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Interdisziplinäre Bearbeitung, qualitätsfördernde Dichte und fehlende REPRO-konforme Grünflächenvorgaben für die derzeit laufenden Wettbewerbe in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße in Graz
Die Rolle von Landschaftsplaner*innen bei städtebaulichen Wettbewerben: Aktuell laufen für zwei Standorte in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße in Graz städtebaulich-baukünstlerische Wettbewerbe.
Die Venta Group ist Ausloberin eines Realisierungswettbewerbes für die Conrad-von-Hötzendorf-Straße 151, ein Baugebiet von über 3,1 ha Größe. (1) Teilnahmeberechtigt sind Architekt*innen, ein*e Landschaftsplaner*in/Freiraumplaner*in ist verpflichtend beizuziehen und am Verfasserblatt zu nennen. Diese interdisziplinäre Ausrichtung ist als positiver Schritt hin zu einer akkordierten städtebaulichen Entwurfsentwicklung zu sehen. Sie spiegelt auch die mittlerweile interdisziplinäre städtebauliche Ausbildung an den Technischen Universitäten wider.
Der Zweite, ebenfalls zweistufige Wettbewerb betrifft südwestlich gegenüber die Conrad-von-Hötzendorf-Straße Nr. 162. (2) Ausloberin dieses Wettbewerbes ist die Bauunternehmung Granit. Bei diesem Wettbewerb wird lediglich dringend empfohlen, zumindest in der zweiten, baukünstlerischen Stufe eine*n Freiraumplaner*in / Landschaftsarchitekt*in beizuziehen (siehe Seite 14 der Auslobung Granit, Seite 15 der Auslobung der Venta Group), eine Nennung im Verfasserbrief ist ebenfalls erforderlich. Hier wird demnach von der Auslobung her eine mögliche städtebauliche Einseitigkeit in Kauf genommen.
Mehrfachteilnahme am Wettbewerb: In beiden Wettbewerben wird ausdrücklich zugelassen, dass Landschaftsplaner*innen/Feiraumplaner*innen mehrfach teilnehmen können (siehe Seite 14 der Auslobung Granit, Seite 15 der Auslobung der Venta Group). Dabei handelt es sich in beiden Fällen um keine Konsulent*innentätigkeit, sondern um die Mitwirkung als Verfasser*in der Wettbewerbsunterlagen. Eine Mehrfachteilnahme am Wettbewerb steht im Widerspruch zu sämtlichen gängigen Wettbewerbsordnungen und hat dort den Ausschluss sämtlicher Wettbewerbseinreichungen zur Folge (Vgl. WSA-Wettbewerbsstandard Architektur § 1 Abs. 7 und WOI-Wettbewerbsordnung Ingenieurbüros Pkt. 8.4.). (3) Zudem entsteht mit dieser Regelung der Eindruck, dass der landschaftsplanerische Beitrag als nicht entscheidungsrelevant angesehen wird. Zu bedenken sind auch die verfahrensrechtlichen Folgen für den Fall, dass der*die Landschaftsplaner*in bei mehreren preisgekrönten Projekten beigezogen und in der Folge bei mehreren Vertragsverhandlungen dabei ist.
Diese Regelung ist verfahrensrechtlich daher nicht durchdacht und sollte dringend revidiert werden.
Überschreitung von Dichtevorgaben des Flächenwidmungsplanes: Positiv bei der Auslobung der Venta Group zu erwähnen ist die grundsätzlich qualitätsorientierte, nutzungsdurchmischte städtebauliche Vision, mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz als zentrale Leitmotive. Im letzten Satz der Vision erfolgt allerdings die Ernüchterung und die Erkenntnis, dass es mit der städtebaulichen Qualität wohl nichts werden wird. Wortwörtlich steht da nämlich: „Aufgrund des großen Potentials des Wettbewerbsareals wird eine Überschreitung der max. Bebauungsdichte lt. 4.0 Flächenwidmungsplan der Stadt Graz auf 2,25, bezogen auf die Nettobaulandfläche, angestrebt.“
Dazu sei festgehalten, dass beide Wettbewerbe nach dem sogenannten „Grazer Modell“ (4) abgewickelt werden, bei dem die Stadt Graz und Investor*innen bereits bei der Erstellung der Auslobungsgrundlagen zusammenarbeiten. Sowohl die Stadtbaudirektion, wie das Stadtplanungsamt, sind in beiden Wettbewerben in der Jury vertreten, das Stadtplanungsamt sogar in beiden Fällen vom Leiter selbst. Vertreter*innen weiterer Ämter werden beratend beigezogen. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass die Wettbewerbsauslobung mit den genannten Planungsstellen der Stadt Graz bzw. deren Vertreter*innen akkordiert wurde. Im 4.0 Flächenwidmungsplan der Stadt Graz ist das Gebiet als Kerngebiet mit einer Bebauungsdichte von 0,8 – 2,0 festgelegt. Der Flächenwidmungsplan wurde vom Stadtplanungsamt erstellt.
Nun stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass sich das Stadtplanungsamt beim Venta Group Wettbewerb von den im eigenen Amt formulierten Planungsvorgaben des Flächenwidmungsplanes abwendet, obwohl es sich für deren Einhaltung einsetzen müsste. Es ist doch davon auszugehen, dass man die Dichte von 0,8 – 2,0 nach sorgfältiger Prüfung und nicht aus Jux und Tollerei festlegte – eine Dichte, die im Übrigen schon grenzwertig für qualitätsvollen Wohnbau ist. Geht man davon aus, dass unter städtischen Verhältnissen bis zu einer viergeschoßigen Bebauung noch ausreichend Freiräume am Grundstück organisierbar sind und funktionierende Bezüge zu den Freiflächen bestehen (5), so wäre eine Bebauungsdichte von 1,4 – 1,7 für das Gebiet erstrebenswert.
Die Zulassung einer Dichteerhöhung über den ohnehin schon grenzwertigen Dichterahmen des Flächenwidmungsplanes steht in der unrühmlichen Tradition der letzten Jahrzehnte der Grazer Stadtplanung und dürfte auch nicht unmaßgeblich an der Abwahl des vorherigen Bürgermeisters beteiligt gewesen sein. Die Menschen in Graz sind es leid, dass rechtsverbindliche Vorgaben
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Kommentare
Infobox
Am 19. und 20.4. tagte, laut Auslobung, das Preisgericht zur ersten Stufe des zweistufigen, EU-weit offenen Wettbewerbs nach Grazer Modell „Conrad-von-Hötzendorf-Straße 162, Graz“. Ein zweiter Wettbewerb, in der Conrad-von-Hötzendorf-Straße 151, ist ebenfalls ausgeschrieben und steht vor der Entscheidung.
Unzulänglichkeiten in beiden Verfahren spricht Maria Baumgartner in ihrem Kommentar an.
Ein klares Minus in unserer Rubrik Plus/Minus.
Es laufen 3 (sic!) WBs im Areal
Es laufen 3 (sic!) WBs im Areal der C.v.Hötzendorfstraße. Beim dritten WB Ostbahnhof, ausgelobt von der ÖBB, ist die Abgabe am 23. Mai. Auch dieser ist ähnlich ausgeschrieben. Und ja ein BIG FAIL der Stadtplanung! Zumal bei diesem WB auch noch gleich das Verkehrskonzept als gegeben hinzunehmen ist...
https://www.architekturwettbewerb.at/competition/oebb-areal-ostbahnhof-r...