05/03/2007
05/03/2007

...zur Diskussion über den Verzicht auf Fernflüge für den Klimaschutz.

Sehr geehrter Herr Bundesminister!

Ich habe in den gestrigen Printmedien mit großem Interesse Ihre Empfehlung zum „Verzicht auf Fernreisen“ der Umwelt zuliebe gelesen. Sie erwarten von mir Kritik? Mitnichten, ganz im Gegenteil! Ich danke Ihnen für diese klaren Worte zur rechten Zeit, gratuliere Ihnen herzlich zu Ihrem couragierten Auftritt als Spitzenpolitiker, und bitte Sie inständig, sich nicht durch mediales Geschrei in Ihrer klaren Linie beirren zu lassen.

Seit Jahren schon prangere ich in zahlreichen meiner Reden, insbesondere aus Anlass von stets gut besuchten Promotionen und Ehrungen, das Verhalten unserer Gesellschaft an und erlaube mir, Ihnen meine diesbezüglichen Aussagen ausschnittsweise bekannt zu geben:

„… Unsere Gesellschaft ist schon merkwürdig: sie bedient sich aller Vorteile der technischen Errungenschaften mit einer Selbstverständlichkeit, die ihresgleichen sucht, um all diese Errungenschaften im gleichen Atemzug auch wieder zu verdammen. Man unternimmt übers Wochenende einen vorweihnachtlichen Shoppingtrip nach New York und beklagt sich im Großraumjet im Smalltalk bei Kaviar und einem Glas Champagner über die Furcht erregenden Folgen des durch CO2-Ausstosses bedingten Klimawandels, der sich unter anderem durch ein rapides Abschmelzen der polaren Eismassen und Gletscher manifestiert.

Ist Ihnen eigentlich bewusst, dass jeder einzelne Passagier bei diesem völlig sinnlosen transatlantischen Shoppingtrip etwa gleich viel fossilen Treibstoff verbraucht und damit CO2 produziert wie ein durchschnittlich genutzter Pkw über das ganze Jahr hinweg? Vergnügungen dieser Art sind meines Dafürhaltens wohl der Inbegriff des Schwachsinns einer dekadenten Gesellschaft. Oder will man gar um das Geld, das man nicht hat, das kaufen, was man nicht braucht, um den zu beeindrucken, den man nicht mag?...“

Ich jedenfalls kann Ihnen versichern, in meiner derzeitigen Funktion als Rektor der Technischen Universität Graz nicht müde zu werden, die Dinge beim Namen zu nennen und auf gesellschaftliche Entgleisungen dieser Art hinzuweisen, auch auf die Gefahr hin, von unserer Freizeit- und Spaßgesellschaft verdammt zu werden.

Mit vorzüglicher Hochachtung und den besten Grüßen,
Ihr
Hans Sünkel
Rektor der TU Graz

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