"Graz - wer hätte das gedacht?"

"Was ist finanzierbar?" lautete die Frage der gestrigen Veranstaltung bei den Minoriten zum Thema "Schwerpunkte der Grazer Stadtentwicklung". "Gar Nichts !" war die ernüchternde Antwort vom Stadtrat für Finanzen Dr. Wolfgang Riedler.

"Graz darf alles."
"Graz fliegt."
"Graz - wer hätte das gedacht?"
Etwa, dass wir nach so viel Höhenflügen nunmehr mit gefüllten Bäuchen, stolzgeschwellter Brust und gesundem Selbstbewusstsein betreten vor einem Finanzloch stehen.
Der Schuldenstand der Stadt beträgt 540 Mio. Euro und bei strenger Haushaltsführung fehlen trotzdem 150 Mio. Euro, die ohne Fremdhilfe nicht aufgebracht werden können. Die Getränkesteuerrückzahlung wird die Stadft 36 Mio. Euro kosten, die geplante Steuerreform weiter 15,6 Mio. Euro.
Soweit die Fakten. Ein Trost am Rande: Nicht nur Graz, auch andere Städte befinden sich in einer ähnlich prekären Finanzsituation.

Die Nachhaltigkeit von Graz Kulturhauptstadt 2003? Das sind wir, die Bürger dieser Stadt. Die, die wir mitgeflogen sind und damit 2003 mitgetragen haben. Jetzt ist unser Verantwortungsgefühl gefragt, unsere Zivilcourage und vor allem Rückgrat, auf dass wir unseren Blick nicht trüben lassen und unseren Beitrag leisten zur Aufrechterhaltung der Attraktivität dieser Stadt. Wir sollen Müll wegräumen und ein kleines Stück öffentlichen Raumes pflegen, Blumen pflanzen, nicht mit dem Auto fahren - auch wenn für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs kein Geld da ist, uns mit gesellschaftlich relevanten Problemen auseinandersetzen, miteinander vernetzen, offen sein für das Fremde und darüberhinaus Visionen entwickeln für 2008. Denn da gibt es vielleicht wieder Geld.

Gut. Wenn ich das alles mache, garantiert mir die Stadtregierung dann eine tolle Stadt? So wie sie Bürgermeister Siegfried Nagl bei der ersten Veranstaltung zum Thema proklamierte: eine lebenswerte Stadt, aufgebaut auf drei Qualitätssäulen: KULTUR - WISSENSCHAFT - ARCHITEKTUR.

Ach ja, da fällt mir noch etwas ein: Ich dachte immer, Stadtentwicklung sei ein fest unmrissener, inhaltlicher Begriff, der für übergeordnete, längerfristige und nachhaltige Planung der Entwicklungen einer Stadt steht. Einer Stadt, in deren Zuständigkeit im Sinne einer vernünftigen Raumplanung sowohl der Verkehr als auch sämtliche Hochbautätigkeit, der Bildungsbereich genauso wie der soziale, der wissenschaftliche und der kulturelle Bereich liegt.
Aber darüber kann ich mir ohnehin die nächsten vier Jahre beim Hundstrümmerlwegräumen, Kaugummi vom Gehsteig schrubben und bei der Pflege der liebevoll von mir angelegten Blumenrabatte im öffentlichen Raum - vielleicht auf der Verkehrsinsel am Lendplatz - Gedanken machen. Das Stadtplanungsamt wird es dann auch nicht mehr geben. Eingespart.

Verfasser/in:
Ute Angeringer "Kommentar"

Datum:

Wed 05/05/2004
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