01/07/2008
01/07/2008

Auf Exkursion im Stadtteil Krakovo, der in den 1980er Jahren zum nationalen Kulturerbe erklärt wurde. Hier findet sich eine lockere, niedere Einfamilienhausbebauung in der viele Grünflächen, Gemüse- und Obstgärten Platz finden. Trotz der Zentrumsnähe also lebendige Assoziationen an das Ländliche und Dörfliche. Für Neubauten gibt es strikte Auflagen. Den Architekten Dekleva Gregoric gelang bei diesem Einfamilienhaus dennoch eine kleine, feine Meisterleistung: Trotz aller Bescheidenheit (der Ausmaße, der Mittel, des Formalen, der Materialien usf.) besticht das Haus durch sein selbstbewusstes Auftreten, die Klarheit des Grundrisses und der Gestaltung.

Ljubljana war seit der Östereichisch-Ungarischen Monarchie, aber auch zu der Zeit Jugoslawiens Standort zahlreicher Kasernen. Diese großen Areale sind in ihrer Funktion frei geworden, einige wurden abgerissen, und zu Wohnbaugebieten umgewandelt. Hier sehen wir ein ehemaliges Militärgefängnis, das in ein Jugendgästehaus umgewandelt wurde. Die Architekten Rozic – Zorko haben gemeinsam mit den Künstlern Krmelj, Kocica und Okorn die Struktur des Gebäudes inklusive der Zellen (der Name Celica der Herberge verweist auf die ehemalige Nutzung) beibehalten, sogar die Gitter an Fenstern und Türen blieben erhalten. Jeder dieser Räume ist jedoch als eigenes Kunstwerk behandelt worden, der ehemalige Gefängnishof nimmt das Cafe auf, und im Erdgeschoss ist Platz für Kunstausstellungen in den Gasträumen des Lokals. Gästezimmer sind derart beliebt, dass Laufkundschaft kaum eine Chance hat, und man solche bei Bedarf besser im Voraus buchen sollte.

In unmittelbarer Nachbarschaft des Jugengästehauses wurden weitere Gebäude der ehemaligen Kaserne von Jugendkulturinitiativen adaptiert und für ihre Zwecke umgenutzt. Das Areal, das durch diese „Zwischennutzung“ eine Aufwertung erfuhr ist mittlerweile beliebtes Objekt für spekulative Investorenprojekte geworden. Die Kulturszene bangt um die Erhaltung ihrer Spielorte, die – wie uns glaubhaft versichert wurde – auch von älteren Generationen gerne besucht werden.

Das Eröffnungsfoto, aufgenommen im Hof des Schlosses Fuzine, welches das Architekturmuseum beherbergt. Von links nach rechts: Der Direktor des Architekturmuseums, die Dolmetscherin bei der Arbeit, im Hintergrund Metka Cernelc, Mitarbeiterin im Ministerium und eine der wesentlichen treibenden Kräfte der slowenischen Architekturpolitik, der Minister für Umwelt und Planung bei seiner Ansprache, und ein finnischer Teilnehmer mit Sektglas.

Hofansicht des Studentenheims mit der Adresse Poljanska 57. Die Architekten Bevk Perovic haben ein sehr offenes, lichtdurchflutetes, helles und großzügiges Gebäude errichtet, dessen Erdgeschoss die allgemein genutzten Räume (Studiersäle, Waschküche, Tischtennisraum, Fahrradabstellplatz usf.) aufnimmt, in den Obergeschossen finden sich die Wohnräume. Diese sind mit individuell klappbaren Aluminiumbalken versehen, was auch der Fassade einen ständigen Wandel in der Darstellung nach außen beschert. So ist am Foto nicht nur das eher regnerische Wetter, sondern auch die magere, dem Sonntag Nachmittag entsprechende Belegezahl der Zimmer ablesbar. Wir wurden im Zuge der Führung darauf hingewiesen, dass in Ljubljana zwar etwa 36.000 StudentInnen inskribiert sind, dass es aber für diese sehr schwer ist Unterkünfte zu finden. So hat das hier abgebildete Heim also – neben seiner architektonischen und städtebaulichen Qualität – auch eine gewisse Vorreiterrolle für die Lösung der studentischen Wohnungsmisere übernommen.

Die Diskussion um das in Besitz Nehmen, der Kampf um die Besitzverhältnisse, wird von der Kulturszene sehr bildhaft und augenscheinlich dargestellt. Die Argumente der anderen Seite sollen weniger pittoresk, dafür umso effizienter, mit Hilfe von Baggern und anderen Baumaschinen vorgebracht werden.

Unser junger europäischer Nachbarstaat Slowenien hatte die europäische Ratspräsidentschaft mit großem Engagement bereits fast hinter sich, da wurde vom 15. bis 22. Juni 2008 noch zu einer der Architektur gewidmeten Woche, bzw. zwischen 15. und 17. Juni 2008 vom European Forum for Architectural Policies (siehe Link am Ende dieser Seite) unter dem Titel „Urban regeneration – Adapting to climate changes“ zu einer Konferenz eingeladen. Organisiert von Umwelt- und Bautenministerium, Kulturministerium, Stadt Ljubljana, den Architekturfakultäten von Ljubljana und Maribor, Slowenischer ArchitekteInnenkammer, Architekturmuseum Ljubljana, Slowenischer ArchitektInnenvereinigung und Architekturgalerie Dessa, fanden sich Fachleute aus ganz Europa ein, um die brennenden Themen des Klimawandels, des Klimaschutzes, der Energieeffizienz, der Reduktion von Treibhausgasen und über die nachhaltige Entwicklung der europäischen Städte zu sprechen.

Aufbauend auf der Leipzig Charta zur nachhaltigen Stadt (siehe Link am Ende dieser Seite), welche anlässlich des informellen Ministertreffens zur Stadtentwicklung und zum territorialen Zusammenhalt in Leipzig im Jahre 2007 angenommen wurde, sind die dort niedergeschriebenen Feststellungen, Empfehlungen und Ziele vertieft und weiterentwickelt worden. Neben einer ganzen Reihe von Vorträgen, die auf städtische Entwicklungsmodelle, nationale Initiativen und beispielhafte Projekte eingingen, wurde letztendlich auch eine gemeinsame Erklärung der beteiligten Institutionen unter dem Titel „EFAP Ljubljana Declaration“ verfasst, die unter oben angeführter Webadresse abrufbar ist.

Freilich bringen derartige Chartas, Meetings und Declarations nicht den plötzlichen Durchbruch im Bereich einer etwaigen europäischen Architekturpolitik. Aber es ist erfrischend zu hören, dass KollegInnen aus vielen Ländern an ähnlichen Themen arbeiten: Wie kann architektonische Qualität vermittelt werden? Welche Maßnahmen können auf nationaler oder internationaler Ebene ergriffen werden, um Qualität für unsere gebaute Umwelt zu gewährleisten? Was können wir tun, um unsere Städte lebenswerter zu machen? Und ermutigend ist auch, dass es einige andere Länder gibt, die – wie Österreich – noch keine Leitlinien der Architekturpolitik verankert haben. So berichtete eine türkische Teilnehmerin der dortigen Standesvertretung ausführlich darüber, wie weit der diesbezügliche Prozess in ihrem Land bereits gediehen ist.

Im Rahmen der Konferenz, etwa am Sonntag davor, in den Mittagspausen sowie an den Abenden wurde ein dichtes Begleitprogramm angeboten. Führungen zu Fuß und per Autobus, sowie mehrere Ausstellungen an verschiedenen Orten brachten den Besuchern die Stadt und ihr Umland näher, das historische Erbe bis zur jüngeren Architekturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts (z.B.: Jože Plečnik, Edvard Ravnikar) gleichermaßen, wie die sehr lebendige, junge zeitgenössische Architekturszene (z.B.: Dekleva Gregorič, Bevk Perović oder Sadar Vuga). Dieser heutigen Generation, die noch im alten Jugoslawien aufgewachsen ist, von der jedoch viele sowohl im Studium als auch in Büros arbeitend Auslandserfahrung gesammelt hatten, und die dann nach Slowenien zurückgekehrt sind, als der Staat unabhängig wurde, ist eine Ausstellung und eine Publikation gewidmet. Unter dem Titel „Zeitgenössische Architektur in Slowenien“ wurden diese von der Architekturgalerie Dessa unter fachkundiger Leitung des international bekannten Architekturtheoretikers Andrej Hrausky zusammengestellt bzw. publiziert. Zu sehen war die Schau im Schloss Tivoli, welches eingebettet im gleichnamigen Park auf einer leichten Anhöhe über der Altstadt liegt.

Und wenn ich mit meinem Reisebericht gleich bei den Anhöhen fortsetzen darf, so würde ich von der Burg erzählen. Sie wurde schrittweise von einem Architektenteam um Edo Ravnikar jun. renoviert. Seit 2006 gibt es einen Schrägaufzug. Nicht nur der eigentliche Lift, sondern auch die Tal- und Bergstation gehören zu den Erweiterungsbauten, die den Zugang zur Burg wesentlich erleichtern, sowie diesen Weg in eine reizvolle, quasi theatralische Inszenierung übersetzen. Auf der Burg war der einzige europäische Preis für zeitgenössische Architektur, der „Mies van der Rohe Preis“ aus dem Jahre 2007 zu sehen. Nicht unerwähnt darf dabei die Tatsache bleiben, dass unter den ausgezeichneten Werken auch ein slowenisches Projekt, die Mathematik Fakultät der Universität Ljubljana von den Architekten Bevk Perović zu finden ist.

Eine weiteres Schloss mit dem Namen Fužine, es liegt knapp 4 km außerhalb des Stadtzentrums, dessen Restaurierung 1992 begonnen wurde, beherbergt das Architekturmuseum Ljubljanas. Heute ist dort eine ständige Ausstellung des bedeutenden Architekten Jože Plečnik untergebracht, der in und um die slowenische Hauptstadt viel gebaut, sowie lange Jahre hier gelebt hat, und dessen städtebauliche Entwürfe und Realisierungen die Stadt noch heute maßgeblich prägen. In Zukunft soll auch der zeitgenössischen slowenischen Architektur Platz gewidmet sein. Um den Reigen der Ausstellungen zu vervollständigen erwähne ich noch diejenige der Slowenischen Kammer, die in ihren Räumlichkeiten (Adresse: Vegova 8) aufgebaut war, und Wettbewerbsbeiträge der jüngsten Zeit zeigte.

Als Resümee des Reiseberichts sei allen, die Ljubljana noch nicht kennen, wärmstens ans Herz gelegt, sich für den Besuch dieser schönen Stadt Zeit zu nehmen. Für Architekturinteressierte erweist sie sich als eine wahre Wunderkammer, durch die man sich von diversen einschlägigen Führern fachkundig leiten lassen kann, so man dies der Erkundung auf eigene Faust und auf gut Glück vorzieht. Neben dem oben bereits erwähnten Katalog „Contemporary Slovene Architecture“ ist dies etwa der „Architectural Guide to Ljubljana“ von Andrej Hrausky und Janez Koželj, der 2007 in der Heart Edition beim Verlag Rokus Gifts Ltd., Ljubljana herausgegeben wurde.

Verfasser/in:
Günter Koberg, Bericht
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