22/04/2008
22/04/2008

Abb. 1 Der Pfeil weist auf Gosdorf hin. Aber wo ist der Ort?

Abb. 2 Das Leben hat sich auf die Ortsdurchfahrt, die L208 verlagert. Das „alte“ Zentrum an der L 236 fristet ein ruhiges Dasein.

Abb. 3 Fruchtbare Achse: Bürgerservicezentrum – Würstelstand: Der Frequenzbringer.

Abb. 4 Prozessablauf

Abb. 5 Prozessablauf

Abb. 6 Prozessablauf

Abb. 7 Prozessablauf

Abb. 8 Prozessablauf

Abb. 9 Prozessablauf

Abb. 10 Prozessablauf. Fotos: Hofrichter-Ritter

Abb. 11 Hofrichter-Ritter arbeiten für Gosdorf. Foto: K. Wallmüller

Oder: Wie Planer, Bürger und Politiker eine Partnerschaft im Sinne der nachhaltigen Entwicklung eines Ortes, bzw. einer Gemeinde bilden.

Kennen Sie Gosdorf? Wenn Sie auf der Landesstraße 208 von Graz kommend nach Radkersburg fahren, haben Sie den Ort bereits passiert, ehe Sie ihn richtig wahrgenommen haben. Denn ein Zentrum im weitläufigen Sinne werden Sie nicht durchfahren haben. Auch auf der Bundesstraße 69 von Mureck nach Radkersburg weist nur ein dicker Pfeil auf die Möglichkeit, nach Gosdorf abzubiegen(1).
Das alles soll sich ändern, denn in Gosdorf, dem Hauptort der Gemeinde mit Fluttendorf, Diepersdorf, Helfbrunn uns Misslsdorf läuft seit fünf Jahren eine umfassende Ortsentwicklung, die vom Grazer Architekturbüro Hofrichter-Ritter begleitet wird.
Über den Umweg TU Graz – Tourismusprojekt Röcksee – Studentenworkshop 2004 entwickelte sich zwischen der Gemeinde Gosdorf und dem Architekturbüro eine intensive, fruchtbare Arbeitsgemeinschaft, mit dem Ziel der nachhaltigen Gemeindeentwicklung. Nachhaltig im Sinne einer Planung, die mit der Bevölkerung erarbeitet, von ihr und den lokalen Politikern getragen ist. So entsteht auf der Seite der Bürger Akzeptanz, Engagement und Identität.

Das Leben des bäuerlich geprägten Angerdorfes hatte sich im Laufe der letzten Jahrzehnte immer mehr auf die Ortsdurchfahrt, die L 208, die das alte Ortszentrum tangiert, an der aber auch das 1970 erbaute Gemeindeamt und die 1987 errichtete Mehrzweckhalle liegen, verlagert (2). Eine Entwicklung, der viele Orte der Steiermark unterliegen. Die Frage ist, ob das alte Zentrum wachgeküsst, oder ein neues entwickelt werden solle, das dann wieder belebend auf das alte wirkt.

In Gosdorf wurde mit der Erarbeitung von Grundlagen und Ideen, wie sich der Ort in den nächsten – etwa 20 Jahren präsentieren wird, begonnen. Inhaltlich beschäftigte man sich dabei mit den die Gemeinde bewegenden Aufgaben wie Siedlungsentwicklung und Verkehr, Verwaltung und Soziales, Kultur und Natur, Tourismus und Freizeit sowie Wirtschaft. Aus dem Projektpool werden nach Dringlichkeit und Umsetzbarkeit die konkreten Vorhaben angegangen. Der Prozess mit open end dauert nun schon fünf Jahre (4-10).
Die Auseinandersetzung mit den Räumen „Ortsdurchfahrt“ und „Kreuzung“ führte zur Erkenntnis, dass genau dort die meiste Frequenz und Bürgerbewegung stattfinden, daher auch die größten Chancen der räumlichen Entwicklung stecken.

Planer und Politiker haben sich auf das gesellschaftliche Leben des Ortes mit seinen Bedürfnissen und Wünschen eingelassen. Qualitäten und Neustrukturierungen wurden verhandelt und festgeschrieben, damit der rote Faden erkennbar wird, an dem entlang sich das zukünftige Bild von Gosdorf entwickeln kann. Natürlich verlieren sie das „alte Dorf“ mit seinem historisch gewachsenen Anger nicht aus den Augen. Nur, dort findet gegenwärtig das Alltagsleben nicht statt. Später einmal kann es sein, dass sich mit der Gestaltung des „neuen Angers“ entlang der Ortsdurchfahrt der „alte“ Anger sozusagen anhängt – beide sich so verbinden, dass sie ein lebendiges Ganzes ergeben.

Gosdorf zeigt, dass Planer, selbst wenn sie noch so viel basisdemokratische Arbeit leisten, mit ihren Ideen nicht landen, wenn sie nicht die Unterstützung der vor Ort wirkenden Bürger und Politiker haben. Sind der Bürgermeister, der Gemeinderat und einige Bürger von der Planung überzeugt, wirken sie als Kommunikatoren. Das ist nicht einfach und endet erst nach Fertigstellung der Projekte, mit denen dann viel mehr Bürger einverstanden sind, als während der Entwicklungs- und Planungszeit. In Gosdorf ist es gelungen: Planer, Bürger und Politiker sind ein Team. Vertrauen trägt diese Beziehung. Gemeinsame Visionen und Ziele sind der Motor.

Was die Architekten besonders auszeichnet ist, dass sie sich vorgenommen haben, Maß zu halten. Nicht über das Ziel hinaus zu schießen, ihre Mittel mit Angemessenheit und Respekt als Gestalter des Lebensraumes einzusetzen. Das aktuelle Planungsgebiet umfasst den Kreuzungsbereich der Ortsdurchfahrt mit der Bundesstraße bzw. der Bahntrasse. In diesem Raum sind das Gemeindeamt, die Mehrzweckhalle, ein Birkenhain entlang der Bahnstrecke und der bestens besuchte Würstelstand. Würstelstände beleben also nicht nur bedeutende Plätze in Graz. Vom Gosdorfer Würstelstand aus beobachtet man nicht nur das Kommen und Gehen beim neuen Bürgerservice, sondern auch den Fortschritt des von Hofrichter-Ritter geplanten Umbaus der 21 Jahre alten Mehrzweckhalle zu einem modernen Veranstaltungszentrum. Laut Umfrage der Gemeinde befürworten 75 Prozent der Bevölkerung dieses mit langem Atem entwickelte Projekt. Darüber wird aber in einem späteren Beitrag zu berichten sein (11).

Karin Wallmüller ist Architektin und Ortsraumplanerin in Graz. Sie betreut den GAT-Schwerpunkt LÄNDLICHER RAUM.

Verfasser/in:
Karin Wallmüller, Bericht
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