14/02/2007
14/02/2007

Offener Brief an
Herrn Stadtrat Werner Miedl

Rathaus
Hauptplatz 1, 8010 Graz

Graz, am 12.02.2007

Sehr geehrter Herr Stadtrat!

Am 1. Februar haben Sie ein neues, Ihnen für Graz wesentlich erscheinendes Projekt der Presse vorgestellt: das „Musicalfestival Graz“, das Sie 2007 mit EUR 100.000 aus dem Kulturbudget der Stadt Graz finanzieren werden und dessen Planung abgeschlossen ist. Nach dieser Presse-Information wurden die Mitglieder des Grazer Kulturbeirates durch ein Rundmail von diesem Vorhaben erstmals in Kenntnis gesetzt, verbunden mit der Aufforderung, der Kulturbeirat möge zu diesem Projekt Stellung nehmen. Aus Ihrer Mitteilung und aus dem Umstand, dass Sie uns das Projekt – wenn auch völlig zur Unzeit – zur Stellungnahme vorgelegt haben, geht eindeutig hervor, dass es sich um ein Projekt handelt, für das die „Geschäftsordnung für den Grazer Kulturbeirat“ (§2, Aufgaben) eine Beratung des Stadtrats durch den Beirat vorsieht.

Im Kulturbeirat herrscht nun darüber Konsens, dass Sie durch Ihre Vorgangsweise: die Umgehung des Beirats in einer Sache, in der seine Einbindung durch die Geschäftsordnung vorgesehen gewesen wäre, die Tätigkeit des Beirates ausgesetzt haben. Ihre Begründung von Notwendigkeit zur Geheimhaltung etc. ist lächerlich wenn nicht sogar beleidigend. Unser Eindruck, auch aus vorhergegangenen Verhaltensweisen, hat sich verstärkt, dass Sie den Kulturbeirat nicht nach dem Sinn der Geschäftsordnung verwenden, sondern als Instrument, das Sie je nach Laune einspannen können oder auch nicht. Eine solche Instrumentalisierung des Beirats entspricht nicht unserem Verständnis demokratischer Prozesse, und dafür geben wir uns nicht her.

Wir setzen Sie daher in Kenntnis, dass der Kulturbeirat seinerseits bis auf weiteres seine Tätigkeit als ausgesetzt betrachtet und insbesondere keine weiteren Schritte zur Durchführung des Grazer Kulturdialogs unternehmen wird. Wir stehen nicht dafür zur Verfügung, einer breiteren kulturellen Öffentlichkeit eine demokratische Struktur, die in der Tat nicht besteht, weil sie von Ihnen nicht wahrgenommen wird, vorzuspielen.

Wir bedauern ausdrücklich das damit in grobe Mitleidenschaft gezogene kulturpolitische Klima in der "Kulturhauptstadt Graz" und die empfindliche Verletzung des Vertrauens in die Grazer Kulturpolitik, die dieses Ihr Vorgehen ausgelöst hat.

Die Mitglieder des Kulturbeirats der Stadt Graz

Verfasser/in:
Kulturbeirat der Stadt Graz
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