29/07/2008
29/07/2008

Mit dramagraz inszenierte Ernst M. Binder für die regionale08 das Schwab Stück ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM. Seit 24. Juli tourt es durch Gaststätten der Festival-Region.

Ein europäisches Abendmahl

Einige Jahre lebte der in Graz geborene Dramatiker Werner Schwab (1958-1994) in der Gemeinde Kohlberg im Bezirk Feldbach, bevor er zum Erfolgsautor der deutschsprachigen Theaterszene der 1990er Jahre avancierte. Vier Stücke hat Werner Schwab als „Fäkaliendramen“ zusammengefasst, darunter ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM. Ein europäisches Abendmahl mit dem er 1991 (Uraufführung im Schauspielhaus Wien) seinen Durchbruch erlebte.

„Schwer aushaltbar sind Schwabs Texte allemal“, schrieb Theater heute im März 1991 anlässlich der Aufführung des Schauspielhauses Wien. „Die hohe Künstlichkeit der Sprache schlägt um in merkwürdigen Radikalismus, sobald sie nicht auf dem Papier steht, sondern laut gesprochen wird. Dann entsteht ein schräger beängstigender Aufschrei gegen die Welt der sauberen Syntax, der klaren Regeln und der wahren Worte und Werte. Schwabs Sprache ist voll schmutziger, aberwitziger Tragikomik.“

Mit dramagraz inszenierte Regisseur Ernst M. Binder für die regionale08 dieses Stück, in dem acht Personen, die es zu Hause gar nicht mehr aushalten, einander im Gastzimmer einer Wirtschaft treffen, wo die alltägliche Stammtischgemütlichkeit bald in eine kannibalistische Aktion kippt. Schwabs Dramen werden als Weiterführung einer Tradition des Volksstückes interpretiert, zur Orientierung kündigt Binder aber an, er werde „keinen Bauernschwank daraus machen“. Das Stück, analysiert Binder, entbirgt seine Qualitäten aus der Situation, dass „da eine Menge Leute sitzen, die alle unglücklich sind. Hier wird das Thema seelischer Verwahrlosung behandelt.“ So beschreibt Schwab im Stück etwa die Figur der HERTA als Ein schwer angeschlagen wirkender Mensch. Sie hat Narben und wirkt immer irgendwie verheult, trotzdem sieht man ihr an, dass sie einmal außergewöhnlich hübsch gewesen sein muss.

Und Ernst M. Binder führt seine Intentionen, sich diesem Drama von Werner Schwab zu widmen, aus: „Als jemand, der selbst in einer ländlichen Gegend und Umgebung aufgewachsen ist, erscheint mir der Text zum Stück vertraut. Als ob ich alles unter anderen Umständen vor langer Zeit schon erlebt hätte. Damals freilich als Kind und Heranwachsender. Ich gehe zwar davon aus, dass die Zeit selbst in dem Ort am Ende der Welt, in dem ich aufgewachsen bin, nicht stehen geblieben ist, aber die Verzweiflung und das Aussichtslose dieses von Schwab im Untertitel Ein Europäisches Abendmahl genannten Textes ist geblieben, wenngleich es sich über die Jahre hin immer geschickter hinter moderner Kleidung, dem neuen Auto, den Urlauben nicht bloß in Kroatien, sondern auf irgendeiner Karibik-Insel zu verbergen gewusst hat.“

Neben anderen mehr spielen Nadja Brachvogel, Martin Horn und Rudi Widerhofer; Rainer Binder-Krieglstein komponiert und arrangiert dazu Musik, die in Assoziation zu seinem eigenen Format Jägercore! im Rahmen der regionale08 steht.

Premiere hatte ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM. Ein europäisches Abendmahl am 24. Juni 2008 im Volkshaus Feldbach; nun befindet sich die Inszenierung auf Tour durch Gaststätten der Region. Vor jeder Aufführung geben der Regisseur und die Dramaturgin Alexandra Rollet eine etwa halbstündige Einführung in Werner Schwabs Werk, denn: „Leichte Kost ist es nicht“, hält Binder fest, „aber es gibt eine Menge interessante Details über den Autor zu erfahren, die zum Verständnis des Stücks beitragen können. Ob der einzelne Zuseher nach der Aufführung noch immer die Behauptung aufstellt, er gehöre nicht zu ‘Denen’, ist freilich eine Frage, die sich jeder selber stellen muss. ‘Das gibt es bei uns nicht’, wird aber keiner sagen können.“

Werner Schwab
ÜBERGEWICHT, unwichtig: UNFORM
Ein europäisches Abendmahl
Regie: Ernst M. Binder

Premiere: 24. Juli 2008, 20.30 Uhr, Feldbach, Volkshaus
Weitere Termine:
25. und 26. Juli um 20.30 Uhr, Feldbach, Volkshaus
28. Juli, 20.30 Uhr, Mureck, Kulturzentrum
30. Juli, 20.30 Uhr, Fehring, Gasslwirt
1. August, 20.30 Uhr, Söchau, Kultursaal
4. August, 20.30 Uhr, Gnas, Pfarrheim
6. August, 20.30 Uhr, Schloß Kornberg, Rittersaal
8. August, 20.30 Uhr, Kohlberg, Feuerwehrgarage
14. bis 30. August, Stadtmuseum Graz
3. September, 20.30 Uhr, Giesselsdorf, Mehrzweckhalle

Koproduktion dramagraz und steirische kulturinitiative

Verfasser/in:
Wenzel Mracek, Empfehlung
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