05/03/2007
05/03/2007

Der wirkliche Werner Reiterer, Peter Pakesch und Sigi (2006) (v.l.)

The Last Heartbeat Before Dying Frozen as a Loop (2006)

Anfänge der Raumfahrt (2004)

The Universal Measuring Tape (2006)

The Ku Klux Klan Monument, (2006/07)

Mit „Auge lutscht Welt“ zeigt das Kunsthaus Graz erstmals eine Personale zum Werk eines aus Graz stammenden Künstlers, für dessen internationale Beachtung inzwischen eine Reihe von Ausstellungen und Ausstellungsbeteiligungen sprechen.
Seinen Umgang mit der Skulptur, die in Erweiterung des Begriffs über das Konzeptuelle inzwischen bis zum Gedankenkonstrukt interpretiert werden kann, führt Werner Reiterer in einer Reihe von deutlich narrativ geprägten Objekten und Installationen vor. Dabei befleißigt er sich einer auf den ersten Blick durchaus traditionell anmutenden Arbeitsweise – über die Zeichnung in die plastische Ausführung. Gegenüber dem historischen Medium der Bildhauerzeichnung reichen Reiterers Vorarbeiten aber weit über den Entwurf hinaus in den Status autonomer Grafiken, denen die Nähe zum Cartoon allerdings auch nicht abzusprechen ist. Inhalt der Zeichnungen sind absurde oder surreale Versuchsanordnungen, die oft in eine tragische Komik münden, wenn etwa der letzte Herzschlag vor dem Tod als endlos wiederholt beschrieben wird. Ein Gedankenspiel, das als Aporie in einen Zwischenbereich von Wirklichkeit und Imagination führt. Als bewegte Plastik und Abbild des Künstlers liegt dazu eine lebensgroße Figur auf dem Boden, deren „Herz“ sichtbar schlägt.

Durchwegs sind es plastische Abbilder Reiterers selbst, die er den allen physikalischen Voraussetzungen respektive jedweder Vernunft entgegnenden Torturen aussetzt und damit auf ein kulturgeschichtlich Effigie genanntes Phänomen des Ersatz- oder Stellvertreterkörpers stößt. Der Künstler bleibt auch in Exekution des Gedankenkonstrukts bei sich selbst, wenn aus einem Ohr des gefährlich geröteten Kopfes schon heißer Dampf austritt, weil der restliche Körper in einer Badewanne mit siedend heißem Wasser liegen muss. Dass diese Installation von einem peinlichen Missverständnis handelt, klärt der Titel auf: „I thought it’s an idea but it’s my brain“. Der Kategorie Jufo (Jugend forscht) dagegen ist „Anfänge der Raumfahrt“ zuzuordnen. Wenn Helium leichter als Luft ist, müsste es doch genügen, genug davon einzuatmen, um an die Decke schweben zu können.

Eine arme, arm- und beinlose Reiterer-Figur liegt in einem Krankenbett, über Elektroden an ein EKG-Gerät angeschlossen. Besucher können sich über ein Hörgerät eine ziemlich „kranke“ Geschichte anhören, die offenbar direkt aus dem Kopf der Figur stammt. Werner Reiterer bedient sich hier ausdrücklich eines Stellvertreter-Körpers, nachdem er selbst, wie er während der Pressevorschau erklärte, solche Gedanken als eigene niemals vor einer Öffentlichkeit verantworten wollte.
Durch eine handschriftliche Aufforderung – ein Zettel an der Wand – ist das Publikum angehalten, aktiv, nämlich durch lautes Schreien, einzugreifen. Darauf reagiert scheinbar gleich das ganze Haus mit kurzzeitiger Beleuchtungsstörung und heftigen Atemgeräuschen.

Schließlich, und zur Kalmierung der jüngsten Diskussion um das Haus und die Ausstellungsgestaltungen, sei hier noch festgehalten, dass „Auge lutscht Welt“ mit aufschlussreichen Textaffichierungen versehen ist, zur Vertiefung für interessierte Besucher aber auch ein Katalog aufgelegt wurde. Am 18. März führt Werner Reiterer im Rahmen von „aktuelle kunst in graz“ ab 11.00 Uhr durch die Schau. Stephan Berg hält am 3. Mai um 19.00 Uhr einen Vortrag im Space02 unter dem Titel „Werner Reiterer und der imaginäre Wirkungsgrad“.

Zu sehen ist „Auge lutscht Welt“ von Werner Reiterer bis zum 13. Mai 2007.

Kunsthaus Graz
Lendkai 1, 8020 Graz
Öffnungszeiten:
Di-So 10.00-18.00 Uhr
Do bis 20.00 Uhr

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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