31/07/2008
31/07/2008

Arch. Mark Zimmermann: Vorgefertigte Module erlauben die Sanierung von Wohngebäude binnen wenigen Tagen und ohne den Auszug der Bewohner.

Vorgefertigte Dächer werden komplett an Ort und Stelle gehievt, Magnusstraße in Zürich (Architekten Kark Viridén)

Vorfabriziertes Fassadenelement (Firma Renggli AG, Holzbau in Schötz/CH)

Wohnobjekt in Therwil bei Basel, vor und...

...nach der Sanierung

Beim diesjährigen Treffen der Exekutiv Komitees der Internationalen Energieagentur (IEA) in Graz wurden Mitte Juni von internationalen Experten die Ergebnisse aus „30 Jahren IEA Energieforschung“ referiert. Als zweites großes und brandaktuelles Thema neben der Nutzung von Solarenergie im Wohnbereich wurde dabei die Erhöhung der Energieeffizienz von Gebäuden thematisiert. Das größte Potenzial zur Senkung des Energieverbrauchs liegt schließlich in der Modernisierung von Gebäudehüllen.

Insbesondere die thermische Sanierung von mehrgeschoßigen Wohngebäuden im urbanen Bereich, die aus den Nachkriegsjahrzehnten stammen, stellt dabei gegenwärtig eine große Herausforderung dar. Im Rahmen der Tagung berichtete Arch. Mark Zimmermann (Eidgenössische Materialprüfungs- und Forschungsanstalt – EMPA, ETH Zürich), der in seinem Forschungsprojekt (ECBCS Annex 50 Prefabricated Systems for Low Energy Renovation of Residential Buildings) an der Entwicklung von standardisierten Modulkonzepten (Fassadenteile, Dächer) für die Sanierung von Wohnhäusern arbeitet, wie diese Aufgabe dadurch nicht nur wesentlich erleichtert, sondern auch kostengünstiger gestalten werden kann.

GAT traf Arch. Mark Zimmermann zum Gespräch.

Warum gewinnt die thermische Sanierung derzeit so an Aktualität?

Ein wichtiger Grund sind die steigenden Energiekosten, aber auch die drastische „Überalterung“ ganzer Stadtteile erfordert die Erneuerung der Häuser, um zeitgemäßen Wohnkomfort zu gewährleisten. Die typischen mehrgeschoßigen Wohngebäude aus der Nachkriegsära – in allen mitteleuropäischen Städten in großer Zahl zu finden – mit ihrem unzeitgemäß hohen Energieverbrauch sind die Hauptzielgruppe für unsere Methode. Diese Gebäude bieten das Potenzial dafür, sinnvolle Gesamtkonzepte zum Einsatz zu bringen, die noch dazu sehr kostengünstig umgesetzt werden können. Dadurch werden Überraschungen minimiert, die sehr schnell zu einer unerfreulichen Explosion der Sanierungskosten führen können.

Worin liegen die Vorteile der modularen Sanierung aus vorgefertigten Fassadenteilen und Dächern?

Üblicherweise möchte ein Bauherr die Gebäudeerneuerung mit geringen Risiken in mehreren Etappen durchführen. Letztlich verteuert sich jedoch das Unterfangen aus dem genannten Grund oftmals deutlich, und für die ausführenden Firmen ist der Aufwand ebenfalls hoch, sodass diese Aufträge weniger interessant sein können. Nicht zuletzt sind längerfristige Einschränkungen des Wohnkomforts für die Mieter bzw. Bewohner eine unausweichliche Folge. Weil die gesamte Renovierung von außen mit vorgefertigten Modulen durchgeführt wird, können die Mieter auch während der Erneuerung im Objekt verbleiben und vermeiden dadurch zusätzliche Kosten für Übergangsquartiere.

Wo liegen Ihrer Ansicht nach die Herausforderungen bei der Sanierung im Altbau?

Es ist von vorneherein relativ einfacher, Verbesserungen der thermischen Effizienz im Neubau zu erforschen, weil technologische Durchbrüche dort sofort 1:1 umgesetzt werden können. Bei Altbauten ist das Herangehen viel problematischer, weil es vielerlei Schwierigkeiten technischer und auch gesetzlicher Natur zu beachten gilt. Daher kommen innovative Ansätze in diesem Bereich bislang oft zu kurz. Meine Aufgabe besteht darin, die Aufmerksamkeit der Professionalisten, die für die Durchführung von Sanierungen verantwortlich sind, auf jene Bereiche zu lenken, wo ich durch verschiedene Programme bereits sehr viel Erfahrung sammeln konnte. Man kann schließlich ohne die reibungslose Kooperation mit den ausführenden Firmen keine vernünftige Gebäudeerneuerung machen.

Wie können typisierte Module entwickelt werden, wenn jedes Haus andere Gegebenheiten aufweist?

Dazu haben wir an den Anfang der Prozesskette ein Laser-gestütztes Verfahren gestellt, das eine detaillierte dreidimensionale Vermessung eines Gebäudes ermöglicht, auf deren Grundlage wir verschiedene Gebäudegruppen, die für mittel- und nordeuropäische Städte übliche Bauformen repräsentieren, kategorisiert haben. Die aufgenommenen Daten dienen später als Grundlage für die maßgenaue Vorfabrikation und die Montage der erstellten Module. Für unter Denkmalschutz stehende Gebäude, die von innen heraus saniert werden müssen, ist dieses Modulverfahren natürlich nicht geeignet.

In welcher Form arbeiten Sie mit den Architekten zusammen und worin bestehen die von Ihnen angesprochenen gesetzlichen Hindernisse?

Ein entscheidender Vorteil unseres Systems ist, dass ein Planer nicht jedes Mal die ganze technische Detailarbeit machen muss. Die Freiheit der Gestaltung an der äußeren Oberfläche soll dem Architekten erhalten bleiben. Wir sind für die technischen Lösungen und den konstruktiven Aufbau hinter den Fassaden zuständig, z.B. die Lüftungssysteme, Materialien für die Dämmung etc. Die bestehenden Heizsysteme können ebenfalls weiterverwendet werden, werden dann jedoch im Niedrigtemperaturbereich betrieben.
Österreich ist zwar überdurchschnittlich aktiv bei der Förderung energieeffizienter Gebäude, aber es gibt Hindernisse auf gesetzlicher Ebene, weil die Mieter gegen Wert steigernde Maßnahmen – die letztlich zur Erhöhung der Miete führen – Einspruch erheben können, was die Umsetzung einer energetischen Gesamtsanierung deutlich erschweren kann.

Verfasser/in:
Josef Schiffer, Gespräch
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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