04/06/2012
04/06/2012

Am Podium (v.li): Bruno Sandbichler, Günter Sokol, Georg Pendl, Peter Huemer, Fritz Kittel, Georg W. Reinberg, Karl Friedl.

Resümee der Podiumsdiskussion des Ausschusses Nachhaltigkeit vom 31.5.2012 in Wien.

Unklare Briefings, ausgebeutete ArchitektInnen, überforderte JurorInnen: Für die einen sind Architekturwettbewerbe alles andere als probate Mittel für mehr Nachhaltigkeit beim Planen und Bauen. Andere meinen: Nur sie sind Garanten für die beste Idee und Lösung – und eine große Chance für junge Büros. Bei der zwölften Veranstaltung der Podiumsdiskussionsreihe der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten diskutierten Experten ein doppelt kontroverses Thema: Architekturwettbewerbe und Nachhaltigkeit.

Georg W. Reinberg, Mitglied des Nachhaltigkeits-Ausschusses der bAIK, sprach vielen ArchitektInnen aus der Seele, als er einleitend darstellte: „Architekturwettbewerbe funktionieren nicht, schon gar nicht im Kontext der Nachhaltigkeit.“ Schon jetzt seien sie für ArchitektInnen wirtschaftlich schwer zu verkraften; kommen die gesteigerten Anforderungen durch Nachhaltigkeitsauflagen hinzu, würden sie schlicht unfinanzierbar. Das Dilemma: Die Wettbewerbsverfahren selbst seien nicht nachhaltig: „Energie und Arbeit werden weggeworfen. Nachhaltige Architektur bedarf neuer Wettbewerbsverfahren.

Mehr Geld, mehr Zeit, mehr Respekt vor den Architekten gehören dazu.“ Dem konnte sich Bruno Sandbichler, Sprecher der IG Architektur, zum Teil anschließen. Er betonte, dass die Weichenstellungen für Nachhaltigkeit im Vorfeld gelegt würden, bei den Bauherren – durch den Standort, durchs Budget, durch die Art, wie Ziele definiert würden. Er nahm auch die Politik in die Pflicht: „Förderungen werden ohne Bindung an Qualitätskriterien vergeben. Und: Solange die Raumordnung über Gemeinderäte funktioniert, kann es ausreichen, den Bürgermeister zu kennen, um eine Umwidmung zu bekommen.“

Für Günther Sokol von der BIG sind Wettbewerbe nach wie vor „Garanten für die beste Idee und Lösung“. Und diese Lösung werde umso überzeugender, je genauer der Bauherr wisse, was er haben wolle – gerade beim nachhaltigen Bauen. Ein Wettbewerb, betonte Sokol, „ist kein Lieferauftrag. Es geht darum, einen Partner zu finden, mit dem man verhandeln kann.“ Im Übrigen würde die BIG die Wünsche ihrer Kunden realisieren. Also seien diese dafür zuständig, zu bestimmen, was sie wollten – und damit auch, wie nachhaltig sie sein wollten.

Was die Bauherrenverantwortung betrifft, wurde er von Karl Friedl bestätigt, Geschäftsführer der M.O.O.CON, einer Firma, die Strategieberatung für Bauherren leistet: „Die erste Qualität ist tatsächlich die Bestellqualität. Ein zweiter wesentlicher Aspekt ist die Veränderung weg vom Architekturwettbewerb hin zum Generalplaner-Wettbewerb. Gerade in Hinblick auf Nachhaltigkeit geht es um integrale Gesamtkonzepte.“

Fritz Kittel, Leiter der Immobilienabteilung der Wirtschaftsagentur Wien, warnte vor überfrachteten Briefings bei Wettbewerben: „Je mehr ökologische Ziele man da reinpackt, desto unrealistischer werden sie. Tatsächlich sollte es beim nachhaltigen Bauen darum gehen, einen Partner zu finden, mit dem man gemeinsam Ziele schärft und innovativ wird. Planungsverfahren sind lebendige Prozesse.“

Ein klares Bekenntnis für Architekturwettbewerbe kam vom bAIK-Präsidenten Georg Pendl. Sie seien ein qualitätsorientiertes ebenso wie ein projektorientiertes Vergabeverfahren. „Wettbewerbskultur gehört gepflegt. Dann sind Wettbewerbe ein Entree gerade für kleine und junge Büros.“ Das Thema Nachhaltigkeit müsse vor allem bei öffentlichen, also aus Steuergeldern finanzierten Ausschreibungen „transparent, nachvollziehbar, fair“ kommuniziert und bewertet werden.

Eckpfeiler statt Erbsenzählen
In Anbetracht des „Unzufriedenheitsgefälles“ am Podium fragte Peter Huemer nach: Ist es die Jury, an der Wettbewerbe kränkeln? Schließlich sind die Beurteilungskriterien im Bereich Nachhaltigkeit noch nicht ausreichend entwickelt. Ja, viele Juroren seien überfordert, denn beim nachhaltigen Bauen gehe es um eine grundlegend andere Art zu bauen (Reinberg). Nein, denn durch Nachhaltigkeit ändere sich nichts, so Pendl: „Bei
Wettbewerben sollte es darum gehen, Eckpfeiler zu definieren – und nicht ums Erbsenzählen, zum Beispiel mit sinnlosen Tabellen“. Dem stimmte Sandbichler zu: Ein zu enges Korsett bei Ausschreibungen schmälere den kreativen Gehalt und somit die Essenz architektonischer Leistung.

Allheilmittel Mehrstufigkeit?
Ein wiederkehrendes Thema, auch in der Diskussion mit dem Publikum, war der volkswirtschaftliche Schaden, der durch das „Arbeiten für den Mistkübel“ entstehe. Schließlich lohne sich der (durch Nachhaltigkeitsaspekte ohnehin steigende) Aufwand einer Wettbewerbsteilnahme nur für jeweils ein Büro. Allgemein favorisiert wurden zweistufige Verfahren, wobei Pendl gegen die Präqualifikation durch Referenzprojekte eintrat – auch das benachteilige die Jungen. Allgemein mehr Zeit für die Auseinandersetzung mit Wettbewerbsbeiträgen durch die Jury sowie mehrstufige Bearbeitungstiefen in der Vorprüfung wurden neben höheren Preisgeldern als wesentliche Faktoren hin zu einer besseren Wettbewerbskultur genannt – von der auch die Nachhaltigkeit profitiere.

Am Podium saßen:
_ DI Günther Sokol
BIG - Bundes Immobilien Gesellschaft, Leiter Planen und Bauen Österreich
_ Mag. Fritz Kittel
Wirtschaftsagentur Wien, Leiter Immobilienabteilung
_ Arch. DI Georg Pendl
Präsident Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten, bAIK
_ Arch. Mag. Bruno Sandbichler
Sprecher IG Architektur
_ Arch. DI Georg W. Reinberg
Mitglied des Nachhaltigkeits-Ausschusses der bAIK
_ Mag. Karl Friedl
Geschäftsführer M.O.O.CON, Bauherrenberatung

Moderation: Dr. Peter Huemer, Journalist und Historiker

Verfasser/in:
bAIK
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