26/09/2015

Die Bilanz.

Die Intendanz von Peter Pakesch begann 2003. Sie endet vorbehaltlich der Zustimmung des Landes Steiermark und der Stadt Graz am 30. September 2015.

Das 1811 von Erzherzog Johann gegründete Joanneum umfasst heute 12 Standorte in der ganzen Steiermark mit rund 450 Mitarbeitern.

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Der gebürtige Grazer Peter Pakesch verlässt seine Wirkungsstätte und wechselt in den Stiftungsvorstand der Maria-Lassnig-Stiftung in Wien.

26/09/2015

Joanneumsviertel Graz, Fertigstellung 2011

Architektur: Arge Nieto Sobejano Arquitectos/ eep architekten ©: Roland Halbe

Joanneumsviertel Graz, Fertigstellung 2011

©: N. Lackner

Peter Pakesch mit Michelangelo Pistoletto, 2012, anlässlich der Ausstellung 'Michelangelo Pistoletto. Selbstporträts, Spiegel, Minus-Objekte.'

©: UMJ / N. Lackner

Michelangelo Pistoletto, Katrin Bucher Trantow und Peter Pakesch, 2012, anlässlich der Ausstellung 'Cittadellarte'.

©: UMJ / N. Lackner

Cittadellarte, Ausstellung 2012

©: UMJ / N. Lackner

Cittadellarte, Ausstellung 2012

©: UMJ / N. Lackner

Maria Lassnig, Kleines Sciencefiction-Selbstporträt, 1995

©: UMJ / N. Lackner

Maria Lassnig Personale, Ausstellungsansicht 2012

©: UMJ / N. Lackner

Mit Ende September 2015 endet die Ära von Peter Pakesch als Intendant des Universalmuseum Joanneum. Gemeinsam mit Wolfgang Muchitsch konnte er diese Institution seit 2003 von Grund auf neu aufstellen.
Die Bilanz 2003–2015 in Zahlen: 347 Ausstellungen mit ingesamt mehr als 6,5 Millionen Besucherinnen und Besuchern, 171.427 neue Sammlungsobjekte, rund 700 durchgeführte wissenschaftliche Projekte und knapp 900 Publikationen. Darüber hinaus führte man professionelle und für Österreich beispielgebende Strukturen im gesamten Managementbereich ein, installierte mit der Museumsakademie eine im deutschsprachigen Raum einzigartige Ausbildungsstätte im museologischen Bereich und setzte neue Maßstäbe in der Kunst- und Kulturvermittlung.

„Zusammen mit Wolfgang Muchitsch konnte ich seit 2003 im Joanneum Grundsätzliches bewirken. Dieses Museum, das in den Jahren zuvor wenig öffentliche Präsenz hatte, war von Grund auf zu sanieren, seine Sammlungen waren neu aufzustellen und die Institution in allen Bereichen zukunftsfit zu machen. Dadurch zählen wir heute zu einer der bedeutendsten Museumsinstitutionen in Mitteleuropa. Außerdem etablierten wir mit dem Kunsthaus Graz einen der wichtigsten Präsentationsorte für Gegenwartskunst in der Mitte Europas“, so Peter Pakesch.
 
Wolfgang Muchitsch bedauert den Abgang von Peter Pakesch, mit dem eine 13-jährige sehr gute und freundschaftliche Zusammenarbeit in der Geschäftsführung zu Ende gehen wird, „in der wir als Team das Joanneum zum größten Universalmuseum Mitteleuropas gemacht haben.“ Die Herausforderung für die Zukunft wird es nun sein, Strategien zu entwickeln, die es dem Joanneum und allen seinen Abteilungen ermöglichen, den hohen Standard und die große Bandbreite im Ausstellungs-, Forschungs- und Sammlungsbereich aufrechtzuerhalten. „Durch die große Kompetenz und das hohe Engagement unseres gesamten Teams wird es möglich sein, auch die Herausforderungen der nächsten Zeit sehr gut zu meistern.“

Vom Landesmuseum zum internationalen Vorzeigemodell in nur wenigen Jahren
2003 wurde das Joanneum aus der steirischen Landesverwaltung in eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung ausgegliedert. Im selben Jahr wurden Peter Pakesch und Wolfgang Muchitsch mit der Leitung des ältesten Museums Österreichs betraut. Die beiden Geschäftsführer sorgten sogleich für eine Professionalisierung des Museumsbetriebs auf allen Ebenen: Professionelle Strukturen in der Verwaltung, im Personalmanagement, aber vor allem in den musealen Kernaufgaben des Sammelns, Bewahrens, Forschens sowie des Ausstellens wurden aufgebaut und die vormalige Landesdienststelle in ein modernes Unternehmen umgewandelt. In einem sowohl national als auch international einzigartigen Erneuerungs- und Neuaufstellungsprozess der Sammlungen und Museumsstandorte gelang es, das Joanneum zu einem der attraktivsten und modernsten Universalmuseen des 21. Jahrhunderts zu machen. Dies beweist allein die Tatsache, dass viele Museen aus dem In- und Ausland sich in Fragen der Neuaufstellung und der Entwicklung von Konzepten an das Joanneum wandten und der steirische Weg in der Fachwelt immer wieder als „Vorzeigemodell für erfolgreiches Change Management herangezogen wird“, wie Wolfgang Muchitsch betont.

Attraktivierung der Ausstellungsbereiche und zeitgemäße Präsentation
Mit der Neuaufstellung und Wiedereröffnung des Volkskundemuseums im Jahr 2003 begann eine beispiellose Sanierungswelle der joanneischen Sammlungen, die mit der Eröffnung des Joanneumsviertels 2011 ihren Höhepunkt erlebte und mit der Neupräsentation des Naturkundemuseums 2013 erfolgreich abgeschlossen wurde. Die nachfolgende Auflistung der Meilensteine verdeutlicht diesen beindruckenden Kraftakt:

2003
• Eröffnung des Kunsthauses Graz
• Neuaufstellung des Volkskundemuseums
 
2004
• Eröffnung des Planetengartens im Park von Schloss Eggenberg
• Neuaufstellung der provinzialrömischen Sammlung mit der Eröffnung des Lapidariums im Park von Schloss Eggenberg und des Museumspavillons Flavia Solva
 
2005
• Gründung der Museumsakademie Joanneum
• Übersiedelung und Neuaufstellung der Alten Galerie nach Schloss Eggenberg
• Sanierung des Herrschaftsgartls im Park von Schloss Eggenberg
• Sanierung und Adaptierung der gesamten Verwaltungsräume der Alten Galerie
 
2006
• Fertigstellung der Wechselausstellungsräume im Schloss Eggenberg
• Eröffnung des Jagdmuseums Schloss Stainz
• Sanierung und Optimierung der Depotflächen im Schloss Trautenfels
 
2007
• Übernahme des Österreichischen Skulpturenparks und erste infrastrukturelle Maßnahme in der Parkanlage • Neuaufstellung der Münzensammlung und Eröffnung des Münzkabinetts
• Schaffung des Verwaltungszentrums in der Mariahilferstraße 2–4
 
2008
• Neugestaltung der volkskundlichen Schausammlung
 
2009
• Neuaufstellung der archäologischen Sammlung und Eröffnung des Archäologiemuseums
• Neuaufstellung des Landwirtschaftsmuseums Schloss Stainz
• Inbetriebnahme des Studien- und Sammlungszentrums Andritz und weitere Depotoptimierungen
• Neuer Außenauftritt: Umbenennung in „Universalmuseum Joanneum“ und Schaffung eines vollkommen neuen Corporate Designs
 
2010
• Spatenstich für den Bau des Joanneumsviertels
 
2011
• Neuaufstellung der Kulturhistorischen Sammlung, Eröffnung des Museums im Palais
• Eröffnung des Joanneumsviertels inkl. der Neuen Galerie Graz, des BRUSEUMs und der Multimedialen Sammlungen
 
2012
• Neugestaltung des Römermuseums Flavia Solva
 
2013
• Neuaufstellung der naturkundlichen Sammlungen und Eröffnung des Naturkundemuseums im Joanneumsviertel
• Neugestaltung der Kanonenhalle im Landeszeughaus
• Übersiedelung der Bestände der Multimedialen Sammlungen in ein Klimadepot mit modernsten Standards • Aufnahme des Rosegger-Geburtshauses (Alpl) und -Museums (Krieglach) in den Joanneums-Verband.

Qualitätssteigerung in der Sammlungsphilosophie und -betreuung
Auf Betreiben der beiden Geschäftsführer wurde ab 2003 an spezifischen Sammlungskonzepten gearbeitet. Der Prozess mündete 2014 in der für Österreich einzigartigen Veröffentlichung der Allgemeinen Sammlungsrichtlinien, die den Sammlungsaufbau transparent und nachvollziehbar machen und die hohe Qualität im Sammlungsbestand gewährleisten. Da man quer durch alle Sammlungen über umfassende und qualitativ hochwertige Objektbestände verfügt, ist das Joanneum nicht vollständig abhängig von der Dynamik des internationalen Kanons von sogenannten „Blockbuster“- Ausstellungen, die einen kostspieligen Leihverkehr verursachen. Die von Pakesch und Muchitsch erfolgreich umgesetzte Strategie, die eigenen Sammlungen neu aufzustellen und stärker in den Vordergrund zu rücken, hat sich gerade in den wirtschaftlichen Krisensituationen der letzten Jahre besonders bewährt. Zudem ist es gelungen, die einzelnen Museumsstandorte und Sammlungen bei verschiedenen Projekten interdisziplinär zu verschränken, wie zuletzt beispielsweise beim Landschaftsschwerpunkt. Dieses Zusammenspiel der unterschiedlichen Abteilungen stärkte nicht zuletzt die Gesamtidentität des Joanneums.

Insgesamt wurden seit 2003 171.427 Objekte in die Sammlungen des Universalmuseums Joanneum aufgenommen. Dazu zählen auch viele Werke, die das Joanneum nicht zuletzt aufgrund des Vertrauensverhältnisses zwischen Peter Pakesch und bedeutenden Kunstgrößen als Geschenk erhielt. Beispielhaft zu nennen sind:
 
• ein großer Block von Medienarbeiten von Richard Kriesche (2013),
 
• die gesamte Serie des Fotozyklus Das Land von Manfred Willmann (2012),
 
• fünf bedeutende Werke als Schenkung von Maria Lassnig, die die Künstlerin 2013 in Anerkennung der Anstrengungen zur Lassnig-Retrospektive in der Neuen Galerie Graz und den damit verbundenen Arbeiten zum Werkverzeichnis sowie aufgrund ihrer langjährigen Zusammenarbeit mit Peter Pakesch dem Joanneum anvertraute – die größte Schenkung, die Lassnig je einem Museum übergab.
 
• Zusammen mit den Bundesmuseen Albertina und Belvedere wurde auch die Neue Galerie Graz mit 47 Werken aus der bedeutenden Sammlung Ploner bedacht (2014),
 
• und last but not least konnte auch der künstlerische (2008) und literarische (2009) Vorlass von Günter Brus für das Universalmuseum Joanneum gesichert werden.

Bedeutende Schenkungen
Kunstschaffende und Privatpersonen haben dem Universalmuseum Joanneum bedeutende Schenkungen übergeben, darunter Werke von Ai Weiwei, John Baldessari, Herbert Brandl, Pedro Cabrita Reis, Michael Kienzer, Peter Kogler, Sharon Lockhart, Werner Reiterer, Otto Zitko, Heimo Zobernig und anderen.

Weltweites Netzwerk an Partnerinstitutionen aufgebaut
Während Peter Pakeschs Zeit als Intendant des Joanneums und als Leiter des Kunsthauses Graz wurden zahlreiche Ausstellungsprojekte realisiert, die die Zusammenarbeit und den Austausch mit internationalen Museen und Kulturbetrieben ermöglichten bzw. stärkten. Dank dieser Beziehungen ist es gelungen, das Universalmuseum Joanneum im Allgemeinen und das Kunsthaus Graz im Speziellen in der internationalen Museumslandschaft als innovatives Ausstellungshaus zu positionieren.

Eine exemplarische Auflistung verdeutlicht die weltweite Vernetzung:

• Hirshhorn Museum, Washington (Damage Control, 2014, Kunsthaus Graz)
• Mudam Luxembourg (Damage Control, 2014, Kunsthaus Graz)
• Museum Tinguely, Basel (Roboterträume, 2010, Kunsthaus Graz; Bewegliche Teile, 2004, Kunsthaus Graz) • Museum Ludwig, Köln (Franz West. Autotheater, Köln – Neapel – Graz, 2010, Kunsthaus Graz)
• MADRE, Neapel (Franz West. Autotheater, Köln – Neapel – Graz, 2010, Kunsthaus Graz)
• Fotomuseum Winterthur (Ai Weiwei. Interlacing, 2011)
• Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien (Anti/Form, 2011, Kunsthaus Graz)
• Muzeum Sztuki, Łódź (Förderungspreis des Landes Steiermark für zeitgenössische bildende Kunst, 2013, Kunsthaus Graz)
• Akademie der Künste, Berlin (Kultur:Stadt, 2013, Kunsthaus Graz)
• Museo Nacional Centro de Arte Reina Sofía, Madrid (Heimo Zobernig, 2013, Kunsthaus Graz)
• Vitra Design Museum, Weil am Rhein (Living in Motion, 2004, Kunsthaus Graz; Joe Colombo, 2008, Kunsthaus Graz)
• La Triennale di Milano (Joe Colombo, 2008, Kunsthaus Graz)
• Thyssen-Bornemisza Art Contemporary (Sammlung als Aleph, 2008, Kunsthaus Graz)
• Van Abbemuseum, Eindhoven (El Lissitzky – Ilya und Emilia Kabakov, 2014, Kunsthaus Graz)
• Museum of Natural History, London (Diana Thater. Gorillagorillagorilla, 2009)
• Kunstmuseum Liechtenstein (André Thomkins, 2014, BRUSEUM)
• Muzej suvremene umjetnosti, Zagreb (Hubert Hoffmann, 2015, Neue Galerie Graz)

Museumsnetzwerk Translocal
Auch das Museumsnetzwerk Translocal resultiert aus dem Ziel, das vernetzte Arbeiten im Universalmuseum Joanneum weiter voranzutreiben und so auch zukünftig in einer gemeinsamen Kraftanstrengung mit anderen Institutionen Ausstellungen zu realisieren, die aufgrund der finanziellen Gegebenheiten sonst nicht zustande kämen. In diesem europäischen Netzwerk werden in Zukunft über 10 mittelgroße Museen moderner und zeitgenössischer Kunst in ganz Europa kooperieren. Ein erstes, mit Mitteln der Europäischen Union gefördertes Projekt ist Museum As Toolbox, das das Muzej suvremene umjetnosti in Zagreb, das Museum Sztuki in Lodz, das KUMA in Tallin, das Museion in Bozen und das Kunsthaus Graz zu einer zweijährigen Recherche im Verhältnis von Ausstellung, Vermittlung und Öffentlichkeit verbinden wird.

Internationale Kunst der Gegenwart
In der Ära Pakesch konnten zahlreiche Ikonen der Gegenwartskunst nach Graz geholt werden: Bedeutende internationale Positionen wie John Baldessari, James Benning, Ilya Kabakov, Mike Kelley, Joseph Kosuth, Sol LeWitt, Michel Majerus, Albert Oehlen, Michelangelo Pistoletto oder Ai Weiwei folgten der Einladung des scheidenden Joanneums-Intendanten genauso gern wie die österreichischen Aushängeschilder Michael Kienzer, Maria Lassnig, Elfie Semotan, Werner Reiterer, Franz West, Heimo Zobernig und viele mehr. Auch bei der Präsentation von Werken der jüngeren Generationen traf Peter Pakesch den Puls der Zeit: Arbeiten von Berlinde De Bruyckere, Katharina Grosse, Angelika Loderer, Esther Stocker, Diana Thater, Liu Xiaodong, und vielen anderen waren im Kunsthaus Graz zu sehen, ehe sie von den großen internationalen Häusern entdeckt wurden.

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