11/04/2018

Kommunikation mit dem Land

Gibt es in der Steiermark Anzeichen für ein Akzeptanzproblem zwischen ArchitektInnen und den BewohnerInnen am Land?
Das war eine der Fragen, die VertreterInnen beider Gruppen gestellt wurden.

Der Artikel von Theresa Reisenhofer erscheint im Rahmen der fünfteiligen Serie ArchitektInnen und das Land.

Die Reihe präsentiert Details und Ergebnisse von Interviews, die Theresa Reisenhofer, Absoventin des Masterstudiums Architektur am Institut für Architekturtheorie, Kunst- und Kulturwissenschaften der TU Graz, 2017, mit verschiedenen Architekturschaffenden geführt hat.

11/04/2018

Dorfstraße in Bad Blumau

©: Theresa Reisenhofer

Dorfstraße in Kleinsteinbach, Gemeinde Bad Blumau

©: Theresa Reisenhofer

Gibt es in der Steiermark Anzeichen für ein Akzeptanzproblem zwischen ArchitektInnen und den BewohnerInnen am Land?

Diese Frage wurde den InterviewpartnerInnen gestellt, um das Verhältnis zwischen ArchitektInnen und BewohnerInnen am Land näher zu begründen. Die Mehrheit hat die Aussage bestätigt. Folgende Interviewauszüge zeigen einige Antworten dazu:

  • „Die Architekten haben sich aus irgendeinem Grund den Ruf eingehandelt, dass die Architektur was Besonderes ist, was der normale Mensch nicht braucht. Das hat aber mit dem Land nichts zu tun. Es ist bei uns kein generelles Architekturbewusstsein da. Einerseits gibt es sehr viel Konkurrenz. Schon unter Schüssel (ehem. Bundeskanzler, red. Anm.) war das so, dass die Baumeister befugt worden sind, das Gleiche in der Planung machen zu können, wie ein Architekt. Der Architekt darf nichts ausführen. Der Baumeister darf planen und ausführen. Das spielt der Branche total in die Hände. [...]  Das Zweite ist, wenn ich zurück denke an meine Studienzeit und auch danach, hat man die Architektur sehr hochgespielt als etwas Elitäres. Es hat sich niemand bemüht, ein allgemeines Architekturverständnis zu machen.“ (Auszug aus dem Interview mit einem Architekten)
  • „Das ist generell das Problem, das die Architekten haben, dass wir halt in einer Profession arbeiten, wo eigentlich jeder glaubt, dass das nur Häuser-Bauen ist und das ja quasi eh jeder selbst Häuslbauer ist.“ (Auszug aus dem Interview mit einer Studentin)
  • „Ich glaube, dass es oft ein Missverständnis ist und den Leuten der Mehrwert des Architekten nicht bewusst ist. Es wurde schon in der Vergangenheit ohne Architekt gebaut, wieso sollten sie jetzt einen Architekten nehmen und mit dem bauen, das hat ja bisher auch immer so geklappt. Ich glaube nicht, dass das mit Akzeptanz zu tun hat, sondern eher mit ungenügendem Wissen. (Auszug aus dem Interview mit einer Architektin)
  • „Das Akzeptanzproblem geht von beiden Seiten aus. Die LandbewohnerInnen sagen, sie brauchen keinen Architekten und der Architekt sagt, die Bewohner am Land würden ihn nicht wertschätzen.“ (Auszug aus dem Interview mit einem Architekten)
  • „Wo ein Architekt dabei ist, da wird es teuer. So ist es aber nicht in Wirklichkeit. Wenn du das vergleichst mit der Qualität, die du bekommst, dann baust du wesentlich günstiger. […] Denn wenn nur eine Kleinigkeit verhaut wird, ist der Schaden schon groß. Da würde man vielleicht das mehr zahlen, das auch der Architekt mehr gekostet hätte.“ (Auszug aus dem Interview mit einem Architekten)
  • „Ja, dass der Architekt aus der Stadt vielleicht mehr will, als wie die am Land bereit dazu sind. Ich bin gerade dabei, das Einfamilienhaus für meinen Cousin zu machen und da merke ich auch, die sind gleich mal mit gewissen Sachen überfordert. Das ist ihnen dann schon zu viel Architektur, zu viel Gestaltung.“ (Auszug aus dem Interview mit einer Studentin)

Der Architekt oder die Architektin sollte GestalterIn, ErfinderIn und LebensreformerIn sein. Er oder sie sollte originell und innovativ planen, anders als das Gewohnte, das Banale und das Gewöhnliche. Innerhalb des autonomen Architekturdiskurses hat sich dieses Berufsverständnis verfestigt, außerhalb sieht es anders aus. Für Laien ist diese Wertvorstellung schwer nachzuvollziehen und Vorurteile verstellen eine objektive Sicht von außen. Es gibt, schlimmer noch, einen gewaltigen Misstrauensvorschuss den ArchitektInnen gegenüber, was ein wertfreies, respektvolles Zusammenarbeiten von ArchitektInnen, HandwerkerInnen und Laien schwierig macht und einem allgemein gültigen Vertrauen in der Gesellschaft entgegenwirkt.

Doch welche Möglichkeiten gibt es, dieses Problem der Akzeptanz zu bearbeiten?

  • „Indem man von die fünf Prozent, die man beauftragt bekommt, wirklich gut macht und so die Architektur mehr in das Bewusstsein rückt.“ (Auszug aus dem Interview mit einem Studenten)
  • „So wie die meisten Dinge, die unser gesellschaftliches Zusammenleben heute betreffen: über Bildung und Ausbildung, das einfach auch Baukultur von Beginn an in den Fokus der (Aus)Bildung rückt.“ (Auszug aus dem Interview mit einem Architekten)
  • „Ich glaube, dass sich gerade am Land viele von ihren Nachbarn beeinflussen lassen. Wenn einer mit einem Baumeister baut, dann bauen alle mit einem Baumeister. Und wenn man mit einem Architekten ein sehr gelungenes Bauwerk schafft, dann glaube ich, dass die Leute auch davon inspiriert werden.“ (Auszug aus dem Interview mit einer Architektin)
  • „Man muss sich dem bewusst sein, dass wir auf einer anderen Ebene kommunizieren. […] Das ist, glaube ich, der erste, ganz banale, aber wichtige Schritt. Wenn man ihnen das wirklich erklären will, dann muss man das machen und auch ab und zu Augen und Ohren öffnen. Man muss ein bisschen von diesem Elitären, das man vielleicht gar nicht absichtlich hat, ablegen und einfach auf die Leute eingehen. (Auszug aus dem Interview mit einer Studentin)
  • „Das ist die Kommunikation, die man einfach braucht mit den Betrieben und eben auch mit den Bewohnern, und das ist von beiden Seiten wichtig, vom Architekten auch.“ (Auszug aus dem Interview mit einem Studenten)

Die Verständigung über Architektur nach außen bildet das Problem und den Schlüssel. Bereits im Buch Experten-Laien-Kommunikation in der Architektur wird diese Grundproblematik von Riklef Rambow verdeutlicht. Von vielen InterviewpartnerInnen gibt es deshalb das Bedürfnis, ein allgemeines Architekturverständnis in der Gesellschaft zu generieren und aus dem klassischen, autonomen Architekturdiskurs auszubrechen.
Die Frage lautet, ob wir das voreingenommene Verständnis, wie Baukultur und Architektur funktionieren sollte, zugunsten eines Dialogs ablegen können?
Ob wir im Zusammenwirken eine Baukultur entwickeln können, in der alle Beteiligten die Verantwortung übernehmen? Baukultur bespielt viele Ebenen und sie betrifft alle, die daran beteiligt sind – von der Politik bis zu den NutzerInnen, von den PlanerInnen bis zu den HandwerkerInnen – und das sowohl in der Vergangenheit, als auch in der Gegenwart und Zukunft.

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