08/10/2007
08/10/2007

Resanita. Darf´s ein bisschen weniger sein? oder Glaube, Liebe, Hoffnung –Temporäre Behausung und Spontanlokal am Mariahilfer Platz in Graz. Ein Projekt des Künstlerinnenduos Resanita, im Rahmen des „steirischer herbst 2007“. Fotos: Elisabeth Lechner

…oder Glaube, Liebe, Hoffnung –Temporäre Behausung und Spontanlokal am Mariahilfer Platz. Ein Projekt des Künstlerinnenduos Resanita, im Rahmen des „steirischer herbst 2007“.

„Vor der Kulisse der Kirche am Mariahilfer Platz wird in der Mitte ein Stück Land aufgeschüttet. Dieses wird als karges Stück Acker- und Freiland bepflanzt; darauf wird ein kleines Haus aus Holz, Wellblech, Plastik und Sperrmüll errichtet. Die Installation stellt die Situation eines Lebens in Armut nach, ein Bild sozialer Realität, exakt mit der Schere ausgeschnitten und in den Platz verpflanzt…“, ist in den Beschreibungen und Programmankündigungen des Projektes von Resanita zu lesen,

Erster Eindruck: Schon interessant.

1. Besuch:
Befragt man als anonyme Besucherin, wir nennen sie hier Besucherin G., die Künstlerinnen nach dem Ziel dieses Projektes, erhält man Antworten wie: Es soll ein Bezug zu den Bezirken Lend und Gries sein, es soll eine Lebenssituation in Armut darstellen, exakt ausgeschnitten.
Dies ist nicht viel mehr, als in den Programmkurzbeschreibungen steht.

Besucherin G: Das ist aber keine typische Behausung der Armen in diesen Bezirken, die auch keine Möglichkeit haben, Gemüse anzubauen.
Künstlerinnen: Ja es könnte auch eine Slumbehausung in Lateinamerika darstellen.

Besucherin: Dort wäre diese Hütte aber fast Luxus, wie ist die Reaktion der Vorbeigehenden?
Künstlerinnen: Sehr unterschiedlich. Zwei bosnische Frauen sagten: „So schön, wie bei uns zu Haus.“, worauf wir nachfragten, ob sie das nicht als hässlich empfinden!“.

Die Künstlerinnen müssen gehen. Was bleibt: ein mulmiges Gefühl.

2. Besuch: Versuch mehr Informationen zu bekommen.
Eine SchülerInnengruppe der Ortweinschule ist vor Ort. Eine Person, die an diesem Tag das Spontanlokal betreibt, erklärt den Schülerinnen und Schülern das Projekt: “Es ist eine Installation im öffentlichen Raum, eine Hütte, eine Wohnform im Widerspruch zu diesem Ort. Auffällig ist der Lehmboden, er hat nichts mit unserem Luxus zu tun und soll zeigen, wie viele Menschen noch so arm leben müssen. Das Projekt spricht in seiner Form für sich.“

Das war die Info für SchülerInnen.
Besucherin G. fragt einige SchülerInnen: Was haltet ihr davon?
SchülerInnen: „Schon interessant.“

Besucherin G. fragt die Person, die das Projekt vorgestellt hat, ob es sich dabei lediglich um eine Installation im öffentlichen Raum handelt, ein Kunstwerk, das man betrachtet und bespricht, ohne sozialen Anspruch, oder steckt doch mehr dahinter, wie etwa die Unterstützung eines Sozialprojektes?
Antwort: Eigentlich sollten Sie die Künstlerinnen fragen, ich gebe nur die wichtigsten Infos weiter. Meine persönliche Meinung ist, dass es sich eher um eine Installation handelt, die die Möglichkeit schafft, Lebenssituationen nachzuspüren. Zuerst war es bedrückend für mich - man kann sich nicht vorstellen, so zu leben - aber später sind schönere Bilder entstanden: Menschen, die so arm leben, setzen sich mehr mit sich auseinander, halten stärker zusammen. Den Kindern kann man anhand der Installation aufzeigen, in welchem Wohlstand sie heute leben. In so einer Armut gibt es mehr Platz für Kreativität. Manche Kindergärten machen das bewusst, indem sie das Spielzeug für einen Woche wegräumen. Ich genieße das Arbeiten hier, die reduzierte Küche, mit Wasserhohlen bei den Gasthäusern und einen Kanaldeckel aufsuchen. Es ist so wie im Urlaub am Campingplatz, wie Aussteigen“

Besucherin G. denkt: Da steige ich aus!

Das Projekt und vor allem die Erklärungen dazu sprechen für sich: Eine ärmliche Behausung wird zur Fast-Idylle einer gesättigten, voyeuristischen Gesellschaft. Schade! Das Konzept, Armut an einem prominenten Platz öffentlich und realitätsnahe aufzuzeigen, wäre vielleicht aufgegangen, hätten die Künstlerinnen jene Menschen, die in dieser Stadt, in diesem Land, von Armut betroffen und von der Wohlstandsgesellschaft ausgeschlossen sind, miteingebunden, schon bei der Konzepterstellung und später dann bei der Durchführung des Projektes. So würde ihm nicht dieses Weltfremde, Abgehobene, dieses Armut-schon-beinahe-Verklärende anhaften, sondern die soziale Realität unseres unmittelbaren Umfelds sichtbar gemacht werden. Und finanzielle Mittel wären vielleicht dorthin geflossen, wo sie dringend gebraucht werden.

> > Resanita. Darf´s ein bisschen weniger sein? oder: Glaube, Liebe, Hoffnung.
steirischer herbst 2007 - Aktion/Installation von Resanita
Mit Musik, Ausschank und Programm
Am Mariahilferplatz, Graz
Täglich geöffnet bis von 9.00-22.00 Uhr
Letzter Abend: Mittwoch 10.10.2007

Verfasser/in:
Elisabeth Lechner, Kommentar
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