaftlich dynamischen Leibnitzer Feld, die Siedlungsentwicklungen von Wildon über Dobl bis Hausmannstätten, aber auch Freizeitnutzungen wie das Schwarzl Freizeitzentrum aber auch der Murradweg und vor allem die Region um den Naturpark südsteirisches Weinland sind einander bedingende Bestandteile dieser neuen Großstadt.
Diese Teile existieren und bilden Nutzungsschwerpunkte.
Da man die Entwicklung nicht aufhalten kann, muss sie realistisch analysiert und positiv genützt werden.

Analysen ähnlicher Regionen gibt es beispielsweise für die Vorarlberger Rheinebene oder für das Schweizer Mittelland, deren erste Folgerung es ist, die Region als das zu begreifen was sie ist, nämlich eine zusammenhängende Stadtlandschaft.

Konkrete Anregungen statt Visionen

Die oben erwähnten Tatsachen provozieren aber nicht nur traditionelle, koordinierte raumplanerische Flächenausweisungen, sondern auch konkrete städtebauliche Antworten und innovative Kommunikationsstrategien.

Wenn man Stadt begreift als kultivierteste Form einer sozialen Vereinbarung, darf man ihre Entwicklung weder den Politikern, noch den Ingenieuren, noch den Ökonomen allein überlassen. Hier möchte ich daran erinnern, dass ich kaum einen Ort kenne, der ein derart großes kreatives Potential im Bereich der jüngeren Architektur brachliegen lässt wie Graz.

(Die Hochschule oder die Zentralvereinigung der Architekten haben das Thema der Urbanisierung des Raumes zwischen Graz und Maribor schon mehrfach behandelt.)
Die Stadt Graz, obwohl nur ein Teil des Problems könnte initiativ sein und eine mindestens eintägige Konferenz zu diesem Thema anregen, sowie Initiativgremien wie einen interdisziplinär besetzten runden Tisch oder einen Entwicklungsbeirat.
Als Diskussionsgrundlage könnten Architektenteams Szenarien zu verschiedenen Schwerpunkten entwickeln.

Unabhängig davon besteht Handlungsbedarf in der unmittelbaren Grazer Peripherie innerhalb der aktuellen Stadtgrenze.
Dieser Raum wird sich, historisch betrachtet, verdichten, jedoch sind nur noch lokale Eingriffe möglich. Diese sollten an an den neuralgischen Nervenpunkten des peripheren Gefüges ansetzen, um durch eine städtebaulich positive Ausstrahlung eine nachträgliche Urbanisierung zu leisten.
Zwischen St. Peter Hauptstraße, Liebenauer Hauptstraße und Triester- und Kärntnerstraße, sollte nach dem Vorbild von Barcelona oder auch des Wiener Gürtels der öffentliche Raum dringend aufgewertet werden.

Dort wurden über Nutzungsverdichtungen und zum Teil minimalen Gestaltungsmaßnahmen im öffentlichen Raum im Sinn von homöopathischen Eingriffen in den Stadtkörper ganze Quartiere atmosphärisch verbessert.
Die junge Grazer Architektengeneration ist bereit für das weite Feld an anstehenden Aufgaben.

Ob wir wollen oder nicht, die Peripherie ist unsere Stadt, ist der Lebensraum, den unsere Zeit hervorbringt, wie der Gründerzeitring der Stadtraum des 19.Jahrhunderts war, und es liegt an uns, was wir daraus machen.
Ich schlage daher als Gegenüber zum Grazer Altstadterhaltungsgesetz ein Grazer Neustadtförderungsgesetz vor, und wiederhole nun wahrscheinlich besser verständlich die Überschrift

„Graz ist größer als Graz“

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+