Die bestehende Evangelische Lukas Kapelle, ein Backsteinbau, erbaut in den 1980er-Jahren nach Plänen von Arch. DI Werner Hollomey, wird wegen der Errichtung des neuen Chirurgie-Komplexes abgebrochen. Foto: S. Baumann-Cox

Evangelische Lukas Kapelle, Andachtsraum. Foto: S. Baumann-Cox

Der Lageplan zeigt den Standort der alten Kapelle und den Bauplatz der neuen.

Hier heißt es genau schauen: das Bild zeigt den Entwurf für die neue evangelische Kapelle. Planung: Innocad Architektur ZT GmbH, DI Lesjak

Schaubild Andachtsraum. Planung: Innocad Architektur ZT GmbH, DI Lesjak

Die Steiermärkische Krankenanstaltengesellschaft m. b. H. (KAGes) lud im Mai 2011 fünf Grazer Architekturbüros zu einem Ideenwettbewerb zur Ersatzverortung der evangelischen Seelsorgeeinrichtung am LKH Universitätsklinikum Graz ein, den INNOCAD Architektur Mitte Juni für sich entscheiden konnte.

Ein Gottesdienst- und Andachtsort – durchaus ökumenisch, ein Ort des persönlichen Gebets, der Klage, der Hoffnung, des Danks sollte es sein, so der Wunsch des evangelischen Pfarrers Herwig Hohenberger an den Auslober und die Architekten. Der Raum sollte möglichst immer offen und zugänglich sein und zum Verweilen, Besinnen oder Gebet einladen, auch sollte man Kerzen anzünden können.
Es handelt sich um die Neuerrichtung der evangelischen Kapelle im Landeskrankenhaus Graz, die im Rahmen des Programmes „LKH 2020“ und aufgrund des Neubaus des Chirurgiekomplexes an einen anderen Ort versetzt werden muss. Mit einem lachenden und einem weinenden Auge nimmt Pfarrer Hohenberger Abschied von seiner derzeitigen Kapelle, einem Backsteinbau, von Architekt Werner Hollomey in den 1980er-Jahren geplant und umgesetzt. „Ich fühle mich hier wohl und es ist ein wunderschöner Bau, stehe dem Neubau aber sehr offen gegenüber und freue mich auch darauf,“ sagt der evangelische Pfarrer, der Ruhe und Ausgeglichenheit ausstrahlt. Ein Seelsorger und eine Seelsorgeeinrichtung in einem Krankenhaus haben andere Aufgaben zu erfüllen als in einem Dorf. Keine Hochzeiten, keine Taufen finden dort statt. Es ist klar, dass hier Menschen kommen, die voller Angst und Kummer, an einem Wendepunkt oder gar am Ende ihres Lebens angekommen sind oder um einen geliebten Menschen bangen müssen. Für die Pfarrer und ihre helfenden Mitarbeiter eine anspruchsvolle und gelegentlich belastende Arbeit. Die neue Positionierung der evangelischen Kapelle wird das Einzugsgebiet stark vergrößern und gewiss wesentlich mehr Menschen zu diesem Ort des Rückzugs bringen als die jetzige Lukaskapelle, die nahezu unauffindbar hinter dem Chirurgiekomplex und der EBA (Erstversorgung, Beobachtung, Aufnahme) liegt.

„Die meisten Menschen kennen nur die prominent gelegene, katholische Kapelle im Norden des Areals. Auch diese ist natürlich ein Ort, welcher allen Menschen offensteht. Das Pavillonsystem des LKH ist sehr schön, aber dadurch sind die Wege für manche sehr weit und ich sehe derzeit hauptsächlich Angehörige von Patienten der Notfallaufnahme in meiner Kapelle“, so Hohenberger. Der neue Standort ist wesentlich zentraler und wird für viele besser sichtbar und zugänglich sein. Hohenberger hat sich bereits darauf eingestellt und plant die Verwendung neuer und moderner Medien für Gottesdienste und Meditationen, auch dies sollte im Vorschlag der Architekten berücksichtigt werden.

Der Auslober gab im Vorfeld an, dass die neue Kapelle an der Kreuzung Allee/Einfahrt LKH die Gebäudefluchten des Jugendstilensembles im Klinikum nicht überschreiten soll, auch auf die Fassadenteilung des angrenzenden Dermatologie-Gebäudes sollte Rücksicht genommen werden. Die Einhaltung der vorgegebenen Baukosten wurde besonders betont. Außen eher zurückhaltend und innen ein spiritueller Raum, der Wärme, Geborgenheit und Ruhe bieten soll, so die weiteren Vorgaben. Und das alles an einem prominenten und zentralen Ort im Klinikum und mit einem relativ geringen Bauvolumen und Baukosten in der Höhe von € 240.000,-.
Von der klassischen Interpretation einer Kirche/Kapelle (Werner Hollomey) über die White Box (Irmfried Windbichler) zum Wort Gottes (Peter Zinganel) und religiösen Symbol des Fisches (LOVE architecture and urbanism) bis zum Gewinnerprojekt, dem Baumhaus oder Baum des Lebens (INNOCAD Architektur) zeigten alle geladenen Architekten hochqualitative und zugleich sehr unterschiedliche Ansätze.

„Das Baumhaus gefällt mir sehr, weil es den Besuchern durch die aufgeständerte Konstruktion eine erhöhte Position und damit den Blick in Bäume und Natur bietet. Dadurch können sie sich zumindest für die Zeit ihres Verweilens vom Umfeld des Krankenhauses lösen, um in Ruhe und in Gedanken sein zu können. Der Platz unter dem Gebäude kann zugleich als überdachte Aufenthaltsfläche im Freien dienen,“ so Hohenberger, den alle Vorschläge auch in ihrer Auseinandersetzung mit den Thematiken von Religion und Seelsorgestätte sehr beeindruckt haben.

Dem Wunsch nach einer Möglichkeit, Kerzen anzünden zu können, kam INNOCAD mit einer sehr eleganten Lösung nach. Aus dem Logo der österreichischen evangelischen Kirche und dem Kreuz (in der evangelischen Kirche immer ohne Corpus) wurde ein Raster entwickelt, das in der Fensteröffnung als Abstellfläche für Kerzen dienen kann, die in der Dunkelheit auch von außen sichtbar sein und die Atmosphäre in der Umgebung des Gebäudes mitbestimmen werden. Alle Vorschläge folgten dem Wunsch, nicht mit dem Jugendstilgebäude der Dermatologie zu konkurrieren. Hohenberger bat explizit um ein freistehendes Gebäude, das nicht an das benachbarte Gebäude „angepickt“ werden sollte, da dies „nicht der Position der evangelischen Kirche entspricht und auch dem Klinikum nicht gerecht wird“.

Das Konzept des Baumhauses wird durch die Begrünung der Fassade auf Höhe der Baumkronen der bestehenden Bäume betont. Im Laufe der Zeit ist zu erwarten, dass die Kapelle zumindest im Sommer nahezu hinter dem Grün verschwindet. Außen diskret und elegant, innen warm und tröstlich und somit Wunscherfüllung für den „Hausherren“ Herwig Hohenberger. Die Jury unter dem Vorsitz von Architekt Ernst Giselbrecht war sich darüber einig, dass das Projekt von INNOCAD allen Anforderungen am besten nachkommt und wählte es zum Sieger. Bleibt zu hoffen, dass diejenigen, die dort Trost und Halt suchen, zumindest für einige Augenblicke das Gefühl haben werden: „Alles wird gut!“

Verfasser/in:
Susanne Baumann-Cox, Bericht
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16. + 17.11.2023
 
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