09/06/2008
09/06/2008

Präsentation am 03.06.2008, im Rahmen von assembly Designfestival in Graz. Foto Emil Gruber

Ein Boulevard der Produktion für die Annenstraße in Graz?

Das Grazer Ortlos Space Engineering Team hat sich in den letzten drei Jahren intensiv mit der Reanimation der wohl am meisten diskutierten Straße in 8020 Graz beschäftigt. Ihre Therapievorschläge wurden nun im Rahmen des Design Festivals Assembly (30.06.-06.06.2008), im ehemaligen Medienkunstlabor des Grazer Kunsthauses vorgestellt.

Städte, die für die Zukunft gerüstet sein wollen, haben sich wie Unternehmer zu verhalten. Attraktivität zieht an, dies gilt auch im Wettbewerb um eine für den Wertschöpfungsprozess in der Wirtschaft immer mehr an Bedeutung gewinnende Arbeiterschaft, der kreativen Klasse.
Das Medikament zur sofortigen Verabreichung für ein problematisches Viertel wie die Annenstraße heißt Produktion statt Konsumation, weg vom Einkaufen hin zu einem Sammelbecken kreativer Unternehmer, die sich auf den wichtigsten Rohstoff des 21. Jahrhunderts konzentrieren: Information. Die Kopfarbeiter aus den Bereichen wie IT, Medien, Kunst, Bildung, Wissenschaft und Management, leben davon, eine kreative und eigenständige Leistung zu erbringen. Ihre Aufgabe ist die Erzeugung von Wissen. Meist als Kleinunternehmer oder Ich-AGs liegt ihre Stärke in globaler Vernetzung und in Ortsungebundenheit. Ihr Arbeitsplatz findet sich größtenteils im Netz. Der Anreiz dieser weltweit hoch mobilen Gruppe ist nicht mehr Geld allein, mindestens so entscheidend für eine Standortwahl sind technische Infrastrukturgegebenheiten und ein inspirierendes Umfeld. Eine Stadt, die keine entsprechenden Voraussetzungen dafür schafft und diesen Paradigmenwechsel verschläft, wird als Standort für Innovationen nicht groß reüssieren und im weltweiten Kampf um diese Brains und Talents ins Hintertreffen geraten. Das kostet im Hinblick auf Arbeitsplätze und Rendite.

Dass es sich bei dieser Überlegung nicht um Thesen alleine handelt, beweisen die Zahlen. In Deutschland hat das anteilige Bruttonationalprodukt der kreativen Klasse bereits das der gesamten chemischen Industrie erreicht, in Japan sogar das der Stahlindustrie und die Tendenz ist steigend. Städte wie Barcelona, Liverpool oder Hamburg investieren schon seit Jahren in Raumplanung, die ganz spezifisch als Lockruf für den Wissensarbeiter von heute gelten soll.

Die Ortlos-Idee für Graz ist ein CityLab, ein auf mixed reality basiertes Plug-In, das mit sehr reduzierten baulichen Maßnahmen rasch in leer stehende Geschäfte einer Stadt eingefügt werden kann. In unterschiedlichen Funktionen, von Werkstätte über Präsentations-, Simulations- bis Seminarraum, bietet es ein neues Domizil für die Wissens- und Kreativitätsindustrie und ist weltweit einsetzbar.

Ein Prototyp des CityLabs wird mit Ende des Jahres entwickelt und soll Anfang 2010 in Betrieb gehen. Auch das slowakische Kosice, das sich gerade als europäische Kulturhauptstadt 2013 bewirbt und Mailand haben schon ihr Interesse an diesem Plug-In bekundet.

Und wer schon jetzt in einem CityLab stehen möchte, der braucht sich nur ins Second Life einzuklinken. Dort gibt es auf der Ortlos-Insel schon einmal ein virtuelles Modell, mit einem Großteil der Annenstraße als begehbaren Boulevard als Zugabe.

Verfasser/in:
Emil Gruber, Bericht
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