22/02/2007
22/02/2007

„Entschuldigung, das stimmt ja alles gar nicht“: Barbara Brunner und Nikos Grigoriadis vom Grazer Kino im Augarten wehren sich gegen den Abriss ihres Filmtheaters. Und präsentieren stattdessen neue Pläne für die behindertengerechte Adaptierung der Kino-WCs: „Wir ziehen das jetzt durch“. Foto: Wallmüller

Das wohl profilierteste Qualitätskino in Graz ist in Bedrängnis: Das Kino im Augarten (KIZ) soll ab dem Sommer durch ein Wohn- und Geschäftsgebäude des Bauträgers SOB Immobilien ersetzt werden. Planer ist Architekt Ernst Giselbrecht, der 2006 einen geladenen Wettbewerb der SOB für sich entscheiden konnte (GAT berichtete). Seltsam: Bereits im Jahr 2000 veranstaltete die Stadt Graz einen EU-geförderten städtebaulichen Wettbewerb für ebendieses Grundstück, bei dem das Kino noch fixer Bestandteil war – im Übrigen einer der Gründe für die Vergabe der Fördermittel. Im geplanten Projekt der SOB kommt das Kino nicht mehr vor, ein Umstand, der durch einen im Januar 2007 nachträglich erstellten Bebauungsplan-Entwurf für selbiges Grundstück nun auch seitens der Stadtplanung abgesegnet wurde. „Einspruch“, sagt Nikos Grigoriadis, Geschäftsführer des KIZ, der nicht nur gegen den Bebauungsplan vorgehen will, sondern auch mit der neuen Eigentümerin des Grundstücks, der SOB-Tochtergesellschaft Krottendorferstraße 7, im Clinch liegt. Hier ist man wegen einer Räumungsklage gegen das KIZ in erster Instanz. Während man seitens der SOB zu keiner Stellungnahme bereit war, traf GAT Nikos Grigoriadis zum Gespräch.

GAT: Herr Grigoriadis, nach neuesten Informationen soll noch im heurigen Sommer an der Stelle Ihres Kinos einen Wohn- und Geschäftsbau errichten werden. Was wird aus dem KIZ?
Grigoriadis: Diese Frage stellt sich für uns nicht. Wir sind vielmehr draufgekommen, dass hier durch Falschinformationen und stille Post verunsichert und falsch informiert wurde. Richtig ist, dass wir seit November 2006 in der ersten Instanz eines Räumungsverfahrens sind, das der neue Eigentümer des Grundstücks gegen uns angestrengt hat. Aus unserer Sicht spricht die Rechtslage aber klar und eindeutig für uns. Wir haben einen unbefristeten Mietvertrag, und der Kaufvertrag für das Grundstück regelt, dass unser Mietvertrag auch vom neuen Eigentümer übernommen werden muss.

GAT: Seit Anfang Februar liegt nun auch der neue Bebauungsplan für das Grundstück auf. Sie werden ihn beeinspruchen?
Grigoriadis: Natürlich werden wir das! Weil in diesem Bebauungsplan – im Unterschied zu den Rahmenfestlegungen des städtebaulichen Wettbewerbs der Stadt Graz aus dem Jahr 2000 – das KIZ nicht mehr enthalten ist. Und weil sich die Frage stellt: Wer hat überhaupt etwas davon?

GAT: Warum ist das Kino nicht mehr im geplanten Projekt enthalten?
Grigoriadis: Das müssen Sie schon die SOB selbst fragen. Ich kann da nur vermuten, vielleicht, weil man keine Wohnbauförderung für ein Kino bekommt. Wir haben jedenfalls seit über 33 Jahren in diesen Standort investiert, und zwar baulich als auch in das Publikum. Dieses Kino ist für viele Grazer, für viele Steirer einfach ihre cineastische Heimat.

GAT: Apropos Investitionen: Das KIZ war Ende letzten Jahres in die Medien geraten, weil die Stadt Graz Gelder zurückgefordert hat, die 2003 für die behindertengerechte Adaptierung der WC-Anlagen an das KIZ vergeben wurden. Die Gelder – 35.000 Euro – wurden bisher nicht verwendet.
Grigoriadis: Wir hatten hier ein doppeltes Dilemma. Einerseits war das seinerzeitige Geld zu wenig, weil unsere ursprünglichen Planungen die dreifache Summe benötigt hätten. Andererseits kamen die Unsicherheiten über die Zukunft des KIZ nach dem Verkauf des Grundstückes im Juni 2003 dazu. Es war sicherlich nicht das Geschickteste, so lange zu warten – wir haben aber Mitte Dezember 2006 eine Idee entwickelt, die WC-Anlagen sehr einfach und mit sehr viel weniger Geld umzubauen. Wir haben diese Lösung Ende Dezember 2006 allen beteiligten Stellen mitgeteilt, und diese Lösung zeihen wir jetzt auch durch.

GAT: Die Stadt will das Geld jetzt aber trotzdem wiederhaben.
Grigoriadis: Wir haben mittlerweile von allen Stellen – der Diagonale, den Behindertenvertretern, dem Land – positive Reaktionen auf unsere Planungsidee bekommen. Nur von der Stadt war die Reaktion negativ. Wir sind daraufhin zum zuständigen Amt für barrierefreies Bauen in der Stadtbaudirektion gegangen, um die Sache zu klären. Dort hat uns die zuständige Referentin gesagt, „was wollen Sie überhaupt, ich habe ja die SOB gefragt, und das KIZ kommt sowieso weg“. Entschuldigung, das stimmt ja alles gar nicht. Wir sind in der ersten Instanz einer Räumungsklage, es gibt drei Instanzen, die Sache kann also – wenn es schnell geht – zwei Jahre dauern. Außerdem gewinnen wir das Verfahren.

GAT: Ist die Ansicht der Stadtbaudirektion, dass das KIZ weg kommt, bei der Stadt Graz weiter verbreitet? Was sagt zum Beispiel der Kulturstadtrat dazu?
Grigoriadis: Ich glaube nicht, dass die Stadt Graz davon ausgeht, dass wir zusperren, auch wenn der eine oder andere durch die stille Post diesen Eindruck erhalten haben sollte. Und ich gehe davon aus, dass sich der Kulturstadtrat für uns einsetzen wird. Wir hoffen, dass sich alle für uns einsetzen.

GAT: Gibt es Überlegungen zu einem alternativen Standort für das KIZ?
Grigoriadis: Darüber will ich gar nicht spekulieren, weil man damit selbst zum Spekulationsobjekt wird. Übrigens – auch bei früheren Überlegungen zur Übernahme des Opernkinos ging es uns nicht darum, den jetzigen Standtort aufzugeben, sondern um einen zusätzlichen zu erweitern.

GAT: Sind die jetzigen Flächen des KIZ zu klein?
Grigoriadis: Das Qualitätskino in Graz braucht zusätzliche Kapazitäten. In den 1990er Jahren hat es eine Explosion im Mainstream-Kino gegeben – die Anzahl an Kinosälen mit konventionellem Programm ist mit den Multiplex-Kinos von 15 auf 30 angewachsen, das Grazer Kinopublikum hat sich seither mehr als verdoppelt. Das ist positiv, wir begrüßen das. Die Multiplex-Kinos haben den Kino-Standort Graz gestärkt, auch das begrüßen wir. Gleichzeitig haben die Multiplex-Kinos das Qualitätskino marginalisiert, und außerdem dazu geführt, dass Teile des Publikums aus der Innenstadt an den Stadtrand abgezogen wurden. Um aber dem europäischen, dem österreichischen Kino eine Chance zu geben, braucht man auch das nötige Platzangebot. Um ein Beispiel zu nennen: Wenn ich heute im KIZ gezwungen bin, den Gewinner der Goldenen Palme von Cannes schon um 18 Uhr zu starten, dann deshalb, weil wir die Kapazitäten dafür nicht haben. Deswegen ist es nach wie vor Ziel des KIZ, einen zweiten Standort zu errichten – weil auch genug Publikum dafür da ist. Wenn man bedenkt, welche Filme in Wien, aber auch in anderen Landeshauptstädten laufen, die man auch in Graz sehr gerne sehen würde, die aber einfach nicht gezeigt werden können – da kommt man sich schon ein bisschen vernachlässigt vor.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Gespräch
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