14/06/2004
14/06/2004

(c) Fabian Wallmüller, Klemens Luser

Gedanken zur Langen Nacht der Visionen am Montag, den 7. Juni 2004 im Rahmen der Veranstaltung im Brennpunkt "Zukunft Graz" bei den Minoriten.

BürgerInnen und Bürger der Stadt Graz waren aufgerufen, Mitgliedern der Stadtregierung ihre Visionen zur Stadt vorzutragen, diese sollten Anworten zu ihrer Umsetzbarkeit geben.
Visionen haben heißt, zukünftige Bilder entwerfen, diese weiterentwickeln, sie mit Mut und Engagement zu verfolgen, um sie schließlich in Ansätzen Wirklichkeit werden zu lassen.
Visionen haben lange Wege, brauchen Zeit, Programme und sie brauchen vor allem eines: die Bereitschaft und den Konsens vieler, die an ihre Umsetzbarkeit glauben und beharrlich daran arbeiten.
Dass in der langen Nacht der Visionen mehr von Mangel an Visionen, Visionslosigkeit, Selbstverständlichkeiten, die zu Visionen stilisiert werden und von Nichtumsetzbarkeit als von zukünftigen Bildern und ihren Möglichkeiten zu hören war, lässt zunächst Unbehagen aufkommen und man ist leicht geneigt, in den Chor der „Losigkeiten“ einzustimmen, was aber zu nichts führt.
Visionen zu haben scheint obsolet im 21. Jahrhundert, wiewohl oder vielleicht gerade weil wir im Zeitalter allgegenwärtiger Bilderfluten leben, deren Auswirkungen auf unsere Konstruktion von Wirklichkeit spätestens seit Walter Benjamins Aufsatz "Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit" 1936 konsequent verhandelt werden.
Im neoliberalistischen Sprachgebrauch geht es eben nicht um Visionen, sondern um Strategien und Interventionen. Ein Blick auf den eben stattgefundenen Wahlkampf zur EU-Wahl genügt, um festzustellen, dass Visionen nicht gefragt sind und die Ratlosigkeit der Politiker mit Nichtbeteiligung der Bürger quittiert wird, wo doch gerade das neue vergrößerte Europa, mit Visionen genährt, sich positiv entwickeln könnte.

Um bei Graz zu bleiben: Peter Pretterhofer (sein Statement siehe untenstehender Link) lieferte, über den Tellerrand der Stadtgrenze hinausblickend, einen sinnvollen Ansatz zur Stadtentwicklung – die Entwicklung eines gemeinsamen Agglomerationsraumes der Region Graz – Maribor. Ein Ansatz, wie er bereits seit einigen Jahren in den Projekten "upload" der ZV, Zentralvereinigung der Architekten oder "grazmaribor. urbanising the inbetween" in Form von Studienprojekten am Institut für Städtebau an der TU Graz im Jahr 2000 sowie gegenwärtig in Form eines Ideenwettbewerbes "OPEN BORDERS der Universitäten Graz/Maribor an- und weitergedacht wird.

"Graz-Maribor könnte als einzige Netzwerkstatt aufgefasst werden. Im Vergleich zu konzentrischen oder sternförmigen Städten, welche eine einzige Stadtmitte und eine unbestimmte Peripherie haben, genießen vernetzte Städte den Vorteil der Differenz.
Letztere haben mehrere Stadtmitten, welche in einem gewissen Konkurrenz- oder Spezialisierungsverhältnis zueinander stehen können, während sich auch die Peripherie als Korridor entlang den die Städte verbindenden Infrastrukturen von der übrigen, unbestimmten Peripherie differenziert.
Da auch die Landschaft Teil dieser Netzwerkstadt wird, entsteht nicht nur, was Rem Koolhaas "urbanisierte Landschaft" nennt, sondern "die Landschaft wird auch tatsächlich Teil dieser Stadt und muss somit ein neues Verhältnis eingehen, beziehungsweise muss ein neues Leitbild erfunden werden...", schreibt Joost Meuwissen im Vorwort zur Publikation "grazmaribor. urbanising the inbetween", welche die Studentenprojekte zu diesem Thema zusammenfasst.

Wie in so vielen Fällen mangelt es keineswegs an Ideen und Strategien oder sogar Visionen, vielmehr würde die Bündelung von Vorhandenem im gemeinsamen Diskurs aller Beteiligten weiterführen und vielleicht sogar auf eine sinnbringende Handlungsebene geführt werden, anstatt in akademischen Diskursen zu verharren.

Verfasser/in:
Ute Angeringer "Kommentar"
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