24/06/2008
24/06/2008

Foto: Reininghaus-Gesellschaft

Die Konzeptphase zur Grün- und Freiraumgestaltung in Graz-Reininghaus geht zu Ende. Sieben, vom Immobilienentwickler Asset One geladene europäische Landschaftsplanungs-Teams präsentierten vergangene Woche ihre „grünen“ Ideen und Konzepte für den neuen Stadtteil Graz-Reininghaus.

Asset One ist ein privater Immobilienentwickler mit Sitz in Graz, dem rund ein Prozent der städtischen Gesamtfläche (ohne Waldanteil) von Graz gehört. Ein Kernstück bilden die Reininghausgründe, ein beinahe unbebautes Areal im Westen der Stadt (537.000 m²), auf dem bis 2017 ein neuer qualitätsvoller Stadtteil entstehen soll. Derzeit investiert Asset One viel Zeit und Geld in dessen Entwicklung. Es wird interdisziplinär gearbeitet, die Auftraggeber wollen das Ergebnis möglichst lange offen lassen.

Ein wichtiges Thema des Stadtteil-Entwicklungsprozesses ist die Gestaltung des Grün- und Freiraums. Im April 2008 startete dafür die Ideenfindung: Asset One hatte 7 internationale Expertenteams der Landschaftsarchitektur - agence ter (Paris – Karlsruhe), idealice (Wien), freilich (Meran), karres en brands (Hilversum/Amsterdam), lohrberg (Stuttgart), monsberger (Graz) und Mario Terzic (Wien ) - eingeladen, visionäre Entwürfe und Ideen für den Grün- und Freiraum anzufertigen, aus denen sich in einer späteren Ideenfindungsstufe die Gebäudestrukturen ergeben sollen. Am 17. Juni 2008 präsentierten die Teams in jeweils 7-minütigen Vorträgen ihre Ergebnisse der Öffentlichkeit. Die Ideenfindung für den Bereich Grünraum wurde vom Büro stadtland betreut.

Die Projekte im Überblick:

> Terzic / Wien
Tercic beschäftigt sich mit den bestehenden Gebäuden, Denkmälern, Industriespuren und Mauern auf dem Gelände und sieht u. a. vor, aus dem prägnanten Malzturm ein Giraffenhaus zu machen. Sein Konzept beinhaltet 3 Kernideen:
- die „Reininghäuser“ sind intensiv gepflegte Orte, die zur Kontaktaufnahme mit Pflanze und Tier einladen
_ „public viewing“ als neue Qualität von Öffentlichkeit. In Reininghaus wird hierfür ein eigener Ort geschaffen, dessen Anziehungskraft sich auf ganz Graz und das Umland erstreckt. Multikulturelle Vermittlung wird ermöglicht, außerhalb von Veranstaltungen bleibt genug Platz für den individuellen Rückzug.
_ das „Reininghaus-Stadion“.
Im Stadion werden vielfältige sportliche Aktivitäten möglich sein. Sozialarbeiter betreuen Jugendliche, nicht mehr aktive Spitzensportler Senioren und Jugendlichen.

> > monsberger / Graz
Kernpunkte des Entwurfs von Gertraud Monsberger sind das Aufgreifen und Bearbeiten von bestehenden Blickbezügen (eine zentrale Blickachse, in Form einer großzügigen Wasserfläche ausgebildet, erstreckt sich durch das gesamte Gelände und ermöglicht Blicke auf den Schlossberg und den Plabutsch)sowie das Einfügen einer zweite Grünspange gegenüber dem Stadtpark bzw. Schlossberg. Durch das Bewegen von Erdmassen wird der Raum verändert. Erdschollen, die sich verdrehen und kippen geben dem Ort eine neue Dimension. Während der Bauphasen soll der Aushub gelagert und in Anlehnung an Ackerflächen bepflanzt werden.

> lohrberg / Stuttgart
Das Team aus Stuttgart entwickelte 3 Modelle für den Grünraum von Reininghaus. Beim Modell „Grüner See“ setzt der Freiraum das ehemalige Brauereigelände in den Mittelpunkt. Der Park umschließt den Kernbereich der Brauerei ringförmig, es entsteht ein starkes Zentrum, das in die Umgebung ausstrahlt. Auch das Modell Scholle – Grüner Stern sieht eine eigenständige Entwicklung des Brauereigeländes vor. Der Freiraum zieht sich durch Reininghaus, bildet einzelne Stadtteile und verknüpft gleichzeitig diese untereinander und mit der Umgebung. Die Perspektive auf die Gesamtstadt weitet das Modell Kreuz – Grüne Spange auf. Ein großflächiger, von Ost nach West verlaufender Westpark setzt ein starkes Zeichen und steht in Beziehung zu einer von Nord nach Süd verlaufenden urbanen Achse, die die Verknüpfung zu den angrenzenden Stadtteilen herstellt.

> karres en brands / Hilversum: „Urbanität als Park“
Die Analayse des Teams ergab, dass das Gebiet relativ isoliert ist und wenige Zutritte hat, daher wird es von innen entwickelt. 50 % der Fläche bleiben offen. Um das Areal wird ein unterschiedlich dicht und hoch bebauter Ring für diverse Mischnutzungen und mit Öffnungen nach außen, gelegt. Der Freiraum in der Mitte des Areals ist für kulturelle und kommerzielle Nutzung sowie für Sport und Spiel vorgesehen. In einem öffentlichen Netz finden sich Freiraumbereiche, die von privaten Investoren definiert werden können. Entlang der Alten Poststraße wird eine neue Straßenbahnlinie vorgeschlagen. Als Initialzündung wird die Figur Ring/Park wie ein „footprint“ dargestellt, er fungiert anfangs als Laufstrecke, entlang der sich das Gebiet langsam entwickeln soll.

> idealice / Wien „Reininghaus, wo Träume wahr werden können“
Entsprechend dem Motto „Reininghaus, wo Träume wahr werden können“ entwickelt idealice den Grünraum anhand eines Musters aus Bezugslininen in Form von s. g. Traumlinien, die in der Startphase mit Lavendel markiert werden. Grün kommt von außen ins Zentrum und verdichtet sich dort. Das Team sieht nicht nur das Grün, sondern auch befestigte Flächen und Plätze als Freiräume. Die Stufung nach Graden der Öffentlichkeit - Verdichtungsband, Kulturband, Parkband, Wohnband, Neue Mitte-Band – ist ein wesentlicher Aspekt des Entwurfs, ebenso eine Straßenbahnlinie, die entlang der Alten Poststraße verläuft.

> freilich / Meran: „Freiraum für Denker aus aller Welt“
Ziel des Entwurfes ist einen Freiraum, der durch Bewegung Stabilität und Ruhe bringt. Ausgehend von der Analyse, dass alle wichtigen Achsen in Graz von Nord nach Süd verlaufen, konzipiert das Team in diese Richtung verlaufende Adern, die das Gebiet wie Gedankenfäden durchziehen. Von Ost nach West folgen die Stahlader, Traumader, Stadtader (im Bereich der Alten Poststraße), Wasserader, Spielader (nahe der GKB). Die Adern haben Aufweitungen und Verengungen. Dazwischen gibt es interne Pole mit unterschiedlichen Nutzungen, je nach Grad der Öffentlichkeit, die sich mit der Bebauung entwickeln. Zwischen den Adern spannt sich ein feines, von Ost nach West verlaufendes Netz für interne Beziehungen, Wege, Straßen u. v. m.

> agence ter / Paris – Karlsruhe
agence ter interpretiert die Geschichte, befasst sich mit dem Bestand und implementiert Neues. Die drei wesentlichen Elemente des Entwurfs sind:
_ die Esplanade, eine von Nord nach Süd verlaufende, dreidimensionale, autofreie Achse mit Straßenbahn im Verlauf der Alten Poststraße, als urbane Partitur, als Rückgrat.
_ die Parkkette besteht aus dem Science Park im Norden, dem Park an den Eisteichen in der Mitte und der abstrahierten Kulturlandschaft im Süden. In der Parkkette werden geschichtliche Bezüge aufgenommen und attraktiv neu inszeniert, z. b. Tiefenbrunnen
_ Queralleen unter Einbeziehung bestehender Allen. Bestandsgebäude werden durch Absenkungen oder Aufstockungen zu Landmarks aufgewertet.
Als Initialzündung wird mit der Esplanade und dem Grüngerüst der Alleen begonnen. Die Felder werden nach und nach befüllt und schlussendlich werden störende Gewerbebetriebe umgesiedelt. Dieses Projekt ist sehr viel versprechend, es verheißt eine organisch gewachsene Stadt mit hoher Qualität.

“Reininghaus, wo Träume wahr werden“ - die Absichten von Asset One lassen nur das Beste für den neuen Stadtteil verhoffen. Aber: Wer garantiert, dass die positiven Ansätze / Skizzen auch wahr, die geweckten Erwartungen erfüllt werden? Der gute Wille alleine reicht jedenfalls nicht. Eine professionelle Zusammenarbeit zwischen dem Investor, den Verantwortlichen der Stadt Graz und Experten wäre dafür eine Voraussetzung.
Weiters wäre im Hinblick auf angewandte Bürgerbeteiligung und konstruktive Diskussionen eine breitere Einladung, vor allem auch der Menschen, die um diesen Stadtteil wohnen und arbeiten, wünschenswert.

> > TERMINVORSCHAU

"Graz-Reininghaus: Stadtszenarien"
WANN: DI, 01.07.2008, 19.00 Uhr
WO: Loft der Reininghausgesellschaft
Reininghausstraße 1-7, 8020 Graz

Stadtvordenker aus Japan, Deutschland, Spanien, Holland, der Schweiz und den USA im Gespräch mit Max Rieder und Andreas Kleboth zur städtischen Entwicklung von Graz-Reininghaus.

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Bericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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