02/09/2016

Kürzlich im Hotel Obir
oder
sprachlos am Südpol

Heuer wird das Hotel Obir 40! Am 7.Oktober 2016 lädt die Initiative zur Erhaltung des Hotel Obir zu einer Besichtigung vor Ort. Begleitet wird der Abend von der Haus- und Terrassenband des Hotel Obir. Für Frühentschlossene gibt es einen Shuttlebus ab Klagenfurt Busbahnhof. Reservierung empfohlen!

Hotel Obir, 9135 Bad Eisenkappel 65, Kärnten

02/09/2016

Speisesaal des Hotel Obir, Bad Eisenkappl, Kärnten, 1974 - 1976 errichtet.

Architektur: Ilja Arnautović©: Gerhard Maurer

Aufgang zur Rezeption

©: Gerhard Maurer

Fassade

©: Gerhard Maurer

Ansichtskarte

Ausstellungsprojekt im Hotel Obir, 2013

©: Gerhard Maurer

Der provisorische Abfluss im vierten Stock hat in den letzten drei Jahren gute Dienste geleistet. Man kann sich die Konstruktion folgendermaßen vorstellen: Eine schwarze Plastikwanne mit einem Fassungsvermögen von etwa 20 Litern wurde mittels Teppichresten in leichte Schräglage versetzt. An der Vorderseite ragt daraus ein Gartenschlauch. In der Decke darüber klaffen Haarrisse im Beton. Daraus quillt bei Regen ein Rinnsal hervor. Über ein an der Wand montiertes Stück Blech wird das eintretende Wasser in das Sammelbecken und durch das Gartenschlauch-Teilstück in die Duschtasse des nächstgelegenen Badezimmers abgeführt. Es wäre ein wirklich gelungenes Abfluss-Detail, das es vielleicht sogar in die einschlägige Literatur für den Hochbau-Unterricht schaffen hätte können, wäre da nicht noch der Liftschacht, in dem sich mittlerweile infolge des ständigen Wassereintritts ein feuchtkühles Mikroklima gebildet hat. Dreizehn Jahre Stillstand gehen eben nicht spurlos vorüber.

Die Plastikwanne ist, neben Wandfresken von Suse Krawagna, Rudi Stanzel und Eric Kressnig sowie einer Wandtapete aus gesammelten Presseberichten, der bescheidene Überrest eines Ausstellungsprojekts aus dem Jahr 2013 (Hotel Obir Reception – s. Link rechts). Damals öffnete das Hotel Obir auf Initiative der Galerie Vorspann für einen Monat erneut seine Pforten. Während der Ausstellungsdauer besuchten tausende Interessierte den Bau mit den charakteristischen Eckfenstern. In Verbindung mit der Aktion standen Workshops, Lesungen und Konzerte. Lebhafte Diskussionen über eine mögliche Zukunft dieses Baudenkmals in Warteschleife1 wurden geführt. Der Geruch von Ölfarben und frischer Dispersion lag in der Luft und überlagerte sich mit dem eigenwilligen und gleichsam hartnäckigen Duft der Auslegware. Es war wieder etwas los im Hotel Obir und die ortsansässigen Pensionen freuten sich über zusätzliche Nächtigungen. Kunstschaffende setzten den sogenannten ersten Spachtelstrich, beschrieben in Daniel Fuhrhops 2015 erschienenen Streitschrift. Derzufolge solle das Bauen verboten werden und der geliebte Spatenstich durch einen ersten Spachtelstrich – im Sinne der Renovierung alter Bausubstanzen – ersetzt werden. Kunst kann zur Fugenmasse dieser Bautechnik werden die, schenkt man der Kunsthistorikerin Ulli Sturm Glauben, allemal das Potenzial hat, die sogenannte Provinz „neu zu denken“. Die Spachtel wurde bislang jedoch nicht übernommen und der Bau aus den 1970er Jahren wartet weiterhin auf eine Wiederbelebung.

Das Hotel Obir wurde nach Plänen des serbischen Architekten Ilja Arnautović errichtet. Bekannt ist der Ravnikar-Schüler für die Masse an realisierten Wohnbauten – vergleichbar mit einem Harry Glück hierzulande. Es ist das einzige außerhalb des ehemaligen Jugoslawien errichtete Projekt des Belgrader Architekten. 48 Zimmer mit wechselnden Ausblicken sitzen auf einem lichtdurchfluteten Sockelgeschoß, das mit fließenden Übergängen zwischen den Bereichen Café, Speisesaal, Rezeption und Fernsehraum das Architektenherz höher schlagen lässt. Soviel zur Architektur.

Über die Erscheinung des Gebäudes scheiden sich wenig überraschend die Geister in der zweisprachigen Gemeinde, aus der auch die Schriftsteller Maja Haderlap und Florian Lipuš stammen. Zugegeben: Nicht alles an diesem Bau zeugt von Qualität und viele sehnen sich wohl bereits nach der Abrissbirne. Warum wäre es trotzdem ein Verlust, wenn das Hotel Obir nun aufgrund von jahrelanger Vernachlässigung abgetragen werden müsste? Fernab von Nostalgiegefühlen einerseits und Abneigung gegenüber dem „Fremdkörper“ mitten im Zentrum auf der Gegenseite, trägt der Ort den Geist einer frühen grenzüberschreitenden Kooperation in sich. Investoren aus dem ehemaligen Jugoslawien gründeten gemeinsam mit der ortsansässigen Bank eine eigene Fremdenverkehrsgesellschaft für das Bauvorhaben. Industriebetriebe, die damals noch hier angesiedelt waren, quartierten ihre Gäste hier ein, Urlauber aus ganz Europa gehörten zur Stammkundschaft. Während der Betriebszeit war das Hotel an der Grenze ein beliebter Treffpunkt. Fragt man genauer, so hat nahezu jeder Bewohner aus dem Ort eine Geschichte zu dem Haus parat. Sei es der ehemalige Musikant, der zur Unterhaltung bei Hochzeiten im Veranstaltungssaal spielte, die damalige Jugend, die in der Kellerbar die Tanzfläche bevölkerte oder die ehemalige Belegschaft, die sich gerne an die Zeit der Vollbelegung zurückerinnert. Darüber hinaus war das Hotel Obir ein wichtiger Ort für den Austausch zwischen den Volksgruppen in der zweisprachigen Region. Aufgrund dieser einzigartigen Geschichte sollte das Hotel Obir nicht einem ohnehin kostenintensiven Abriss zum Opfer fallen. In ländlichen Regionen am geographischen Rand der Alpenrepublik erscheinen Geschichten dieser Natur im Kontext des aktuellen politischen Geschehens aktueller denn je. Diese rücken nicht zuletzt durch die Umzäunungsphantasien der Politik vermehrt ins Zentrum des Interesses.

Dass dieses Gebäude neben der traditionellen Architektur die Mehrsprachigkeit baulich repräsentiert, findet auch der Architekt Peter Kaschnig. In einem Entwerfen an der TU Graz mit dem Titel (H)aussprachen testete er gemeinsam mit Studierenden den brutalistischen Kern des Gebäudes auf seine Veränderbarkeit. Durch Eingriffe wurde der Bau entkleidet, Öffnungen ausgestanzt oder Baukörper vorgesetzt. Dabei entstanden teils interessante kleinere und größere Sprachreformen. Ein Konzept, das ebenfalls in der Schublade schlummert, beschreibt die medial inszenierte Sprengung des in der Giebeldachlandschaft Unterkärntens gestrandeteten Riesen. Damit es nicht dazu kommt, bräuchte es das Zusammenwirken von lokaler Politik und engagierten Menschen vor Ort. Dringend wartet das Gebäude auf Maßnahmen einer Minimalsanierung. Für diese fühlt sich anscheinend niemand so richtig verantwortlich. Wenn die südlichste Marktgemeinde Österreichs nächstes Jahr ihr 750jähriges Bestehen feiert, wird das Hotel Obir bestenfalls Kulisse, Zaungast sein. Schade um die vertane Chance, ein wichtiges Beispiel der Architektur der 1970er Jahre zu erhalten!

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