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Kommentar
Graz-Reininghaus: Der Zug fährt ab

In einer am 31. Oktober 2012 kurzfristig einberaumten Pressekonferenz – 25 Tage vor der Gemeinderatswahl – präsentierte Bürgermeister Siegfried Nagl (ÖVP) gemeinsam mit Vizebürgermeisterin Lisa Rücker (Grüne), Stadträtin Elke Kahr (KPÖ), Gemeinderat Gerald Grosz (BZÖ), Bernhard Astner (Vertreter von Asset One) und Johannes Geiger (Vertreter der Steirischen Wohnbaugenossenschaften und Direktor der Genossenschaft GWS) seinen „Plan B“ für die Reininghausgründe: Eine Absichtserklärung (Letter of intent) mit der Asset One, die nun in einem ersten Schritt die Umwidmung der Flächen beinhaltet.

Nachdem „Plan A“ des Bürgermeisters am Nein der Bürger zum Kauf der Reininghausgründe gescheitert ist, wurden in den letzten Monaten im Hintergrund Verhandlungen mit dem Grundeigentümer und potenziellen Investoren geführt. Das Resultat ist nun ein politischer Schulterschluss. Mit einer 2/3 Mehrheit wird in der kommenden Gemeinderatssitzung am 8. November der Entwurf zur Umwidmung der Reininghausgründe in Form einer Änderung des gültigen 3.0 Flächenwidmungsplans 2002 im Gemeinderat beschlossen. Das Gewerbegebiet soll einem höherwertigen Kern- und allgemeinem Wohngebiet, Park- und Sportflächen sowie Verkehrsflächen weichen. Die Verordnung sieht auch eine Bebauungsplanpflicht für alle umgewidmeten Baulandflächen vor.
Dieser Gemeinderatsbeschluss zur Weiterentwicklung der Reininghausgründe ist für Bürgermeister Siegfried Nagl „ein wichtiger Zündschlüssel, um Flächen zu verkaufen und zu investieren“. Die Rechtskräftigkeit dieser Umwidmung ist unter Berücksichtigung der Auflagen und Einspruchsfrist bereits mit März 2013 denkbar.
Der Investoren- und Neuwahldruck muss zuletzt enorm gewesen sein, sodass man seitens der Stadt nicht mehr bereit war, die Neuauflage des 4.0 Flächenwidmungsplanes abzuwarten.

Der Letter of Intent, eine mehr oder weniger rechtsverbindliche Willenserklärung der Vertragspartner, deren Inhalt der Öffentlichkeit nur auszugsweise vorliegt, soll lt. Bürgermeister Nagl bis zum rechtskräftigen Beschluss der Umwidmung in einen für alle potenziellen Käufer rechtsverbindlichen Vertrag umgewandelt werden.
Die Umwidmung der Gründe soll im Gegenzug der Stadt die notwendigen Infrastrukturkosten aus sogenannten Grundstücksaufwertungsgewinnen einbringen. Die Vereinbarung sieht vor, dass pro m² Bruttogeschoßfläche 30 Euro für Infrastrukturkosten bzw. Investitionen in Baukultur und Nachhaltigkeit an die Stadt fließen, und zwar Zug um Zug mit der Bebauung bzw. Baubewilligung – in Summe erwartet man 15 bis 20 Millionen Euro. Weiters beinhaltet die Vereinbarung Grundstücksschenkungen in der Größe von 65.000 m² für öffentliche Grünflächen, u. a. für den Central Park, und 89.000 m² für Verkehrsflächen. Nicht ausgeschlossen wird seitens der Stadt Graz, dass noch weitere Grundstücke für sozialen Wohnbau, Schulen etc. angekauft werden.

Die Tatsache, dass der derzeitige Eigentümer und die künftigen Investoren die Aufschließungskosten für das Areal mitfinanzieren und die Stadt nicht allein auf den hohen Infrastrukturkosten (Ausbau des öffentlichen Verkehrsnetzes, Kanal-, Wasser- und Stromaufschließung, Errichtung von öffentlichen Einrichtungen wie Schulen, Kindergärten, etc.) sitzenbleibt – sollte bei den zu erwartenden Aufwertungsgewinnen durch Umwidmung selbstverständlich sein.
Den großen Joker – die Umwidmung des Areals – hat die Stadt nun ausgespielt, ohne die Öffentlichkeit dabei einzubeziehen. Welchen Preis die Stadt zahlen wird bzw. wie fair dieser Deal wirklich ist, wird sich erst zeigen, wenn alle Fakten auf dem Tisch liegen.

Aussagen über eine Qualitätsvereinbarung, die Dichte des künftigen Quartiers bzw. die Definition der maximalen Größen der Parzellierungen blieben die politischen Verantwortlichen genauso schuldig wie eine Absichtserklärung zur verpflichteten Abhaltung von Architekturwettbewerben. Ebenso fehlt ein Gesamtkonzept für die schrittweise Stadtteilentwicklung von Reininghaus.

Verfasser / in:

Petra Kickenweitz

Datum:

Wed 07/11/2012

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