22/11/2011
22/11/2011

Gernot Ritter und Veronika Hofrichter-Ritter mit Samuel, dem jüngsten von drei Kindern. Foto: Karl Heinz Putz

3-fach Ballsporthalle Liebenau, Graz, Österreich, Wettbewerbsgewinn 2010, Fertigstellung 2012, Rendering HOFRICHTER-RITTER Architekten

3-fach Ballsporthalle Liebenau, Graz

Fleckalmbahn Kitzbühel, Österreich, geladener Wettbewerb 2009, Verfahren läuft noch, Rendering HOFRICHTER-RITTER Architekten

Schiterminal Planai, Schladming, Österreich, Fertigstellung 2007, Foto: Angelo Kaunat

Schiterminal Planai, Schladming, Österreich, Fertigstellung 2007, Foto: Angelo Kaunat

Olympische Schisprungschanzen Sarajevo, Bosnien, internationales Hearing 2010, Fertigstellung 2013-1014, Rendering HOFRICHTER-RITTER Architekten

Olympische Schisprungschanzen Sarajevo, Bosnien

Zielstadion Planai, Schladming, Österreich, Wettbewerbsgewinn internationaler Generalplanerwettbwewerb 2005, Fertigstellung Talstation 2010, Fertigstellung Zielareal 2011, Foto: Paul Ott

Zielstadion Planai, Schladming. Foto: Paul Ott

Zielstadion Planai, Schladming. Foto: Paul Ott

Schisprungschanze Holmenkollen Oslo, Norwegen, Wettbewerbsbeitrag 2009, Rendering HOFRICHTER-RITTER Architekten

HOFRICHTER-RITTER Architekten wurde 2003 von Gernot Ritter und Veronika Hofrichter-Ritter gegründet. In den letzten Jahren fielen sie vor allem durch ihre Erfolge im Bereich Sportstättenbau auf. GAT traf das Duo zum Gespräch, um zu erfahren, wie es dazu kam.

GAT: Wie kam es zu dem Projekt Zielstadion Planai in Schladming? War es das erste Projekt zum Thema Sport von Hofrichter-Ritter?
GR: 2005 gab es einen internationalen Generalplanerwettbewerb für die Neugestaltung des Zielstations Planai in Schladming, den wir für uns entscheiden konnten.

GAT: War das eine sehr ungewöhnliche Bauaufgabe für Sie?
VR: So eine Aufgabe ist sicher ungewöhnlich, hat aber eben deswegen Gernot besonders angesprochen. Er ist Schifahrer und hat eine Affinität zu dem Projekt. Es war und ist eine umfangreiche Bauaufgabe und wir haben uns entschlossen, sie zweistufig zu lösen und haben den Wettbewerb damals gemeinsam, noch als Eineinhalb- bzw. Zwei-Mann/Frau-Büro gemacht. Mittlerweile arbeiten im Generalplanerteam (Hofrichter-Ritter/Jandl/Mandl) ca. 10 Leute daran. Ohne unsere tollen Mitarbeiter geht so etwas sowieso nicht.
GR: Ich habe natürlich einen Bezug zu Schladming und somit auch zu dieser Aufgabe. Schon alleine, weil eine Seilbahnstation oder Ähnliches lange Zeit ja nur als Infrastrukturbau galt, zu dem man irgendeine Lifthütte dazu stellte.

GAT: Lange kam niemand auf die Idee, so etwas ansprechend zu gestalten?
GR: Bei Bahnhöfen zum Beispiel ist man schon früher daraufgekommen, dass es nicht nur darum geht, reine Infrastruktur zu schaffen, sondern auch darum, dass der Zugang ansprechend sein muss. Ich rechne es den Tourismusexperten von Schladming hoch an, dass sie einen anderen Weg gegangen sind und den Wettbewerb ausgeschrieben haben. Mittlerweile hat das in ganz Österreich Schule gemacht.

GAT: Ist man in Schladming besonders aufgeschlossen?
VR: Da es ein Wettbewerb war, ist die Jury maßgeblich, das war sozusagen der Einstieg und damit war das Projekt positioniert und grob fixiert. Aber es war auch dem damaligen Geschäftsführer der Planaibahnen und seiner Aufgeschlossenheit zu verdanken.

GAT: Wie sieht es mit der Umsetzung aus?
GR: Ende November wird das Gesamtareal fertig. Es ist eine Zweijahresbaustelle, im letzten Jahr wurde der erste Bauabschnitt beendet.

GAT: Zum Zeitpunkt, als Sie diesen Wettbewerb gewannen, war aber noch nicht klar, dass Schladming auch WM-Austragungsort sein würde?
VR: Nein, aber Schladming hatte sich bereits für die vorige WM beworben. Mit der nächsten Bewerbung waren sie dann erfolgreich.

GAT: Und es war klar, dass die gleichen Architekten weiterbauen würden?
VR: In gewisser Weise war es logisch, wir waren über einen internationalen, EU- konformen Wettbewerb zu dieser Aufgabe gekommen.
GR: Prinzipiell muss man sagen, dass dieser Entwurf des Wettbewerbs in der Umsetzung zu 80 % dem Wettbewerbsbeitrag entspricht. Im Rahmen des Wettbewerbs war auch schon die Abwicklung von Sportveranstaltungen wie dem Nachtslalom für 50.000 Zuschauer inkludiert, daher passt das auch gut in das Konzept für die WM 2013. Man hatte im Vorfeld bereits damit gerechnet, mit der Bewerbung erfolgreich zu sein und die gesamten Infrastrukturmaßnahmen, Abmessungen, Zielauslauf etc. bereits im Wettbewerb inkludiert.

GAT: Also war der erste Schritt eigentlich der größere?
GR: Ja, und das spiegelt sich auch in den Entwürfen wider. Neu hinzu kam der Kontakt mit dem ÖSV. Zuerst ging es nur um die Planaibahnen, die als Veranstalter auftreten, und um bestimmte Rahmenbedingungen für die WM wie temporäre Tribünenanlagen und ein Servicedeck, das temporär ausgebaut und wieder zurückgenommen wird, also Veranstaltungsarchitektur im weitesten Sinne. Und wir konnten uns für das Gesamtkonstrukt gut positionieren. Wir wurden nun auch beauftragt, alle notwendigen temporären Bauten für die WM wie die sogenannte Medal Plaza – ein Veranstaltungszentrum für den Abend, in dem auch die Medaillen verliehen werden – für die Stadt Schladming zu entwickeln.

GAT: Was ist wichtig bei Sportbauten?
GR: Wir wollten mit unserer Formensprache die Dynamik der Sportthematik widerspiegeln. Für uns ist es sehr wichtig, eine individuelle Sprache für die einzelnen Projekte zu entwickeln und nicht überall gleich zu reagieren. Viele internationale Architekturgrößen sagen: Ein Hotel, eine Seilbahnanlage oder ein Kirchenbau muss so und so sein und man kann sofort erkennen, von wem das ist. Wir möchten differenzierter sein.

GAT: Das scheint überhaupt ein Merkmal eurer Generation von Architekten zu sein: Man scheint sich heute wesentlich stärker an der Bauaufgabe und am Umfeld zu orientieren und damit entsprechend individueller zu bauen.
GR: Ich glaube, dass dies die ureigenste Aufgabe der Architektur ist. Für mich ist die Form nicht zuerst da, das ist nicht möglich, denn wenn ich eine Bauaufgabe analysiere, gibt es gewisse Rahmenbedingungen. So kann ich die Planaibahnen als sportliches Unternehmen zum Beispiel nicht als Würfel konstruieren.

GAT: Im Fall von Schladming muss man auch bedenken, dass diese Architektur sowohl im Winter als auch im Sommer gut aussehen sollte. Das ist gewissermaßen eine zusätzliche Hürde.
GR: Unsere Projekte in Schladming arbeiten sehr intensiv mit der Landschaft – und nicht nur mit der Winterlandschaft, auch mit der Führung der Skifahrer auf den unterschiedlichen Ebenen. So kommt es zur Farbauswahl und auch zur Entscheidung, ob geschwungen oder orthogonal reagiert wird.

GAT: Sie planen ja inzwischen auch andere Sportstätten.
VR: Derzeit gibt es unter anderem auch die Ballsporthalle in Liebenau, auch das Ergebnis eines Wettbewerbs.

GAT: Ist es Zufall, dass Sie in diese Sportschiene geraten sind? Hat sich da ein Spezialgebiet ergeben?
VR: Nein, es ist kein Zufall, Gernot hat einen starken Bezug zum Thema Sport.
GR: In gewisser Weise ja, denn wir suchen uns natürlich Wettbewerbe, die uns thematisch interessieren, wie die Ballsporthalle. Dafür machen wir so gut wie keinen Wohnbau, weil wir darin nicht sehr erfahren sind.

GAT: Was macht den Reiz von Sportstätten für Sie aus?
GR: Bei der Ballsporthalle wollten wir mit der sehr schönen Ästhetik der Funktionslinien in einem Turnsaal experimentieren. Es gibt die virtuellen Felder (z. B. für Volleyball, Tennis und Badminton) wie sich überlagernde Schnittmuster. Jeder Sportler kennt seine Linien, dadurch entstehen Räume, beziehungsweise wird die Wirkungssphäre dieser Räume definiert. In dem Projekt haben wir diese Idee an der Fassade weiterentwickelt und das Fußballfeld an die vertikale Fassade gespiegelt. Damit wird die Funktionslinie zum Ornament.

GAT: Ein Betreiber einer Sportstätte als Bauherr, was bedeutet das für den Architekten?
VR: Es ist sicher hilfreich und notwendig, dass man die Sprache des Auftraggebers auch spricht und versteht. Das Thema Sport muss einen interessieren, damit man sich mit Nutzern und Betreibern entsprechend austauschen kann.
GR: Im Fall der Ballsporthalle sind wir mit 17 Sportvereinen aus Graz zusammengesessen, die ihre Wünsche in diesen Entwurfsteil noch einbringen wollten und durften. Das Nutzerprofil reicht von Kegelclubs bis zum Badmintonverein. Also sehr verschiedene Menschen mit sehr unterschiedlichen Anliegen und Menschen, die sich unter Umständen auch noch nie mit Architektur auseinandergesetzt haben.

GAT: Es gibt auch ein Projekt in Sarajevo?
GR: Über Schladming gab es einen direkten Kontakt nach Sarajevo in Bosnien. Dort hat man die alten Olympiastätten als wirtschaftlichen Faktor wiederentdeckt. Man hat uns in einem internationalen hearing ausgewählt und uns gebeten, ein paar Vorschläge zu entwickeln.

GAT: Was soll dort gemacht werden? Sollen wieder Veranstaltungen ausgetragen werden?
GR: Das Gebiet soll sukzessive aufgewertet werden. Man braucht einen großen Masterplan, im Rahmen dessen überlegt wird, was man dort skitouristisch machen kann. Das ist eine sehr langfristige Geschichte, da es dabei um einen sehr großen Maßstab geht.

GAT: Es ist wohl eine große Herausforderung, an einem historisch so stark besetzten Ort einzugreifen? Bei Ihnen nimmt man vermutlich an, dass Sie sehr sensibel mit der Aufgabe umgehen würden?
GR: Es wurde dezidiert erklärt, dass nicht Tabula rasa gemacht werden soll, denn es gibt ein Gedächtnis dieses Ortes, das mit einbezogen werden muss. Die Leute dort sind stolz auf die Vergangenheit und bewahren auch das alte Maskottchen. Man darf solch einem Ort nicht die Identität rauben, sondern muss seine Magie schlicht mitnehmen und modernisieren. Natürlich gibt es Projektbetreiber, die in so einem Fall nur nach dem Investment und Return of Investment vorgehen. In diesem Fall gibt es eine Millionenstadt, 20 Fahrminuten davon entfernt ein Skigebiet, also hervorragende infrastrukturelle Voraussetzungen. Mit der Geschichte des Ortes muss man aber unbedingt sorgfältig umgehen.

GAT: Gerade bei Sportstätten spielt die kommerzielle Seite eine wichtige Rolle. Man möchte dort Geld verdienen.
GR: Natürlich, denn diese massentouristischen Gebiete haben auch immer ein sehr gefährliches Element, etwas, die Kultur Zerstörendes. Es ist wichtig, zu beachten, dass es dort eine Geschichte, Menschen und eine gewisse Topografie gibt. Beim Skifahren muss man auch bedenken, dass das weltweit gesehen eine Randsportart ist. Die Skigebiete stehen in einem Verdrängungswettbewerb, man wirbt sich gegenseitig die Gäste ab. Man bemüht sich derzeit in den Entwicklungen darum, einen Ort so zu belassen wie er ist, beziehungsweise die Eigenheiten herauszuarbeiten und zusätzlich mit der kommerziellen Komponente zu überlagern. Man kehrt zu Identität und Individualität zurück. Das ist eine interessante gesellschaftspolitische Diskussion. Es ist spannend, hier die Architektur als Kulturmotor zu verstehen. Und das ist das, was uns jetzt zufällig halt beim Sport auch interessiert. Und dieser Zugang ist dort irgendwie sehr gut angekommen.

GAT: In Sarajevo haben Sie mit der Sprungschanze begonnen – ein Landmarkbau?
GR: Hierbei kann man ganz gut beschreiben, worum es geht, nämlich um die Entwicklung des Gebäudes, den Event, der es bespielt, und um dessen Vermarktung. Skispringen verfügt über ein hervorragendes TV-Format. In Schladming ist das nicht so einfach, weil man bei Skifahrern die Anfahrt nur in Bruchstücken zeigen kann und dann die Zieleinfahrt. Beim Skispringen ist das anders: Es gibt eine Linie, die man immer gleich abfilmen kann; es ist wie im Theater, wo ich eine Bühne habe, auf der alles stattfindet.

GAT: Aber bei einer Sprungschanze ist die Form ja vorgegeben, es gibt wenig Variationsmöglichkeiten. Wo wird man da kreativ?
GR: Es gibt verschiedene Kreativpunkte, wo man ansetzen kann, z. B. dort, wo sich die Sportler aufwärmen, oder im Zielraum. Sarajevo ist besonders interessant, weil es da zwei parallele Schanzen gibt, die wir miteinander verbunden haben.

GAT: Möchten Sie sich nun am liebsten nur noch auf Sportarchitektur konzentrieren?
GR: Nein sicher nicht. Wir haben ja auch soeben einen Kindergarten in Deutschlandsberg und eine Einsegnungshalle am Steinfeldfriedhof in Graz eröffnet. Themenvielfalt in einem Architekturbüro ist sehr wichtig. Sportarchitektur ist schon eine reizvolle Sache, aber manchmal fühlt man sich da auch übersättigt. Prinzipiell ist das Interesse groß, weil ich mich mit der Thematik identifizieren kann. Bei Sarajevo geht es im nächsten Schritt, beim Masterplan ja bereits um sehr viel mehr, das geht weit über die reine Sportthematik hinaus. Wie es auch bei Schladming um mehr als Sport, nämlich um Tourismusinfrastruktur geht und die sollte möglichst nachhaltig sein.

GAT: Wir danken für das Gespräch.

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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