19/05/2015

Privatissimum vom Grilj
Jeden 3. Dienstag im Monat

Zur Person:

Mathias Grilj (* Kamnik, SLO) lebt als freier Journalist und Schriftsteller in Graz.

19/05/2015

Mathias Grilj

©: Mathias Grilj

Bulletin aus der Werkstatt

Das Glück kommt nur zum Glücklichen.
Otto Schenk

Thermische Energie ist nicht in beliebigem Maße
in andere Energiearten umwandelbar.
Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik

Die Liebe ist hart und unerbittlich wie die Hölle.
Teresa de Avila

Diese Geschichte hat mit Ästhetik zu tun und mit der Fragwürdigkeit von deren Bewertung, mit Sicherheit und Unsicherheit also – alles nach bestem Wissen und Gewissen vorgetragen, mit Kommunikation und somit mit lieben Menschen, und sie lehrt mich, dass ich niemals in einer Jury sitzen sollte. Dabei habe ich das schon gelegentlich gemacht.
Neulich sitze ich also mit Elisabeth Klöckl-Stadler, der Lektorin, im Kaffeehaus und sage, wir könnten ein schnelles Buch machen, so circa 250 Seiten. Ein Titel – der ist bekanntlich oft das Schwerste – sei mir auch schon eingefallen. Aber er erschiene mir doch irgendwie zu flapsig.
„Na, sagen Sie den!“, sagt sie.
„Von mir aus.“
„Äch, sagen Sie mir doch den Titel!“
Von mir aus.
Das Buch war sofort gekauft, und ich muss es jetzt wirklich machen. Der Untertitel war auch gleich gefunden: Erscheinungen. Sie hat gesagt, in drei Tagen müsse sie den Katalog fertigstellen, wie also das Cover aussehen solle. „Naja, vielleicht so ein Dunkelgrün mit schwarzer Marmorierung. Und die Schrift eierschalenfarben.“
Tags darauf kriege ich das Ergebnis hereingespielt und sage beim schönen Anblick: „Na hallo, das ist ja wirklich gut!“ Je länger ich hinschaue, umso besser gefällt es mir.
Und dann schicke ich das Bild des Umschlags weiter, an Menschen meines Vertrauens, lauter Leute, von deren Urteil ich viel halte, und bitte sie um ihre Kommentare und Kritik.
Ich habe noch nie so widersprüchliche Antworten bekommen. Von heller Begeisterung bis zum blanken Entsetzen. Ich lese das alles und versuche, eine Balance zu finden. Dann versuche ich, eine Struktur zu sehen und bilde mir ein: Frauen lehnen das eher ab, Männer – vor allem aus der Heavy-Metal-Branche – sind dabei. Aber das stimmt so auch nicht: Eine Architektin sagt: „Na bitte! Das hat Pfeffer und Gewicht! Da kann man lang hinschauen und entdeckt was.“ Und eine andere Architektin ist geschockt und schickt mir sofort wunderträchtige Fotos, die Heiterkeit vermitteln und mir sofort die Seele streicheln. Diese Bilder dürfe ich verwenden – so gut geht es mir nämlich mit Menschen meines Vertrauens. Und die Buchhändlerin fragt mich, ob ich völlig deppert sei und potenzielle Käufer absichtlich verschrecken wolle: Die Leute greifen in der Buchhandlung nur zu einem Ding, das irgendwie freundlich ausschaut, aber nicht so dunkelgrün und schwarz marmoriert. Eher im Sinne von „Frühling lässt sein blaues Band...“ comprende?
Aber dann kommt ein 14-Jähriger, er ist seit Jahren auch GEO-Abonnent und somit Bilder-Schauer, und schaut mir beim Computer über die Schulter: „Dein neues Buch? Boah! Schaut super aus!“.

Ich bin also ziemlich verunsichert. Was ist richtig, wo sie doch alle richtig und aufrichtig argumentieren und es – das weiß ich – gut mit mir meinen und nur mein Bestes wollen? Die alte Frage wieder einmal: Was tun?

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