11/12/2009
11/12/2009

"Gartenstadt" Marland

"Gartenstadt" Marland

Lageplan Marlandsiedlung

Erschließungswunder im Mariatroster Einkaufsparadies

Blick vom Drogeriemarkt zum Lebensmitteldiskonter

Machendrahtzaun zwischen den beiden Diskontern

Per Auto von Hofer zu DM

Trampelweg zum Drogeriemarkt

Kreisverkehr. Fotos: E. Lechner

Der Pylon in der Mitte des Kreisverkehrs versperrt den Blick zur Mariatroster Kirche.

Im letzten Jahr gab es einige engagierte Anläufe, Baukultur in der Steiermark stärker zu verankern, der allerjüngste war die Präsentation der baupolitischen Leitsätze durch Landeshauptmann Voves im Haus der Architektur. Die gebaute Praxis lässt aber daran zweifeln, ob diese Bemühungen um mehr Baukultur auch greifen.

Jüngstes Beispiel: Stadterweiterung Mariatrost – Fölling.
Hier ist ein neuer Siedlungsschwerpunkt im Entstehen. Das Gebiet liegt unmittelbar an der Stadtgrenze von Graz und ist für den öffentlichen Verkehr äußerst schlecht erschlossen, es fährt nur ein paar Mal am Tag der Postbus und zur Straßenbahnendstation geht man 25 Minuten. Begonnen hat die Föllinger „Stadtentwicklung“ mit der „Gartenstadt Marland“.

Rückblende:
Man erinnert sich noch an das lange Zeit einsam im Freiland stehende Hochhaus in Mariatrost, das südlich der Mariatrosterstraße ohne Baubewilligung errichtet wurde. Diesem „Geisterhaus“, wie es damals genannt wurde, sollte eine Satellitenstadt folgen, die aber verhindert werden konnte, weil die Bevölkerung dagegen Sturm lief.. Eigentlich hätte der Schwarzbau abgerissen werden müssen, was aber nicht geschah. Später quartierte Hannes Kartnig seine Sturm-Spieler dort ein und der Bau wurde legalisiert. Damit wurde die Chance vertan, diesen Teil von Mariatrost (Frischluftschneise und kältester Bereich von Graz, Überschwemmungsgebiet des Mariatroster Baches) unverbaut zu lassen. Jetzt breitet sich hier die „Gartenstadt Marland“ aus.
Diese ist noch im Wachsen begriffen, die Bauabschnitte 3 und 4 werden gerade errichtet, in Summe sollen dort ca. 200 Reihenhäuser entstehen . (Drei Bebauungsplanänderungen wurden seit 1996 durchgeführt). Da man auch in einer Gartenstadt nicht nur vom Garten leben kann und alltägliche Dinge wie Lebensmittel, Waschpulver und Seife benötigt, siedelte sich die entsprechende Infrastruktur jüngst vis à vis auf der anderen Straßenseite an. Zuerst ein Drogeriemarkt und nun ein Lebensmitteldiskonter, jeder mit eigener Zufahrt und eigenem großzügigen Parkplatz. Laut aktuellem Bebauungsplan vom 11.01.03 soll zusätzlich auch in der Marlandsiedlung ein Nahversorgerzentrum errichtet werden.

Bei der Entwicklungsplanung in Fölling scheinen die Interessen der Investoren im Vordergrund gestanden zu sein. Das zeigt sich unter anderem bei der Organisation der Parkplätze und den nicht vorhandenen Wegeverbindungen zwischen den Märkten. So grenzt sich der Diskonter nicht gerade kundInnenfreundlich durch einen Maschendrahtzaun vom Nachbarn, dem Drogeriemarkt, ab. Vermutlich, damit dessen KundInnen nicht den eigenen Parkplatz verparken. Die Konsequenz ist, dass höchstwahrscheinlich mit dem Auto zwischen den Märkten hin- und hergefahren wird. Redet man KundInnen, die zu Fuß unterwegs sind, auf den Zaun an, schütteln sie verärgert den Kopf und fragen, ob man gegen diese Sinnlosigkeit nicht etwas tun kann.

Der Verkehr nimmt in Mariatrost immer mehr zu, was allzu logisch ist, wenn sich die Stadt weiter ausdehnt und am Stadtrand Einkaufsmärkte errichtet werden. Mit dem Park&Ride-Haus-Fölling für 200 Autos, das neben dem Lebensmitteldiskonter errichtet wird, will die Stadt Graz einen Beitrag zur Verkehrsreduktion leisten. Ursprünglich war das Parkhaus bei der Endhaltestelle der Linie 1 geplant, eine BürgerInneninitiative verhinderte diesen Standort allerdings. Der neue Standort in Fölling macht die urspründliche Idee des Park & Ride etwas kompliziert, denn die PendlerInnen kommen erst mittels Shuttlebus zur Straßenbahnendstation und weiter ins Zentrum. Eine weitere Frage stellt sich in diesem Zusammenhang: Werden die Einkaufsmärkte am Stadtrand nicht bewirken, dass mehrere hundert Autos täglich stadtauswärts zum Einkaufen pendeln? Noch dazu, wo die nächsten gleichen Diskontermärkte (Drogeriemarkt und Lebensmitteldiskonter) erst am Lendplatz zu finden sind?

Das Park&Ride-Haus braucht eine Verkehrsanbindung an die Mariatrosterstraße. Man entschied sich für einen „trendigen“ Kreisverkehr. Dieser soll auch dazu dienen, dass die BewohnerInnen der östlichen Marlandsiedlung mit ihren Autos besser in die Mariatrosterstraße einbiegen können. Eine Ampellösung wäre laut Auskunft des Stadtplanungsamtes die Alternative gewesen. In der Stadtplanung ist man vom Kreisverkehr überzeugt, „weil er den Verkehr bremsen wird“. Sollte ein Kreisverkehr nicht gerade das Gegenteil bewirken?.

Zwei Bebauungspläne (Marlandsiedlung und Lebensmitteldiskonter mit Park&Ride-Haus) konnten die einst schöne Stadteinfahrt über Serpentinenkurven vom Fasslberg hinunter Richtung Gasthaus Gruber, vorbei an Pferdekoppeln, alten Bauernhäusern mit Blick auf die Kirchtürme von Mariatrost nicht bewahren. Nun gibt es eine Allerweltseinfahrt mit Kreisverkehr und Pilon als erste Attraktion nebst „Gartenstadt“ im Kältepol von Graz. Baukultur auf steirisch!

In einer Umfrage der Kleinen Zeitung nach den größten Würfen und ärgsten Bausünden in Graz bezeichnete DI Markus Bogensberger die Marlandsiedlung als eine der größten Bausünden.

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Kommentar
Petra Kickenweitz

Welche konkreten Möglichkeiten oder Maßnahmen könnten seitens der Architektenschaft und der Kammer gesetzt werden?
Derzeit wird im Land das neue ROG diskutiert und überarbeitet - kommendes Jahr könnte es beschlossen werden.
Mein Vorschlag: eine Pedition.
Gibt´s weitere Vorschläge?

Fr. 11/12/2009 10:39 Permalink
Martin Krammer

Nicht Schreckgespenst Kartnig und STURM haben das Geisterhaus bewohnt, sondern die Spieler des GAK. Und der ist heute zum dritten Mal Pleite gegangen.

Fr. 11/12/2009 2:33 Permalink
eva mohringer

allein schon das mass an neu versiegelten flächen in diesem bereich, bisher nur wiesen und felder, ist unglaublich (und) verantwortungslos.
und wieder wird dort gebaut, wo es früher verboten war und hiess, dies ist kein bauland wegen überschwemmungsgebiet, schlechter untergrund, usw.
es hatte schon seinen grund, oder zu wenig grund (boden), dass das GAK - haus, erbaut in und trotz bauverbot, sich immer mehr und mehr neigte und die drohte,im boden zu versinken.

So. 13/12/2009 6:12 Permalink
DI HEINZ ROSMANN

DER GRUNDSÄTZLICHEN KRITIK VON ELISABETH LECHNER MÖCHTE ICH NICHT WIDERSPRECHEN, ALLERDINGS DARAUF HINWEISEN, DASS DIESE KRITISCHE POSITION NUR SCHLÜSSIG IST, WENN DIE FAKTEN DER HISTORISCHEN ENTWICKLUNG AUSGEKLAMMERT BLEIBEN.
UM DIE JETZIGE SITUATION BESSER VERSTEHEN ZU KÖNNEN, FASSE ICH DIE BAU- UND RAUMORDNUNGSRELEVANTE ENTWICKLUNG ZUSAMMEN:
- 1967/68 WURDE EINE WIDMUNGSBEWILLIGUNG (BEBAUUNGSPLAN FÜR EINEN BAUPLATZ NACH DER ALTEN GRAZER BAUORDNUNG) UND BAUBEWILLIGUNG FÜR CA. 1.600 WOHNEINHEITEN (!!) MIT 14 HOCHHÄUSERN UND DER REST MIT 4-5 GESCHOSSIGEN ZEILENBAUTEN RECHTSKRÄFTIG ERTEILT. DIE DAFÜR NOTWENDIGE TECHNISCHE UND SOZIALE INFRASTRUKTUR WAR NICHT VORHANDEN, Z.B: BEFAND SICH DER STÄDTISCHE SCHWEMMKANAL ERST IN KROISBACH.
UM DIE BAUBEWILLIGUNG RECHTLICH NICHT UNTERGEHEN ZU LASSEN, WURDE EIN OBJEKT, DAS "GEISTERHAUS" ERRICHTET, ABER MANGELS TECHNISCHER INFRASTRUKTUR NICHT BEZOGEN.
- IM ERSTEN FLÄCHENWIDMUNGSPLAN (1980/82) DER LANDESHAUPTSTADT GRAZ WURDEN DIE "MARLANDGRÜNDE" - DA IM GRÜNGÜRTEL LIEGEND - ALS AUFSCHLIESSUNGSGEBIET AUSGEWIESEN UND DIE BEBAUUNGSDICHTE MIT LEDIGLICH 0,3(!) FESTGELEGT. SOMIT WAR DIE RECHTSKRÄFTIGE BAUBEWILLIGUNG NICHT MEHR KONSUMIERBAR. DAGEGEN WURDE EIN ENTSCHÄDIGUNGSVERFAHREN MIT EINER SEHR HOHEN FORDERUNG EINGEBRACHT.
- ALS AB 1984 FÜR DIE STADTPLANUNG VERANTWORTLICHER HABE ICH IN VIELEN VERHANDLUNGEN MIT DEN ANWÄLTEN DER MARLAND-GESELLSCHAFT ERREICHT, DASS DIE AUCH IM ZWEITEN FLÄCHENWIDMUNGSPLAN GLEICHE AUSWEISUNG UND DIE BEBAUUNGSPLANPFLICHT AKZEPTIERT WURDEN. DIE "MARLANDGRÜNDE WURDEN DARAUFHIN AN EINE INNOVATIVE FERTIGHAUSFIRMA MIT DER VEREINBARUNG VERKAUFT, FÜR DIE BEBAUUNG EINEN STÄDTEBAULICHEN WETTBEWERB DURCHZUFÜHREN.
- VOR DURCHFÜHRUNG DIESES WETTBEWERBES WURDEN DIE BELANGE DES HOCHWASSERSCHUTZES (RÜCKHALTEBECKEN) RÄUMLICH DEFINIERT UND EIN KLIMATECHNISCHES GUTACHTEN EINGEHOLT. DIE ERGEBNISSE DIESER GUTACHATEN FLOSSEN IN DIE AUSSCHREIBUNG DES STÄDTEBAULICHEN WETTWERBES, DER AUCH VON DER WOHNBAUFÖRDERUNG DES LANDES STEIERMARK UNTERSTÜTZT WURDE, EIN.
ZIEL DIESES VERFAHRENS WAR ES, EINE BEBAUUNGSENTWURF AUSZULOBEN, DER DIE GRUNDSÄTZE DES STADTENTWICKLUNGSKONZEPTES FÜR DEN GRÜNGÜRTEL (ZWEIGESCHOSSIGKEIT, ERHALTUNG DER KLIMAWIRKSAMEN FREIFLÄCHEN, INTENSIVE DURCHGRÜNUNG, ETC.) IN HOHEM MASS ERFÜLLT.
- DAS SIEGERPROJEKT (ARCH. DI HANNES MESNARITSCH) DIENTE ALS STÄDTEBAULICHE GRUNDLAGE FÜR DEN BEBAUUNGSPLAN, DER IM ÖFFENTLICHEN PLANUNGSVERFAHREN VON DER BETROFFENEN BEVÖLKERUNG POSITIV AUFGENOMMEN WURDE.
- DURCH EINE INSOLVENZ ERFOLGTE EIN EIGENTÜMERWECHSEL, DER BEBAUUNGSPLAN WURDE GRUNDSÄTZLICH BEIBEHALTEN, ALLERDINGS IN EINIGEN PUNKTEN ABGEÄNDERT.
- FÜR ALLE WEITEREN ENTWICKLUNGEN - GEGENÜBERLIGENDE HANDELSUNTERNEHMEN, P&R-PARKHAUS, KREISVERKEHR, ETC. - HATTE ICH KEINE VERANWORTUNG MEHR.
AUS DIESER DARSTELLUNG KANN ENTNOMMEN WERDEN, DASS MAN IN DEN SECHZIGERJAHREN RELATIV VERANWORTUNGSLOS VERFUHR (SIEHE AUCH DIE RAGNITZSIEDLUNG IM SELBEN ZEITRAUM) UND DASS DIE STADT GRAZ (JEDENFALLS IN MEINER ZEIT ALS STADTPLANER) ALLES UNTERNAHM, UM DIESEN FEHLER DER VERGANGENHEIT MÖGLICHST STADTVERTRÄGLICH AUSZUMERZEN UND FÜR DIE NICHT VERHINDERBARE BEBAUUNG DER "MARLANDGRÜNDE" EIN HOHE STÄDTEBAULICHE QUALITÄT ZU GARANTIEREN.
DASS DIE STÄDTEBAULICHEN QUALITÄTEN DER BEBAUUNG NOCH NICHT IN ALLEN EINZELHEITEN (AUSSENGESTALTUNG, BEPFLANZUNG, ET.) ERKENNBAR SIND, IST BEI EINEM NICHT FERTIGEN PROJEKT NICHTS AUSSERGEWÖHNLICHES. ICH HOFFE JEDENFALLS, DASS DIE IM BEBAUUNGSPLAN FESTGESCHRIEBENEN AUFLAGEN AUCH UMGESETZT WERDEN.

Mo. 14/12/2009 12:14 Permalink
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