30/03/2007
30/03/2007

Das Künstlerteam Hannes + Petruschka Vogel aus Mathon (CH) konnte den geladenen Wettbewerb für die Neugestaltung des Marienplatzes in Graz für sich entscheiden. Ausgelobt wurde das Verfahren vom Institut für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark in Kooperation mit der Stadt Graz.

Für die Juryentscheidung verantwortlich zeichnen u. a. Werner Fenz, Vorstand des Instituts für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Barbara Holub, Architektin, Markus Pernthaler, Architekt, Walter Titz, Redakteur und Mitglied des Fachbeirats für Kunst im öffentlichen Raum Steiermark, Vertreter der Stadtbaudirektion Graz und der Stadtplanung Graz. Als Berater des Preisgerichtes fungierte Landeskonservator Friedrich Bouvier.

Mit der Realisierung des Wettbewerbsentwurfs wird der weitgehend ungenutzte Marienplatz, der sich nicht als Platz zu erkennen gäbe, stünde auf ihm nicht ein mächtiger Baum, zur Fußgängerzone und zu einem Vorplatz für das Wohn-, Büro- und Geschäftshaus Rondo (Planung Arch. DI Markus Pernthaler), das im Sommer 2007 bezugsfertig sein wird.

In der Analyse des Ortes von Hannes + Petruschka Vogel ist zu lesen: Am Marienplatz, da war und ist noch der Mühlgang, an ihm standen die Mühlen, am Marienplatz zuletzt noch die Marienmühle. Vor 60 Jahren war die heutige Hans Resel-Gasse noch Teil der Mariengasse. Mit dem Bau der Keplerstraße entstand die Kreuzung Mariengasse/Keplerstraße, ein präziser Ort im Grazer Vorstadtgefüge. Drei Eckbauten bestimmten bis heute den Raum der Kreuzung, eine Ecke blieb offen, der Marienplatz. Wäre da nicht dieser mächtige Baum, hätten wir den kleinen Platz als Baulücke gelesen, als Ort für das fehlende Eckhaus an der Kreuzung. Mit dem Neubau Rondo, an Stelle der Marienmühle, ist eine neue Situation entstanden. Der Marienplatz erfährt eine Aufwertung, eine Erweiterung über die Mühlgasse hinweg bis ans Rondo, dessen starke Präsenz als die eines zurückgezogenen Eckbaus erscheint, der Marienplatz wird sein Vorplatz. Der Marienplatz ist nicht mehr die Insel zwischen Mühlgang, Strasse und zwei Gassen. Wir erleben den Platz vor allem als Fußgängerzone. Die Mühlgasse mündet jetzt auf den Platz, sie ist nicht mehr seine Begrenzung. Wir dürfen den Marienplatz nicht vom Wettbewerbs-Perimeter her beurteilen, nicht vom Straßenraum isoliert betrachten. Wir sehen ihn eingebettet in ein Stück städtischen Raum, der die tangierenden Keplerstraße und Hans Resel-Gasse mit einbezieht. Ein Stadtraum der von Haus zu Haus reicht, beim Rondo bis in die Eingangshalle. Und der mächtige Baum, der steht jetzt im Zentrum dieses Stadtraumes.

Die Entwurfsidee beschreiben die Künstler wie folgt: Wenn die Zebrastreifen die Zonen bezeichnen, in denen die Fußgänger die Straßen sicher überqueren können, dann müsste doch der Platz, der für die Fußgänger noch viel mehr ein schützender Ort bedeutet, auch als ein solcher bezeichnet werden. Unser Entwurf spricht die Sprache des Straßenraumes: ein paar Linien wie die Zebrastreifen, nur in einem ruhigeren, stilleren Rhythmus, und ein paar Lichtflecken wie Lichtsignale, nur sanfter und im Boden leuchtend. Von der Eingangshalle des Rondos rollen wir gleichsam einen Teppich aus, über den Vorplatz, über die Mühlgasse hinweg bis hin zur Keplerstraße. In diesen Teppich haben wir die Geschichte des Ortes in Jahr- und Jahrhundertzahlen eingewoben. Wir möchten die beiden Jahrzahlen an der Mariensäule nicht so einsam im Raum stehen lassen. Wir erleben also einen ruhigen, stillen Platz, ausgebreitet unter einem mächtigen Baum, ein paar grüne Flecken am Boden, ein Aufblühen wenn’s dunkel wird, und das auch dann, wenn der Baum im Winter kahl wird.
Und wie ein Geheimnis in diesem Blühen stehen die Zahlen wie Namen der Zeit.

Zur Mariensäule meinen Hannes + Petruschka Vogel: Die Mariensäule haben wir neu positioniert. Wir möchten sie nicht mehr missen, zu sehr haben wir sie im Laufe unserer Recherchen als Kronzeugin der Geschichte dieses Ortes erfahren.
Die ideale Zufahrt zum Marienplatz ist die Hans Resel-Gasse. Dort empfängt uns die Mariensäule. Sie bezeichnet den Treffpunkt vor dem Rondo. Sie steht hier an der Einbiegung zur Mühlgasse, die ihren Namen seit dem 18.Jh. trägt. Darauf verweist die entsprechende Jahrhundertzahl im Platzbelag. Die Mühlgasse, die ihren Namen von den Mühlen am Mühlgang hat, führt hinunter zum Lendplatz, zu einer zweiten, im gleichen Jahr wie die Mariensäule errichteten Pestsäule, die dort schon längst zum Treffpunkt geworden ist.
Am neuen Standort steht die Mariensäule vor dem Aufgang zum Rondo. Die Jahrzahl 1680 bezeichnet das Jahr ihrer ersten Errichtung vor dem ehemaligen Weisseneggerhof. Verlassen wir das Rondo, steht sie uns im Weg. Sie verhindert, dass die auf die Kreuzung gerichtete Rampe einfach in den Straßenraum ausleert. Wir möchten der Skulptur, wie oft im Barock, eine Blickrichtung zuordnen, den Blick zurück zum Ort ihrer ersten Errichtung am Ende der Gasse. Der Weisseneggerhof war damals im Besitz der Eggenberger. Dort wohnte auch der Bildhauer Andreas Marx, in dessen Art die Säule gearbeitet wurde. Auch hier im Rondo werden Künstler arbeiten.

Der Mühlgang bleibt durch eine künstlerische Intervention auf dem Platz präsent, das Team erklärt es so: Wie die grün leuchtenden Tafeln mit den Jahr- und Jahrhundertzahlen werden zwei romboidförmige Sichtfenster den Kontakt zum alten Mühlgang sicherstellen. Diese Sichtfenster sind mit einem Gitterrost gedeckt, und werden abends wie die Tafeln der Jahr- und Jahrhundertzahlen grün leuchtend auf sich und das beleuchtete Wasser
aufmerksam machen.

Details zur Neugestaltung des Marienplatzes
(Auszug aus der Projektbeschreibung von Hannes + Petruschka Vogel )

Blickrichtungen
Wenn wir über die Keplerstraße oder die Mariengasse die Kreuzung mit dem Marienplatz erreichen, haben wir zwei Richtungen, die uns ins Zentrum von Graz führen. Die eine folgt der Ausrichtung der Mariensäule, die andere folgt dem Blick zum Uhrturm. Diese Sichtverbindung gilt es frei zu spielen.

Materialien
Die Linien des Teppichs sind im Material edler als die Markierungen auf der Straße. Wir denken an einen hellen Granit. Das längste der 4o cm breiten Granitbänder ist ca. 24 m lang. Die 10 grünen, grob sandgestrahlten Leuchtelemente und die beiden Sichtfenster zum Mühlgang sind 160 x 40 cm.
Die Mariensäule ist ohne die große Bodenplatte versetzt.
Die 6 Betonbänke sind 200 x 50 cm und 45 cm hoch

Mühlgang
Wir möchten den Mühlgang auf dem Marienplatz weitgehend zudecken. Von der
Brücke der Keplerstraße aus sehen wir das Wasser des Mühlgangs zwischen den
mit Bäumen bestandenen Ufern kommen. Und auf der Gartenseite des Rondos
sehen wir das Wasser davongehen, hinüber in den öffentlichen Park. Dieses Kommen und Gehen hat in seinem landschaftlichen Kontext eine viel höhere Qualität als im Loch auf dem Platz wie bisher.

Straße
Der Kupferstich von Georg Mattheus Vischer, von 1681, zeigt die Mariensäule, ein Jahr nach ihrer Errichtung, im Straßenraum vor dem Weisseggerhof. Wir möchten sie wieder an die Strasse stellen, mit Blick auf ihren ersten Standort. Der als Teppich beschriebene Bereich auf dem Marienplatz braucht beidseitig eine neutrale Zone. Diese seitlichen Zonen sind mit jeweils drei feinen Betonbänken besetzt. Sie helfen mit, dass der Platz autofrei bleibt.

Beleuchtung
Am Tag nehmen wir vor allem die Materialien wahr: Natursteinlinien und die grünlichen Glasrhomboide. Nachts betont die Beleuchtung den Straßenraum. Der Marienplatz wird still. Die geheimnisvoll leuchtenden Rhomboide lassen den Platz erblühen und machen auf den Kontext des Ortes in den Jahr- und Jahrhundertzahlen und auf den Mühlgang aufmerksam.
Die Leuchtelemente sind mit grünen Led-Leuchten ausgerüstet. Das grüne Glas ist, die Zahlen ausgenommen, grob sandgestrahlt, damit man nicht rutscht. Gleichzeitig gibt das die hellgrüne Färbung, während die Zahlen dunkelgrün bleiben.
KONTAKT:
Hannes + Petruschka Vogel
Turmhaus 48 | CH-7433 Mathon
T +41 (0)81/661 13 41
vogelmathon@graubuendenkultur.ch

Verfasser/in:
Redaktion GAT Graz Architektur Täglich
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16. + 17.11.2023
 
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