06/11/2015

Great Amber – Landmark für Lettlands drittgrößte Stadt Liepaja.

Der multifunktionale fünfgeschoßige Komplex mit bernsteinfarbener Glas- fassade wird am 7. Nov. 2015 eröffnet.

Architektur
Volker Giencke & Company, Graz

In der GAT-Reihe bauwerk.aktuell werden Architekturproduktionen innerhalb und außerhalb Österreichs präsentiert, die kürzlich fertiggestellt wurden. Bei der Kuratierung werden Projekte von AkteurInnen bzw. ProtagonistInnen mit Bezug zur Steiermark bevorzugt.

06/11/2015

Great Amber

Architektur: Giencke & Company©: Indrikis Sturmanis

Great Amber, Vogelschau, Baltisches Meer

©: Indrikis Sturmanis

Great Amber

©: Indrikis Sturmanis

Great Amber, Vogelschau

©: Aigars Prūsis

Great Amber

©: Aigars Prūsis

Great Amber, Fassadendetail

©: Giencke & Company

Great Amber, Konstruktion

©: Giencke & Company

Hauptfoyer

©: Giencke & Company

Foyer Nord

©: Indrikis Sturmanis

Konzertsaal, Blick zur Bühne

©: Indrikis Sturmanis

Konzertsaal, Auditorium

©: Indrikis Sturmanis

Konzertsaal, Auditorium

©: Indrikis Sturmanis

Konzertsaal, Auditorium

©: Merks Ltd.

Civita Nova

©: Indrikis Sturmanis

Civita Nova

©: Indrikis Sturmanis

Am 7. November wird das Konzerthaus Great Amber des Grazer Architekten Volker Giencke in Liepaja, Lettland, feierlich eröffnet. Damit ist die erste – und wichtigste – Phase des mehrstufigen Projektes zur Errichtung eines Kulturdistrikts abgeschlossen. Volker Giencke hat 2003 den weltweit geladenen Architekturwettbewerb für das neue kulturelle Zentrum der traditionsreichen Hafenstadt an der Ostsee gewonnen.

Der Great Amber ist ein monolithischer, konusförmiger, leicht verzogener Baukörper mit einer transparenten, bernsteinfarbigen Fassade. Die Fassade umhüllt das unregelmäßige Faltwerk der Betonkonstruktion, das sich um das wichtigste Architekturelement herum aufbaut: den großen Konzertsaal für über 1.000 Besucher. Dieser wird umschlossen von den Räumen des Symphonie-Orchesters Liepaja und den Ausbildungs- und Proberäumen der Musikschule. Die Durchmischung der Räume fördert den Austausch zwischen Künstlern, Studenten und Lehrenden. Ergänzt wird das Raumangebot von einem Kammermusiksaal unterhalb des Konzertsaals sowie dem Ballettsaal und der Experimentierbühne mit Foyer, Bar & Music-Club im 5. Obergeschoß.

Der Konzertsaal kann durch die Anhebung des Orchestergrabens und des Parketts auch für Kongresse, Ausstellungen und Empfänge genutzt werden. Zusätzlich steht mit der Civita Nova eine 2.000m2 große multifunktionale Veranstaltungsfläche zur Verfügung. Das entspricht der Idee des Architekten, den Great Amber wie einen öffentlichen Stadtraum für die Bewohner Liepajas frei zugänglich und vielfältig bespielbar zu machen.

Das akustische Konzept hat Volker Giencke gemeinsam mit Karlheinz Müller / Müller-BBM, München entwickelt. Ergebnis ist eine hervorragende Akustik, aufbauend auf dem ovalen, terrassenförmigen Weinbergprinzip. Vierzehn innen hochglanzverspiegelte Röhren, die über das Dach hinausragen, leiten Tageslicht in den Konzertsaal. Dieses raffinierte Lichtkonzept schafft eine einzigartige Atmosphäre.

Licht ist auch an der Fassade des Great Amber ein wesentliches Gestaltungselement. Die bernsteinfarbenen Gläser sind an einer filigranen, korbartigen Stahlkonstruktion befestigt und tauchen den Raum in ein weich getöntes Licht. Nachts wird das Gebäude zum transparenten Leuchtkörper, der sein Inneres und seine unterschiedlichen Funktionen von außen sichtbar macht. Tagsüber spiegelt sich in den Gläsern der Außenraum in wechselnden Farben und Nuancen und schafft Stimmungsbilder von großer Prägnanz. Diese symbolhafte Wirkung unterstreicht, dass der Great Amber eine Verbindung mit der Stadt eingeht, die sowohl architektonisch als auch inhaltlich überzeugt. Ein neues Wahrzeichen für das heutige Liepaja.

Bereits am 18. Oktober 2015 wurde der Kammermusiksaal mit einem Konzert des String Quintett der Berliner Philharmoniker feierlich eröffnet. Gunars Upatnieks, Kontrabassist des Streichquintetts der Berliner Philharmoniker und gebürtiger Lette, zeigte sich begeistert: „Es ist ein phantastisches Gefühl! Für uns war es eine doppelte Premiere – wir haben den Konzertsaal zum ersten Mal gesehen und wir spielen hier zum ersten Mal dieses Konzert in dieser Besetzung. Der Klang war exzellent!“

Das akustische Konzept von Müller-BBM
Der große Konzertsaal mit mehr als 1.000 Sitzplätzen hat ein raumakustisch wirksames Volumen von etwa 11.200m3. Wenn der Saal und das Orchesterpodium bis auf den letzten Platz besetzt sind, liegt die Nachhallzeit immer noch bei 1,8 bis 2,0 Sekunden und steigt zu tiefen Frequenzen nochmals an. Dies verleiht dem Klang die notwendige Wärme und schafft perfekte Bedingungen für klassische Konzertveranstaltungen. Die Saalform orientiert sich mit ihren Rängen und Balkonen an den klassischen Vorbildern der Weinbergterrassen. Dadurch erleben die Zuhörer eine intime räumliche Nähe zu den Künstlern auf dem Podium und sind trotzdem auf allen Plätzen voll in den Raumklang eingebunden. Die filigranen Dekorelemente an den Decken und Wänden bewirken eine diffuse Klangdurchmischung für ein ausgewogenes Klangbild ohne übertriebene Schärfe. Der Kammermusiksaal mit bis zu 180 Sitzplätzen hat ein akustisch wirksames Volumen von 1.200m3. Das ausgewogene und differenzierte Klangbild eignet sich optimal für kammermusikalische Veranstaltungen.

Hinter großen, weißen, akustisch transparenten Wandverkleidungen aus Gewebe sorgen auf- und abfahrbare Stoffvorhänge für die Reduzierung der langen, natürlichen Nachhallzeiten in den Sälen. Diese variable Schallabsorption gewährleistet zusammen mit fest installierten Beschallungsanlagen in beiden Sälen eine sehr gute Wort- und Silbenverständlichkeit. Neben Konzerten lassen sich die Säle dadurch auch für Sprachveranstaltungen – Vorträge, Konferenzen, Kongresse – nutzen.
"Es ist ein Wunder, ein Ereignis, das nur einmal in hundert Jahren möglich ist", sagt Indulis Kalns, ein bekannter ortsansässiger Architekt, über das neue Haus. Wer es gesehen hat, kann nur zustimmen, es ist ein Wunder – zum Ansehen, Anfassen und vor allem: zum Anhören.

Great Amber Projektteam
Generalplaner: Giencke & Company – Latvija PR, Riga
Autor & Architekt: Volker Giencke
Planung: Volker Giencke & Company, Graz
Projektleitung: Petra Friedl
Akustik: Müller BBM, Karlheinz Müller, München
Bühnentechnik: Bühnenplanung Kottke, Walter Kottke, Bayreuth
Tragwerksplanung: Johann Birner, Graz
Gebäudetechnik Konzept: Altherm Engineering, Hans Haugeneder, Baden/Wien
Lichtplanung: Bartenbach Lichtlabor, Christian Bartenbach, Innsbruck
Landschaftsplanung: Paul Giencke, Berlin
Partnerarchitekt: SIA Arhitekta J. Pogas Birojs, Astra & Juris Poga, Riga

Projektdaten
Bruttogrundfläche: 16.523m2
Volumen: 82.400m3
Höhe: 30 m

Multifunktionales Zentrum
Konzertsaal des Symphonieorchesters Liepaja: 1.024 Plätze.
Kammermusiksaal: 154 Plätze
Musikschule der Stadt Liepaja
Öffentliche Bereiche: Civita Nova, Experimentierbühne & Musik-Club, Cafés & Bars

Chronologie
2003 Internationaler Wettbewerb, 1. Preis
2004 Adaptierungsprojekt
2006 Entwurfsprojekt
2008 Ausführungs- und Detailplanung – Technisches Projekt
2013 Baubeginn und Autorenaufsicht
2015 Eröffnung

Liepaja
Liepaja gilt als Stadt des Windes, als die Stadt, „in der der Wind geboren wurde“! Sie liegt als Halbinsel am westlichen Punkt Lettlands, zwischen Ostsee und Binnensee, verbunden durch eine Wasserstraße zwischen Altstadt und Neustadt. Ihr großer Hafen ist der einzige eisfreie Hafen an der Ostsee, mit einer schillernden Vergangenheit. Fährverbindungen zwei Mal wöchentlich nach New York und Halifax am Anfang des letzten Jahrhunderts zeugen von einem regen Seehandel und einer touristischen Bedeutung, die die drittgrößte (ca. 100.000 Einwohner) und bekannteste Stadt Lettlands neben der Hauptstadt Riga auch geschichtlich immer innehatte. Die Inbesitznahme 1940 durch die sowjetische Armee beendete diesen Höhenflug, machte aus der Stadt eine sogenannte closed city und überließ sie dem Vergessen.
Heute zählt Lettland und damit Liepaja wieder zu den wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Regionen des Baltikums, unterstützt durch den EU-Beitritt Lettlands 2004.
Die traditionsreiche Hafenstadt an der Ostsee ist nicht nur für ihre Bernsteinverarbeitung bekannt, sondern gilt auch als Musikhauptstadt des Baltikums. So findet hier das größte Rockfestival Lettlands statt, das Liepajas Dzintars (Liepajas Bernstein). Die mechanische Orgel der barocken Dreifaltigkeitskirche zählt mit 131 Registern, vier Manualen und mehr als 7.000 Pfeifen zu den größten in Europa. Liepaja beherbergt auch das einzige Symphonieorchester Lettlands, gleichzeitig das älteste des gesamten Baltikums (gegründet 1881).
Der trotz schwieriger wirtschaftlicher Verhältnisse fertiggestellte Bau des Great Amber zeigt gleichermaßen den Stolz der Letten auf ihre kulturelle Tradition wie auch ihren Willen, diese weiterzuentwickeln und einem internationalen musik- und architekturbegeisterten Publikum zugängig zu machen.

philip rottenmeier

ein entwurf, der nach 13 jahren entwicklungsgeschichte mehr zukunftspotential hat als das was land auf land ab in der "stadt des designs" zur zeit entworfen und gebaut wird, sollte allen zu denken geben - hut ab und gratulation - tut gut zu sehen, dass es noch architektInnen gibt die ihren beruf wahrnehmen und uns scheinbar zeitlos in die zukunft blicken lassen.

Fr. 06/11/2015 1:32 Permalink
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