02/05/2007
02/05/2007

Das Jugendbildnis des Dichters Wolfgang Bauer als Plakat von Helnwein. Der Titel „MEMORY XS“ bezieht sich möglicherweise auf sein Stück „Memory Hotel“ und „XS“ auf „Exzess“ – etwas, mit dem der Autor von „Party for Six“, „Gespenster“´oder „Magic Afternoon“ durchaus vertraut war. „MEMORY XS Eine Ausstellungsinstallation über Wolfgang Bauer“ hätte dem Genannten vermutlich gefallen. Regisseur und Gesamtleiter Karl Welunschek und sein Team haben im 1.Stock des Grazer Stadtmuseums 36 offene Wahlzellen aufgestellt, in denen jeweils ein Kollege, Freund oder Familienmitglied am Mythos „Wolfgang Bauer“ erzählend webt. Dabei könnten die drei Räume, erfüllt vom musikalischen Gewirr simultan abgespielter Gespräche, ein Einfall von Bauer selbst sein. Mit so genannter Flachware an den Wänden einer konventionellen Ausstellung hätte der Autor, der sich mit Leidenschaft antiintellektuell gab, ohnehin wenig angefangen.

Die Liste der von Karl Welunschek intensiv Befragten reicht von Achternbusch bis zu Weibel, von Heidi Bauer bis Ringel, von Hoffer bis zu Petko, von Frischmuth bis Manker , von Kolleritsch bis Wanko. Dass niemand aus dem Umfeld des Theater im Bahnhof darunter ist, mag man bedauern. Die Truppe rettete immerhin 2003 mit einer fulminanten Hommage die ansonsten lustlose Feier zum 60. Geburtstag von „Magic Wolfi“, der am 26.8. 2005 an seinem Herzleiden verstarb.

Gefallen hätten dem leider erst posthum zum Mythos werdenden Grazer Autor auch die virtuos-abgefuckte Ästhetik mit den handgeschriebenen Namen der Gefilmten auf dem braunen Sperrholz und die anarchischen Wandmalereien Gerhard Fresachers mit ihren breiten Pinselstrichen, Graffitis, Krokodilen und Mädchen oder gelegentlich frei montierten Puppen dazwischen. Der Maler und Bühnenbildner trifft in seiner Hommage die Mischung aus scheinbarerer Lässigkeit und gut getarnter Präzision, die auch die Arbeiten Wolfgang Bauers kennzeichnet. Man hätte das aber auch, wie eine Kollegin anmerkte, mit Jack Bauer, dem Sohn des Verstorbenen, der ebenfalls Maler ist, versuchen können.

Zu Wolfgang Bauer passt auch der strikte, künstlerische Ansatz, die Reduktion auf „direkte Erfahrung“, die sich der Reproduktion und damit auch der Präsentation durch Internet, Medien, oder Fernsehen entziehen würde. Der Besucher muss sich von Koje zu Koje per pedes sein ganz eigenes Bauerbild selbst erwandern. Geschichte wird durch Kunst interpretiert, Grazer Geschichte untrennbar von der Biografie des Grazer Dramatikers, wie denn Otto Hochreiter, der Leiter des Stadtmuseums, erklärt. Jemand, Lacan vermutlich, sagte, dass man nur in den Augen, d.h. auch in der Rede der anderen existierte. So gesehen ist ein lebendigeres und „vielstimmigeres“ Bild von Wolfgang Bauer kaum denkbar. Und von der mittlerweile banal gewordenen Oral History durch Zeitzeugen, unterscheiden sich die Videos von Andreas und Renate Meschuh (artmedia) schon durch die gelegentlich elegant collagierten Dokumentarbilder, in die sie die Zeitzeugen montieren.

Der durchaus künstlerische Verzicht auf Devotionalien, Fotografien, Manuskripte und Briefe verhindert natürlich die übliche, didaktisch orientierte Gesamtdarstellung. Dafür wird das von Paul Pechmann, dem wissenschaftliche Leiter der Ausstellung, ausgerichtete Symposion im Juni und dessen im Ritter Verlag erscheinender Niederschlag „Wolfgang Bauer. Lektüren und Dokumente“ u. a. mit Günter Eichberger, Ferdinand Schmatz, Herbert Gamper, Wenzel Mracek und Karl Welunschek diesen Einwand entkräften. Wie immer diese MEMORY XS auch angenommen wird: Otto Hochreiter ist nach der eigenwilligen Ausstellung über Fischer von Erlach auch mit dieser „Powerausstellung“ um schmale 60.000 Euro auf dem besten Weg innovative Stadtgeschichte zu schreiben.

MEMORY XS - eine Ausstellungsinstallation über Wolfgang Bauer, kuratiert von Karl Welunschek, unter der wissenschaftlichen Leitung von Paul Pechmann, produziert von der Filmfirma art-media.

Eröffnung: 3. Mai 2007, 19.00 Uhr;
Ausstellungsdauer: von 4. Mai bis 2. September 2007;
Öffnungszeiten: Di - So, 10.00 bis 18.00 Uhr.

Internationales Wolfgang Bauer-Symposion des stadtmuseumgraz
von 15. bis 16. Juni 2007.

Verfasser/in:
Wilhelm Hengstler, Kommentar zur Ausstellung MEMORY XS
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