"Der Mehrwert der Architektur und die Produktionsbedingungen für zeitgemäße Baukultur"
Sehr geehrte Frau Landeshauptmann
Liebe Kolleginnen und Kollegen
Sehr geehrte Damen und Herren
Kultur ist Chefsache und Baukultur als die öffentlichste Kulturform daher ganz besonders Chefsache.
Aus diesem Grund freut es mich, dass heute das Open House dem Thema "Architektur und Baukultur" gewidmet ist und dass wir in dieser offenen Atmosphäre des Open House Themen ansprechen dürfen, die sich nicht nur hier in der Steiermark aufdrängen.
Themen, die - und da bin ich mir sicher - ganz entscheidend die Zukunft prägen werden.
Besonders freut es mich, dass das heutige Gespräch nicht nur dem Gedankenaustausch gewidmet sein soll, sondern Initiative sein soll.
Ich darf erwähnen, dass dem Thema Baukultur vor ca. einem Monat ein ganzer Tag im Parlament gewidmet wurde und dass gerade jetzt das Thema Baukultur nicht nur in den verschiedenen Bundesländern in Öster-reich, sondern auch in Deutschland vehe-ment diskutiert wird.
Es scheint, dass dieses Thema heute verstärkt Interesse erregt – vielleicht aber auch weil es in den letzten Jahren von der Politik vernachlässigt wurde und sich diese Vernachlässigung zu zeigen beginnt. Sie bemerken dies, auch bei uns, wenn sie mit offenen Augen durch die Steiermark fahren.
Die Geschichte lehrt uns, dass die Zukunfts-orientierung der Politik oder einer Gesell-schaft abgelesen werden kann an den Architekturen und an der Baukultur, welche sie als Zeichen hinterlassen hat.
Die Vernachlässigung von Baukultur bedeutet auch die Vernachlässigung der Zukunft.
Sie können die Zukunftsoptionen der Gesellschaft daran ablesen, welches Spielzeug die Kinder - also die nächsten Generationen - bekommen bzw. welches Spielzeug in alle Gesellschaftsschichten eindringt.
Waren es noch vor geraumer Zeit die Kaufmannsläden, welche in den Kinder-stuben den Umgang mit Geld, mit Soll und Haben gelehrt haben, so hat uns in jüngerer Zeit die Barbiepuppenfamilie die Inszenie-rung und die Eventhysterie vorgespielt.
Dazwischen gab es noch ein Spiel, das sehr populär wurde - nämlich DKT oder Monopoli. Hier wurde gelehrt wie Grundstücke bewertet werden, wie investiert und wieder verkauft wird. Sieger ist, wer am meisten Besitz angehäuft hat. Es geht also um die Quantität und nicht um Qualität, nicht um Baukultur.
Ich bin mir sicher, dass sich die Baukultur anders entwickelt hätte, wenn sich dieses Spiel auch mit baukulturellen Aspekten der Investitionen beschäftigt hätte.
Im Haus der Architektur haben wir vor einiger Zeit den "Mehrwert der Architektur" als Jahresthema gewählt.
Es ging uns mit diesem Thema um die Vermittlungsarbeit zur Bevölkerung, es ging darum, dass Baukultur mehr Breitenwirkung bekommt.
Es gilt Schwellen- und Berührungsängste abzubauen und vor allem die Irrmeinung auszuräumen, dass Architektur teuer ist und damit Luxus.
Architektur und Baukultur ist nicht abhängig vom Budget, sondern vielmehr vom Engage-ment aller Beteiligten.
Baukultur ist Lebenskultur und darum so wichtig.
Baukultur darf nicht länger ein Minderheiten-programm sein, sondern muss zu einem Interessensfeld, zu einer Interessensplattform in unserer Gesellschaft werden.
Aus diesem Grund, sehr geehrte Frau Landeshauptmann, ist die politische Willens-äußerung für Baukultur so wichtig.
Selbstverständlich müssen wir als Architekten unsere Aufgaben gut lösen und verstärkt daran arbeiten uns weiter zu entwickeln.
Wichtig ist aber für eine breite Verankerung der Baukultur, dass die Absichtserklärung der Politik zur Baukultur, nicht bei der Eröffnung von - hoffentlich baukulturell wichtigen Gebäuden - nicht bei der Diskussion mit Architekten, sondern bei jeder Gelegenheit – in der Öffentlichkeit bzw. in ihren politischen Gremien, besonders bei Bürgermeistern – von Ihrer Seite deponiert wird - sind die Bürgermeister doch Bau-behörde erster Instanz.
Dort muß der Mehrwert von Architektur und Baukultur verankert werden als tägliches Programm, als politischer Wille.
So erhält Baukultur eine Plattform, die zukunftsorientiert sämtliche Bereiche der Baukultur fördert und verbreitet.
Für die öffentliche Hand besteht eine Verpflichtung zur Baukultur, die immer wieder einzufordern ist.
So wie öffentliches Geld strengen Vergabe-gesetzen unterzogen wird, so muss die Architektur der öffentlichen Hand qualitäts- und zukunftsorientiert entschieden werden.
Wir alle wissen, dass es sehr einfach ist den Billigstbieter zu ermitteln in einem wirtschaft-lichen Verfahren. Ungleich schwieriger ist es in kulturellen, in künstlerischen Bereichen das Beste zu ermitteln. Doch wenn wir Nachhaltigkeit vertreten, wenn wir Baukultur wichtig nehmen, müssen wir uns dieses Themas ganz verstärkt annehmen.
Es hat in Österreich mehrere Entwicklungen von Architekturszenen gegeben, Graz hatte sicherlich immer eine Vorreiterrolle.
Es gibt aber in den letzten Jahren eine Entwicklung, die von vielen beobachtet wird, und das ist VORARLBERG. Ich darf das vielleicht anstreifen, da ich von dort komme und beide Szenen kenne. Vorarlberg hat mit seiner letzten Wanderausstellung "Konstruktive Provokation – Neues bauen in Vorarlberg" öffentlich und außerhalb von Österreich Baukultur gezeigt. Herr Landeshauptmann Dr.Sausgruber hat diesen Wert erkannt und als politische Willens-bildung bei allen Ansprachen und vor allem dann, wenn Bürgermeister da sind, unmissverständlich zu erkennen gegeben, dass Baukultur und Marketing dieser Baukultur Vorarlberg weit über die Landesgrenzen hinaus bekannt gemacht hat, und dass er ganz massives Interesse hat, Rahmenbedingungen für Architektur politisch zu definieren, welche zukunftsentwickelt und zukunftsorientiert Baukultur fördern.
Wir freuen uns heute in Europa ganz besonders, dass wir auf dem Boden einer Geschichte leben, die sich der Baukultur rühmen kann. Wir müssen uns dessen bewusst sein und es ist notwendig, dass wir heute Bedingungen schaffen, dass diese Tradition weiterlebt, dass dieser Weg in die Zukunft möglich gemacht wird.
Dazu ist es notwendig, dass die Produk-tionsbedingungen für zeitgemäße Architektur verbessert werden.
In Vorarlberg ist es heute so, dass kein Bürgermeister ein Gemeindezentrum, eine Schule, eine Feuerwehr, ein Jugendheim bauen kann ohne Wettbewerb, nicht weil die Architektenkammer es fordert, sondern weil seine Kollegen ihn spöttisch betrachten würden, würde er Architektur, Baukultur nicht wichtig nehmen, weil zufällig vielleicht sein Schwager oder Schwiegersohn Baumeister ist.
Es zeigt sich in Vorarlberg, dass der Mehrwert der Architektur allgemein Anerken-nung gefunden und dadurch neue Bedingun-gen für Architektur geschaffen hat.
Wir wissen alle, dass Architektur eine breite Spur von Beteiligten, Planungs-partnern, Professionisten nach sich zieht und somit ist Architektur auch ein Wirtschafts-faktor, der über die Region hinaus Firmen mitnimmt.
Die Diskussion muß permanent geführt werden, und ich darf die Gelegenheit nutzen, um Initiativen vorzuschlagen, welche schon nach kurzer Zeit Wirkung zeigen:
Sämtliche Förderungen des Landes wie Unterstützung der Gemeinde bei Schule, Feuerwehr und sonstigen Einrichtungen werden klar deklariert an die Realisierung von zeitgemäßer, qualitätvoller Archi-tektur gebunden. Es soll hier aufmerksam gemacht werden, dass nicht nur beson-dere öffentliche Bauten Träger von Baukultur sind, sondern dass jede Auf-gabe dazu angetan ist, die Baukultur zu stärken. Das Engagement für diese Sache wird sich sehr bald zeigen.
Dies ist auch besonders wichtig, da es sich zeigt, dass Investoren nur so lange an Qualität interessiert sind bis sie die Förderung zugesichert haben. Danach ist das Ergebnis eines Wettbewerbes oder baukünstlerische Qualität für sie nicht mehr von Interesse.
Wie im Sport ist es auch in der Kultur notwendig, eine Breitenkultur zu etab-lieren, um Spitzenleistungen hervor-zubringen. Daher sollten auch die engagierten Studenten und vor allem die Absolventen und Jungkollegen Aufgaben vorfinden, an welchen sie sich trainieren und etablieren können. Dies muss besonders bei den Wettbewerben mit Bewerbungsverfahren beachtet werden, da man am Beginn nicht über die notwendigen Referenzen verfügen kann, um die Eintrittskarte für einen größeren Wettbewerb zu bekommen. Auch wäre es sinnvoll neben diesen Bewerbungs-verfahren Direktaufträge und Studien in einer umsichtigen Kulturpolitik neben den Wettbewerben einzusetzen, um Qualität zu schaffen. Um dies durchführen zu können, benötigen wir eine verant-wortungs-volle Baukulturpolitik.
Als Basis sollte ähnlich wie in Holland eine Sammlung von Portfolios der einzelnen aktiven Architekten beim Land aufliegen, damit diese als Entscheidungs-grundlage genutzt werden kann.
Unterstützung für zeitgemäße Architektur ist Wirtschaftsförderung. Dies wird neben Holland von vielen Staaten schon aktiv betrieben und ist vor allem not-wendig bei internationalen Bewerbungen und Wettbewerben.
Als Dokument des Geschehens zur Baukultur sollte im Haus der Architektur ein Jahrbuch der Architektur aufgelegt werden, welches jährlich erscheint und das Geschehen zum Thema Baukultur in der Steiermark dokumentiert. Anhand dieses Dokuments wird man die Leistung und Aktivität zum Thema Architektur und Baukultur jährlich ablesen können. Besonders wichtig wäre dieses Jahrbuch der Architektur als Marketinginstrument nach außen, aber auch als Marketing nach innen als eine Dokumentation, die den Entscheidungsträgern wie Bürger-meistern etc. zur Verfügung gestellt wird.
Als letzten Punkt möchte ich noch anführen und das betrifft uns alle, dass wir im Zeitalter der verknappenden Mittel Initiativen und Energien zum Thema Baukultur bündeln müssen, um so effektiver agieren zu können.
Architektur ist großartig und sehr wichtig für jede Gesellschaft, Architektur hat aber ein großes Manko, es tut nicht weh, wenn man sie missachtet. Ganz anders als in der Medizin.
Bei einer ähnlichen Diskussion in Deutschland stellte einer der Referenten Vergleiche an und zeigte auf, dass in Deutschland nur ca. 5%-12% der Bauwerke von Architekten geplant werden. Würden mit dem gleichen Prozentsatz erkrankte Menschen Laienmediziner aufsuchen, so würde sich dies in der Lebenserwartung und Statistik der Gesellschaft in kurzer Zeit niederschlagen. Bei der Gesundheits-versorgung ist den meisten Leuten klar, dass sie von einem gut ausgebildeten Spezialisten behandelt werden wollen, in der Baukultur ist dies eine absolute Minderheit.
Dies müssen wir gemeinsam ändern, denn wie schon anfangs aufgezeigt ist Baukultur Lebenskultur und prägt ganz entscheidend unsere Zukunft.
Vernachlässigen wir unser Gesundheits-system wird unsere Gesellschaft aussterben. Vernachlässigen wir die Baukultur, verbauen wir unsere Zukunft.
Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.