13/01/2012
13/01/2012

Glavni Most Brücke über die Drau in Maribor.

Puppentheater Maribor

Puppentheater Maribor Außentribüne

Puppentheater Maribor, Werkstatt

Andreja Budar Projektmanagerin der Stadt, für den Umbau des Vetrinjski dvor verantwortlich

Vetrinjski dvor, Hauptsitz von Maribor 2012 mit Neuanbau

Vetrinjski dvor, Innengang

Trg Leona Štuklja

Mateja Koler, Verantwortliche für die Seed Library im Rahmen der Reihe „ Urban Furrows“.

Jede Kulturhauptstadt sieht irgendwann rot. Alle Fotos: Emil Gruber

Zum Programm von Maribor 2012 gelangen Sie über den Link am Ende der Seite.

„Timeo Danaos et dona ferentes.“ – „Ich fürchte die Griechen, auch wenn sie Geschenke bringen.“ – Vergils Anspielung auf das trojanische Pferd hat nach wie vor Gültigkeit. Besonders europäische Kulturhauptstädte ziehen gerne an seinen Zügeln.
Seit 1985 werden nun, nach einer Idee der seinerzeitigen griechischen Kulturministerin Melina Mercouri, Jahr für Jahr unter der Ägide der Europäischen Union Städte ausgewählt, auf die für ein Jahr der Scheinwerferkegel fällt. „Durch diese Veranstaltung sollten der europäischen Öffentlichkeit besondere kulturelle Aspekte der Stadt, der Region oder des betreffenden Landes zugänglich gemacht werden“, heißt es dazu im Entschließungsdokument von 1985.

Behauptete sich ursprünglich kulturell nur eine Stadt im Jahr, verdoppelte man mit der EU-Osterweiterung den erlauchten Kreis auf zumindest zwei Städte. Seit 1. Jänner sind das portugiesische Guimarães und das slowenische Maribor die Kulturhauptstädte Europas 2012. Im Nachbarland Slowenien startete das Programm am 13. Jänner. Die offizielle Eröffnung erfolgte am 14. Jänner um 20.00 Uhr am Trg Leona Štuklja. Fünf Partnerstädte in Ostslowenien beteiligen sich an dem 12-monatigen Programm.

Erbauliches Exzerpt 1

Es arbeitet mit Handfiguren, Stabfiguren, Marionetten, Flachfiguren, Klappmaulfiguren oder Jawaikas, mit denen man besonders gut Schattenspiele aufführen kann.
Das Puppentheater in Maribor besteht seit 1974, seit damals kann es eine Erfolgsgeschichte aufweisen. Mehrere hundert Aufführungen inklusive Gastspielen im In- und Ausland Jahr für Jahr sind ein klarer Beweis dafür. Das Programm ist mittlerweile so gestaffelt, dass vom Kleinkind bis zum Erwachsenen jeder sich daran erfreuen kann, wie man hier die Puppen tanzen lässt.
Seit Kurzem hat das Theater auch einen neuen Platz gefunden. Nach Plänen von Rok Žnidaršic wurde das an der Drau gelegene, ehemalige Minoritenkloster aus dem 12. Jahrhundert dafür adaptiert. Neben Haupt- und Nebenbühnen haben hier die Verwaltung, die Werkstätten, aber auch ein kleines Museum zur Geschichte des Theaters Platz gefunden.
Žnidaršic hat sehr behutsam versucht, die alten Strukturen des Gebäudes zu belassen. So ist sofort augenfällig, dass die Wände, Decken und Gewölbe in den Gängen und Räumen praktisch frei von Eingriffen blieben, sämtliche Verkabelungen oder Leuchtkörper werden über Bodenauslassungen geleitet. Auch die Tribüne der Hauptbühne, die knapp zweihundert Besucher fasst, steht auf Rollen frei im Saal und ist bei Bedarf einfahrbar. Somit kann auch dieser Raum multifunktional genutzt werden. Zusätzlich kann andererseits in der wärmeren Zeit die hintere Bühnenwand zum Innenhof geöffnet werden. Eine Freilufttribüne, auf der weitere fünfhundert Gäste Platz finden, gestaltet den Ort zu einem kleinen, teilweisen Amphitheater um.
Der älteste Teil des Gebäudes stammt aus dem elften Jahrhundert. Derzeit wird er zu einem Ausstellungsraum umgebaut. „Ein archäologisches Zeitfenster“, erklärt mir meine Führerin durchs Theater. Nicht wenige der Mönche wurden ja innerhalb der Klostermauern begraben und so stoßen die Arbeiter hier bei den Umgrabungen immer wieder auf menschliche Knochen. Daher brennen in diesem Abschnitt immer viele Kerzen. Die neuen Mieter wollten von Anfang an mit den ursprünglichen Bewohnern in friedlicher Eintracht zusammenwohnen.

Für das Budget muss jede Stadt bzw. jedes Land selbst aufkommen, nur ein bis zwei Prozent werden aus EU-Geldern bereitgestellt. Der Rest füllt sich aus dem Ist-Zustand der Eigenmittel und Kreditwürdigkeit sowie aus der Hoffnung nach privatem Sponsoring auf.
Lag das Budget der ersten europäischen Kulturhauptstadt Athen noch bei bescheidenen 7,7 Millionen Euro (auch Griechen konnten einmal sparen), lag das – ausgewiesene – Budget bei Graz 2003 schon bei 60 Millionen Euro, Lille 2004 hält sich im Wettlauf der kulturellen Hauptstädte Europas mit knapp 74 Millionen nach wie vor an der Spitze der Investitionspyramide.
Das Hauptargument für die explodierenden Kosten und auch für den aufs ganze Jahr gedehnten Zeitrahmen – die ersten Kulturhauptstädte hatten ihr Programm nur über den Sommer laufen – war immer dasselbe. Aufmerksamkeit weltweit, massig Nachhaltigkeit auch in den Jahren danach, als Wirtschaftsstandort genauso attraktiv wie als Tourismus-Hotspot. Jede Investition zahle sich daher aus, würde innerhalb von ein paar Jahren mit deutlichem Gewinn in die Stadtkassen zurückfließen.

Erbauliches Exzerpt 2

Sichtlich stolz steht Andreja Budar, die Projektleiterin für den Umbau des Vetrinjski dvor, einem der ältesten Gebäude der Stadt, im nunmehr restaurierten Innenhof. Der schon um 1220 urkundlich erwähnte Bau war einmal eine Abtei der Viktringer Mönche, enthielt später von 1785 bis 1806 das erste Theater von Maribor. Danach, als Gerberei in Verwendung, wechselte es mehrfach den Besitzer. Nach 1945 unter Tito zu Volkseigentum erklärt, ließ erst das Kulturhauptstadtjahr das baulich marode Dornröschenschloss wieder zu neuem Glanz erwachen. Die slowenischen Architekten Maruša Zorec and Matjaž Bolčina renovierten 2009 subtil Bestehendes und fügten einen nach außen unaufgeregten Neukomplex dazu. Die Innenbereiche, die in einem Teil den Hauptsitz der 2012-Verwaltung beherbergen, in anderen Bereichen Veranstaltungsräume für jedes Spektrum mit mobilen Wandlösungen bieten, wirken funktional durchdacht.
Dieser Meinung war auch die Jury in Piran, als sie 2010 den Internationalen Piranesi Award an die Architekten verlieh: „Very precise and considered solution is respecting the quality of existing architecture. In the same time dealing with innovative details and materials represent the 21st century intervention.“

Auch Maribor, gemeinsam mit dem portugiesischen Guimarães heuer die städtische Miss Europa, dachte ursprünglich wahrscheinlich nicht viel anders als ihre Epigonen. 50 Millionen Euro waren 2006 nach der Wahl geplant. Die Revitalisierung von Industrieruinen, von denen es – geschichtlich bedingt – nicht wenige in der Stadt gibt, eine neue Kunstgalerie, eine neue Fußgängerbrücke über die Drau und vieles mehr standen auf dem Plan. Es gab Ausschreibungen, Wettbewerbe und Siegerprojekte.
Im Frühjahr 2011 bröckelte ein Korruptionsskandal durchs Bauwesen der Stadt. Bürgermeister, Beamte und Bauunternehmer kamen in Kontakt mit dem „U-Wort“ – jenem, das Medien nach keiner Namensnennung in Zusammenhang mit Wirtschaftsdelikten vergessen dürfen.
Heute ist das Budget für das Hauptstadtjahr auf 8 Millionen Euro geschrumpft, die meisten großen Bauvorhaben sind abgesagt. Dennoch haben die Verantwortlichen nicht alle Projekte aufgegeben. So soll das MAKS, das neue Kulturzentrum der Stadt, geplant vom Architekturbüro Sadar+Vuga, doch noch heuer gebaut werden. Das pompöseste Projekt, die neue Kunstgalerie an der Drau – nach einem Entwurf der ungarischen Architekten Tamás Lévai und Ágnes Jószai – scheint derzeit jedoch endgültig nur als Modell übrig zu bleiben.

Erbauliches Exzerpt 3

Der 1999 mit 101 Jahren in Maribor verstorbene Leon Štukelj war einer der größten Athleten im ehemaligen Jugoslawien. Der Kunstturner holte zwanzig Medaillen in internationalen Wettkämpfen, davon alleine drei Goldene bei olympischen Spielen.
Nach ihm wurde auch der größte Platz in Maribor benannt. Als 2011 für die Renovierung des Platzes mit 3,5 Millionen Euro deutlich mehr ausgegeben wurde als ursprünglich budgetiert und dabei auch Auflagen verletzt worden sein sollen, gab es heftige Diskussionen. Dennoch wird am Trg Leona Štuklja am 14.01.2012 die offizielle Eröffnungsfeier für Maribor 2012 stattfinden.

So werden nun also kleinere Brötchen gebacken in Maribor 2012. Während manche Kritiker das geschrumpfte Budget für zu mickrig halten, um ein vernünftiges Kulturhauptstadtjahr zu gestalten, halten nicht wenige es andererseits für vernünftig, sich nicht in den finanziellen Mahlstrom wie manche Epigonen zu stürzen.

Es wird ja trotzdem einiges geboten. Vier Programmschwerpunkte werden als Leitlinie durch das Jahr führen:
Terminal 12 steht einmal im Monat unter Zugzwang, legt für ein künstlerisches oder kreatives Ausnahmetalent Schienen nach Slowenien. Multitasker wie Jan Fabre, Denker wie Slavoj Žižek, Universalisten wie Gary Kasparov oder Schriftsteller wie Charles Simic oder Drago Jančar stehen derzeit auf der Besucherliste. Konzert-, Opern- und Theateraufführungen ergänzen das Thema – mit Tolstois Epos „Krieg und Frieden“ in einer Neuinterpretation von Tomaž Pandur als Höhepunkt im Frühsommer.

Town Keys rollt durch die Geschichte Maribors, soll sezieren und projizieren. Die Stadt als nationales Emblem, als Platz der Leidenschaft, als Ort der Industrie und Sezession, als Vision von Architekturutopien.

Im September wird sich sogar die Tate Modern aus London mit einer Schau ein „Stelldichaus“ in Maribor geben.

Urban Furrows dagegen rückt ab vom Schielen nach dem großen Publikum. Hier geht es um den Anbau von Nachhaltigkeit, den Ausbau der Zwischenmenschlichkeit und den Abbau von Schranken.
Es wird kommunale Gärten geben, in denen jeder Mariborer sein Gemüse anbauen kann, eine Samenbibliothek wird altes, klassisches Anbaugut wieder reaktivieren. Ein anderes Projekt wird sich mit den Migranten beschäftigen, die sich im Zuge des Jugoslawienkrieges hier angesiedelt haben. Es wird ein Kaffeehaus für die Obdachlosen geben, ein Roma-Wörterbuch entwickelt werden oder ein Dorf entstehen, in dem die afrikanische Minderheit sich präsentieren kann.

Life Touch ist der Internetpräsenz von Maribor 2012 gewidmet. Persönlichkeiten aus unterschiedlichen Disziplinen werden via Live Broadcasts, Online Feedbacks, Video Clips oder Blogs das Jahr begleiten, es permanent reflektieren und die Öffentlichkeit weltweit zum Diskurs bitten.

Und nicht zu vergessen – Maribor 2012 legt auf jeden Fall einmal Wert darauf, nicht nur sich alleine, sondern auch die Region zu präsentieren. Die Partnerstädte Slovenj Gradec, Velenje, Novo Mesto, Ptuj und Murska Sobota spielen genauso wesentliche Rollen im Kulturhauptstadtjahr wie auch grenzüberschreitende Projekte – unter anderem mit Österreich –, die den nationalen Rahmen über die Grenzen hinaus erweitern werden .

PRÄSENTATION IN WIEN
Wer gerade näher bei Wien als bei Maribor weilt, kann sich am Dienstag, dem 17.01., um 11.30 Uhr im Naturhistorischen Museum in Wien über Maribor2012 informieren. Die Verantwortlichen stellen dort das 12-monatige Programm der Kulturhauptstadt 2012 vor.

Verfasser/in:
Emil Gruber, Bericht
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16. + 17.11.2023
 
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