13/06/2007
13/06/2007

Startbild zum Thema Planen und Bauen im ländlichen Raum

Moderation durch Prof. Gangoly, rechts dahinter Architektin Bogensberger, links DI Kanhäuser als Vertreter der Kooperationspartner dieser Veranstaltung.

Prof. Loenhart, Vortrag 1

Prof. Rieß, Vortrag 2

Prof. Reichenbach-Klinke, Vortrag 3

Dr. Wieshaider, Vortrag 4. Fotos: kw

Österreichwerbung - künstliches Landschaftsbild

Drei Institutionen aus Lehre, Politik und Standesvertretung haben sich zusammengefunden, um sich dem Thema Planen und Bauen im ländlichen Raum zu widmen.

Die TU Graz, vertreten durch die Institute für Gebäudelehre (Univ. Prof. Arch. DI Hans Gangoly) und Architektur und Landschaft (Univ. Prof. DI Klaus K.Loenhart), das Land Steiermark, vertreten durch die Fachabteilung 17B - Referat Hochbau und Baugestaltung (DI Georg Kanhäuser) und die Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten, vertreten durch ihre Präsidentin (Arch. DI Ulrike Bogensberger), fanden sich am 4. Juni 2007 an der TU Graz zu einer Kooperationsveranstaltung zusammen. Aufgrund vielfacher problematischer Entwicklungen in der Steiermark von der Raumordnung, dem Umgang mit Kulturlandschaften, der Baugestaltung bis zur historischen Bausubstanz, erscheint es notwendig, in Lehre und Praxis intensivere Anstrengungen zur Bewusstseinsbildung und Sensibilisierung für das Thema Planen und Bauen im ländlichen Raum zu unternehmen.

Im ersten Referat von Prof. Loenhart „Landschaftsstrategien im baulichen Prozess“ wird auf den Begriff Landschaft und einen neuen Umgang mit ihr eingegangen. Um 1830 erstmals geprägt, war mit Landschaft nicht Natur, sondern die agrarische Kulturlandschaft gemeint. In englischen Salons hingegen wurde ein Landschaftsbild entworfen, das in die Landschaft übertragen wurde und unser – künstliches - Bild von Landschaft weitgehend geprägt hat. Heute sei diese Idealisierung von landschaftlichen Räumen mit Skepsis zu betrachten, denn Natur und Kultur kämen einander wesentlich näher und stellen zusammen etwas dar, was mit einem dynamischen System von Menschen gemachter Räume bezeichnet werden könne, wobei sich das prinzipielle Gegensatzpaar Natur und Kultur auflöst und Landschaft als aktiver Teil der Kultur gesehen werden könne („Active-agent“), so Loenhart. Als Beispiele für dieses Landschaftsverständnis führt Loenhart die Projekte „Surrender“ von OMA für eine französische Vorstadt und „Habitat.1“ von Tischer, Hölzl, Metrogramma für Bozen an, die den Weg des landschaftsbezogenen Planens unter besonderer Berücksichtigung der individuellen Landschaftsform verdeutlichen.

Univ. Prof. Hubert Rieß beschäftigt sich in seinem Vortrag „Neue Siedlerbewegung“ anhand mehrerer eigener Beispiele mit Wohn- und Freiraumqualitäten und ortet fehlende Planungsinstrumente für den zu bebauenden Raum. „Wir bebauen zwar hemmungslos das ererbte Land, vergessen aber gerne auf qualitätsvolle Freiraumplanung“, sagt Rieß und fordert sie bei Bebauungsvorhaben verpflichtend ein. Er vergisst aber auch nicht, auf Förderpraktiken hinzuweisen, die so nicht stattfinden dürften, wenn Maßstab und Qualitäten ganzer Orte und Landschaften zerstört werden. Sein Ausflug in Klassiker des frühen Städtebaus („Townplaning in practice“, von Unwin, dem Beispiel Hampstead, und jene der frühen Siedlerbewegung) wirft die Frage auf, ob denn die Erkenntnisse der Vorgänger völlig an uns vorbeigegangen seien. Das Beispiel des Großraums Graz – Süd mit seinen unscharfen Übergängen zeigt die Problematik der Abgrenzung von Räumen und ihrer Betrachtungsweise, ist von Ratlosigkeit in der Flurteilung und ungesicherten Landschaftsräumen gekennzeichnet und stellt eine große Herausforderung für die Zukunft dar.

Nach der Pause beleuchtet Univ. Prof. Reichenbach-Klinke das Thema „Neue Kulturlandschaften“. Er sieht eine große Gefahr für Stadt und Land darin, dass die Räume sich immer mehr angleichen und „Zwischenstädte“ entstehen, denen die verantwortlichen Landesbehörden und die Architekten, als Anwälte der Räume, relativ hilflos gegenüber stehen. Jedoch würde die Methode des reinen Abgrenzens, bei der keiner genau sagen kann, wo er dazugehören will, nicht weiterhelfen. Im Gegenteil, sollte man sich von dieser konventionellen Betrachtungsweise verabschieden und am System der fluktuierenden offenen Räume orientieren. Typisch dafür ist die „Bandstadt“ Rheintal in Vorarlberg, wo Urbanität nicht existiert und jetzt städtebaulich räumlich nachjustiert wird, indem ein Prozess der gegenseitigen Annäherung mit dem Ziel einer gemeinsamen Haltung zu den Problembereichen in Gang gekommen ist. Anderswo entwickelt sich ein Neuaufbruch, der z.B. in St. Anton über die Verlegung der Bahntrasse zu einer totalen Umstrukturierung des städtischen Raumes und einer neuen Baukultur führt. In zersiedelten Landschaften, wie z.B. im Münchner Osten, können Freiraumkorridore den Raum neu strukturieren. Wie man mit Ortsräumen umgehen kann, in denen landwirtschaftliche Gebäude leer stehen, zeigt das Beispiel Erding, wo eine Innenentwicklung, also eine Umnutzung der Gebäude versucht wird und keine Neubaugebiete erschlossen werden müssen. Der Entwicklungsplan einer Kleinstadt, die von der Entvölkerung bedroht ist, geht davon aus, dass sich die Stadt mit dem Umland zu einer Kreislaufwirtschaft vernetzt, von der beide profitieren und gestärkt hervorgehen.

Im letzten Vortrag der Tagung referiert der Jurist Dr. Wieshaider über „Erhaltung alter Bausubstanz im Rahmen modernen Baurechtes“. Landschaft wird im Steiermärkischen Baurecht ausdrücklich behandelt und ist speziell im Straßen- und Ortsbild zu berücksichtigen, dem wiederum die Bauausführung gerecht werden muss, wobei hier auf Denkmale und hervorragende Bauwerke im Sinne des Denkmalrechtes Rücksicht zu nehmen ist. Diese Bezugnahme des Landesrechts auf das Bundesrecht findet man auch im Straßenbaurecht bei der Wahrung des Landes- und Ortsbildes im Einvernehmen mit dem BDA und im Elektrizitätswirtschaftsgesetz bei der Einhaltung der Erfordernisse der Landeskultur. Zum Schutz der Bausubstanz kann auf diese vernetzte Rechtsmaterie zurückgegriffen werden. Interessant ist, dass im Falle der Ignorierung von Kompetenzen einer Behörde durch eine andere, z.B. Bund wird von Gemeinde ignoriert, sich die Gemeinde rechtswidrig verhält.

Der Moderator, Univ.Prof. Arch. DI Hans Gangoly bedankt sich bei den Vortragenden und betont, dass das Thema am Köcheln gehalten wird und in die Regionen hinaus getragen werden soll.

An Informationen und Eindrücken bereichert, findet die Diskussion unter Vortragenden und Zuhörern im Foyer der TU Graz ihre Fortsetzung.

Kooperationsveranstaltung von:
- Land Steiermark Fachabteilung 17B - Referat Hochbau und Baugestaltung (DI Georg Kanhäuser)
- Kammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten für Steiermark und Kärnten (Arch. DI Ulrike Bogensberger)
- Technische Universität Graz: Institute für Gebäudelehre (Univ.-Prof. Arch. DI Hans Gangoly) und Architektur und Landschaft (Univ.-Prof. DI Klaus K.Loenhart).

TU Graz, Hörsaal II, Tiefparterre, Rechbauerstraße 12, 8010 Graz
04. 06. 2007, 14.00 bis 19,00 Uhr.

Verfasser/in:
Karin Wallmüller, Bericht
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