12/02/2020

Hybride Strukturen

Graz Kulturjahr 2020
und seine AkteurInnen

Bettina Landl stellt drei Projekte im Kulturjahr vor:

  • Digital Reconfiguration – Kartographie der Unsichtbaren geht auf gesellschaftliche Umstrukturierungen ein
  • Active Urban Citizenship zeigt Wege von den Utopien des Zusammenlebens zu einer nachhaltigen Stadtentwicklung auf
  • Soundscapes erforscht die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der klanglichen Lebenswelt der Stadt

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12/02/2020

"Digital Reconfiguration“, eine Projekt von Dejan Marković u. a. in Kooperation mit der Arbeiterkammer Steiermark

©: Bettina Landl

Das Infocafé palaver am Lendplatz ist Austragungsort der "Living Labs“ im Rahmen des Projekts "Active Urban Citizenship“

©: Bettina Landl

Wie die Stadt klingt, erforscht das Projekt "Soundscapes“

©: Bettina Landl

"Soundscapes" dokumentieren und reflektieren die Welt der Geräusche drinnen ...

©: Bettina Landl

... oder draußen, unter freiem Himmel

©: Bettina Landl

Eine soziale Anatomie sichtbar zu machen, Hierarchien zu unterwandern, neue gedankliche wie auch physische Verknüpfungen herzustellen und/oder bestehende zu lösen, um handlungsfähig(er) zu werden, sich zu emanzipieren und die Gemengelage neu zu ordnen, sind Anliegen dreier Projekte, die im Rahmen von Graz Kulturjahr 2020 realisiert werden:

  • Digital Reconfiguration
    – Kartographie der Unsichtbaren
    von Dejan Marković entsteht im Rahmen eines kollektiven Arbeitsprozesses und veranschaulicht aktuelle gesellschaftliche Umstrukturierungen aufgrund neuer Gender-, Kapital- und Machtverteilungen in der Zeit des digitalen Kapitalismus. Ausgehend von der industriereichen Region Steiermark und der relevanten Geschichte ihrer Arbeiterbewegung wird der Blick auf die heute „notwendige“ Wissensproduktion in Bezug auf das Thema Arbeit sowie die Verbindungen von Hightech-Produktion inmitten idyllischer Naturlandschaften und einem globalen Kontext gerichtet. Durch diverse künstlerische Formate, Medien und Standorte wird der menschliche Einsatz hinter den Algorithmen, künstlicher Intelligenz und maschinell gesteuerten Prozessen in Produktion und Ausbildungspolitiken sichtbar gemacht. Um die beiden thematischen Schwerpunkte „Arbeiterwille“ und „Silicon Alps“ werden in der ersten Jahreshälfte eine Reihe von Gesprächen sowie ein Workshop kreisen und mehrere künstlerische Interventionen entstehen. Das Projekt bringt bedeutende Orte, Kenntnisse und Positionen zusammen (u. a. TechnikerInnen, MaschinenarbeiterInnen, InformatikerInnen, GewerkschafterInnen, SoziologInnen) und wird in Kooperation mit dem Österreichischen Gewerkschaftsbund Steiermark, Betriebsräten der steirischen Industrie, dem Arbeitsmarkt Service Steiermark, der Arbeiterkammer Steiermark, dem Kunsthaus Graz, dem Naturkundemuseum Graz und dem Institut für Zeitgenössische Kunst, TU Graz im April und Mai 2020 realisiert.
  • Active Urban Citizenship
    Um gemeinsam aktiv Stadt zu gestalten, geht es auch in der Arbeit Active Urban Citizenship, das sich, vom Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz getragen, mit der Frage nach einer aktiven BürgerInnenschaft und Möglichkeiten eines gelungenen Zusammenlebens einer zunehmend diverseren Bevölkerung in Graz auseinandersetzt. Die Idee ist es, wissenschaftliche Forschung mit künstlerischen Aktivitäten und einem Bildungsanspruch zu vereinen. Dabei werden partizipative Methoden angewandt und der Schwerpunkt auf das Thema Migration gelegt.
    Hauptinteresse dabei sind politische Bildungsprozessen. Es ist der Versuch in der Stadt, speziell im Stadtteil Lend, zu schauen, wie Menschen, die schon länger dort leben, gemeinsam mit neuen BürgerInnen in einem kommunikativen Prozess Visionen entwickeln können, mit dem Ziel einer politischen Beteiligung. Die Frage lautet, wie sie zu aktiven BürgerInnen innerhalb ihres Lebensumfeldes werden. Wie man sich trotz unterschiedlicher Ausgangsbedingungen in dem besonderen Umfeld Stadt einbringen, sich auf Augenhöhe begegnen und Dinge verhandeln kann. Wenn es darum geht, wie wir gemeinsam aktiv Stadt gestalten wollen, ist es notwendig, dass alle Stimmen hörbar werden und es gibt viele, die eben weniger gehört werden als andere.“ schildert Projektleiterin Annette Sprung ihre Überlegungen. „Asymmetrische Verhältnisse sollen weniger werden wie zum Beispiel paternalistische Beziehungsdynamiken wie sie oft im Kontext der Fluchthilfe auftauchen.“ Es handelt sich um soziodemografische Strukturen, die im Rahmen der Living Labs (Workshops) im Infocafé palaver am Lendplatz erforscht werden. „Es geht ganz konkret um die Lebensbedingungen von Menschen und was ihre Herausforderungen im Alltag sind. Dabei gibt es natürlich einen Genderaspekt. Die Idee ist, eine heterogene Gruppe von im Bezirk Lend lebenden Frauen unterschiedlicher Herkunft zusammenzubringen und durch die Frage, welche Visionen für den Stadtteil gemeinsam entwickelt werden können, einen Dialog anzustoßen. Auch Utopien sind zulässig! Dafür wird der Raum zur Verfügung gestellt. Dieser Prozess wird zum einen wissenschaftlich und zum anderen von Kate Howlett-Jones und Maryam Mohammadi künstlerisch begleitet. Die dabei entstehenden Arbeiten werden anschließend im öffentlichen Raum ausgestellt.“
  • Soundscapes
    Wie diese oder andere Prozesse bzw. Umgebungen hingegen klingen, erforscht das ganzjährige von Radio Helsinki getragene Projekt Soundscapes, das sich ebenso an der Schnittstelle von Kunst und Wissenschaft ansiedelt und mehrere inhaltlich und methodisch aufeinander abgestimmte Teilprojekte wie Grätzelsoundscapes, ein Uni-Seminar, eine Veranstaltungsreihe unter dem Titel Soundscapes im Gespräch, die Sendereihe Grazer Soundscapes (Koordination Sarah Kieweg) und eine virtuelle Ausstellung umfasst. Soundscapes dokumentieren und reflektieren die Welt der Geräusche, draußen, unter freiem Himmel, oder drinnen, wo gewohnt und gearbeitet wird. Jeder Ort hat seine eigene Soundscape, die sich im Rhythmus der Stimmung von Tages- und Jahresaktivitäten ausdrückt. Diese bewusst anzuhören, zu beschreiben, aufzunehmen und dokumentarisch oder künstlerisch darzustellen, macht den Kern des Projekts aus. Es geht den feinen Unterschieden im Leben der Grätzel nach und liefert den Rahmen für diverse Aktionen im Laufe eines Jahres. Studierende arbeiten gemeinsam mit interessierten TeilnehmerInnen an dem Thema, gemeinsam mit den Stadtteilzentren Grätzelinitiative Margaretenbad, NaNet - Nachbarschaftsnetzwerk Floßlend, Nachbarschaftszentrum St. Peter, EggenLend, Stadtteilzentrum Triester, Büro der Nachbarschaften und Stadtteilarbeit Denggenhof soll geforscht, aufgenommen und gesendet werden.
    „Es wird mehrere Treffen geben, die von den KünstlerInnen Valerie Quade, Margarethe Maierhofer-Lischka, Martin Rumori, Rivka Saltiel, Walther Moser, Tobias Dankl, Lale Rodgarkia-Dara, Adele Knall und Reni Hofmüller begleitet werden. Hier ist je nach Interessen und Bedürfnissen vieles möglich. Offene Arbeitsprozesse sind uns wichtig und für das Projekt wesentlich. Der Begriff selbst soll aus dem künstlerischen Kontext herausgelöst und alltagstauglich werden. Stimmen bzw. Stimmungen sind Gegenstand unseres Interesses. Es ist das Spiel mit ‚hörbaren Landschaften‘ innerhalb komplexer städtischer Situationen. Soundscapes sind alle möglichen Geräusche. Akustische Stimmungen und Lebensrealitäten sollen eingefangen werden, in Bezug zur Stadt und zu einer konkreten Umgebung.“, erzählt Projekkoordinatorin Christine Braunersreuther. Kollege Justin Winkler ergänzt: „Der Ort ist in diesem Fall auch der Ort der Medien und beschreibt einen Schwebezustand, eine Fragilität, wodurch gleichzeitig das Medium selbst hinterfragt wird. Was wird transportiert? Welches Bewusstsein wird geschult bzw. gefördert? Denn es ist nicht belanglos, wie das Medium Radio zum Einsatz kommt. Was wird gehört, was ist nicht hörbar?“
Karin Domig

gute Idee, hoffentlich 'bleibt etwas kleben' was zukünftig auch weitere Verwendung im städtischen findet.. ich selbst habe mich immer gefragt, was es außer dem Gehsteig, den Plätzen, den Strassen /Gehwegen und den Cafés noch gibt um sich zu treffen...und auszutauschen... und genau hier bei Austauschen, hier scheint mir der springende Punkt zu sein.. hier geht es um Erziehung, Gewohnheit, Mentalität..aber auch Mainstream und Politik.. was darf man und was nicht.. so was prägt eine Stadt, genauso wie eine Hauptstraße das vielleicht kann. auch diese Hierarchien gilt es mE zu analysieren, hinsichtlich zb wie viel Mensch/Fußgänger wird endlich Zugelassen?.. Irgendwer erzählte mal.. die Steiermark sei sehr Zentralistisch orientiert, mit der Herrengasse als Herzstück.. Ich bin eine 'Zugeraste' und tue mir dabei natürlich schwer das nach zu voll ziehen.. aber als die politischen Kürzungen für die Kultur sichtbar wurden, konnte man schon so was ähnliches beobachten - das Umland blutet aus, ohne Kultur... oder zb. die Stadt Bonn, die musste sich für Kultur oder Sport entscheiden (- als Identität), weil Ihr die Mittel fehlten, beides in den Vordergrund zu stellen.. viel, viel Erfolg!

Di. 18/02/2020 11:54 Permalink
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