16/05/2023

Schau doch! 31
Burgfriedsteine 2 - die alte Stadtgrenze im Südosten

Die Kolumne Schau doch! von Peter Laukhardt erscheint jeden dritten Dienstag im Monat auf GAT.

16/05/2023

Bild 1: Die Burgfriedgrenze im Osten und Süden (bearbeitet nach dem Stadtplan von 1928)

Bild 2: Grenzweg „Am Leonhardbach“, rechts Leonhard-Friedhof

©: Peter Laukhardt

Bild 3: Wäscherin beim Odiliensteg um 1930 © Sammlung Kubinzky

Bild 4: Neuer Radweg am Nordufer

©: Peter Laukhardt

Bild 5: Wegenergasse, „Bachmann-Kolonie“

©: Peter Laukhardt

Bild 6: Ehemaliger Bachwirt am Ufer

©: Peter Laukhardt

Bild 7: Ostseite der Reiterkaserne heute

©: Peter Laukhardt

Bild 8: Hakoah-Platz und Reiterkaserne, um 1900 © Sammlung Kubinzky

Bild 9: Fabriksgebäude Matthey, 1938 © Sammlung Kubinzky

Bild 10: Matthey-Park

©: Peter Laukhardt

Bild 11: Burgfriedstein Nr. 11

©: Peter Laukhardt

Bild 12: Stein mit Panther

©: Peter Laukhardt

Bild 13: Engelhof, Merangasse 69

©: Peter Laukhardt

Bild 14: Mauthaus, Plüddemanngasse 23 (1938) © Sammlung Kubinzky

Bild 15: Plüddemanngasse 23, aufgestockt

©: Peter Laukhardt

Bild 16: Mauthaus, Plüddemanngasse 46 (1938) © Sammlung Kubinszky

Bild 17: Die Waltendorf „Bucht“ 1829

Bild 18: Jugendstilkomplex „Am Ring“

©: Peter Laukhardt

Bild 19: Gürtelkonzept, Pharusplan 1920

Bild 20: GH Kernreich um 1900 © Sammlung Kubinzky

Bild 21: Torbogen von 1812 mit J. E.

©: Peter Laukhardt

Bild 22: Restaurant „Teichhof“ um 1930 © Sammlung Kubinzky

Bild 23: „Glockenspielhaus“ St.-Peter-Hauptstraße 19

©: Peter Laukhardt

Bild 24: „Linienamt“ Harmsdorf (Münzgrabenstraße 268) © Sammlung Kubinzky

Bild 25: Burgfriedstein 18, Kasernstraße

©: Peter Laukhardt

Bild 26: Stein 18, Ecke Dr.-Plochl-Straße

©: Peter Laukhardt

Bild 27: Liebenauer Mühlgang und ausgetrocknete Wasserläufe, Adler-Plan 1878/79

Bild 28: Grenzlinie am „Stadtplan“ von ca. 1800 (StLA, bearbeitet)

Am Ende des ersten Teils hatte ich die Vermutung geäußert, die beiden westlich des Pfarrhauses St. Leonhard „versunkenen“ Steine wären eventuell als die Burgfriesteine Nummern 9 und 10 zu identifizieren. Nach einem Gespräch mit Othmar Steinwender, dem Mesner der Pfarre, kann das nun ausgeschlossen werden. Es handelt sich in Wirklichkeit um alte Grabsteine, die beiderseits des Ziehbrunnens aufgestellt wurden, um parkende Autos abzuhalten.

Da mir das gewünschte Interesse für eine Fortsetzung der Burgfriedstein-Geschichte ausreichend bekundet wurde, lade ich nun dazu ein, den weiteren Grenzweg an der Stelle zu beginnen, wo sich Ragnitz- und Stiftingbach zum Leonhardbach vereinigen (Brückerl Pauluzzigasse, Bild 2). Wir folgen der Linie an ihrer natürlichen „Markierung“ – die man früher verwirrend auch schon Grazbach nannte, obwohl darunter der Kroisbach zu verstehen war – entlang des heutigen Rad- und Fußweges „Am Leonhardbach“ über eine Länge von rund 1,2 km. Knapp vor dem Steg zum Odilienweg sah ich als Kind noch in das Ufer eingelassene Fässer, in denen sich Frauen stellten, um das hier etwas aufgestaute Bachwasser zum Schwemmen der Wäsche zu nutzen (Bild 3 – wie alle weiteren Altfotos aus der Sammlung Kubinzky). 

Beim Anwesen Am Leonhardbach 7 konnte man noch den Bach entlang weiter gehen, heute lädt uns ein neuer Radweg am gegenüberliegenden Ufer ein (Bild 4); der etwas ansteigende Umweg über die Wegenergasse könnte aber großartige Einblicke in das fortschrittlich-romantische Jugendstilkonzept der „Bachmann-Kolonie“ bieten (Entwurf Adolf Ritter von Inffeld, 1912-1913, Bild 5). Nach Überquerung des Baches beim ehemaligen, heute leider ruinösen Bachwirtgebäude (Bild 6) ging östlich der Reiterkaserne (Bild 7) ein kleiner Uferweg bis zur Klostermauer der Ursulinen weiter. Dieser idyllische Abschnitt des Leonhardbaches ist seit dem Bau des Polizeigebäudes nur mehr abschnittsweise erlebbar, könnte aber leicht wieder hergestellt werden. 

Durch eine Furt, die ich schon als Kleinkind zum Beweis meines Forscherdrangs überwand, konnte man den ehemaligen Sportplatz der „Hakoah“ erreichen, wo bis 1938 ein jüdischer Verein seinen Kickplatz hatte (Bild 8); hier entstand schon in den 1950er Jahren das so gar nicht zur malerischen Kulisse des Ruckerlbergs passende Hochhaus; der Sportplatz selbst wurde Ende der 1960er Jahre durch die Union-Halle überbaut.

Wo heute die Merangasse den Leonhardbach überquert, befand sich bis 1870 ein Brückerl als Verbindung von der Küh- oder Ruckerlberggasse (heute Schumanngasse) zur Schutzengelgasse (heute Merangasse). Zwischen dieser und der heutigen Schillerstraße liegt der idyllische August-Matthey-Park, der intensiv als Kinderspielplatz genutzt wird, aber auch einen Durchgang bietet (Bild 9); Stadtpläne nach 1945 ließen hier noch immer den Bau einer „Burgenlandstraße“ befürchten; sie sollte entlang des Baches zur Riesstraße führen. 

August Matthey hatte 1868 in der Morellenfeldgasse 42 eine Etikettenfabrik und eine lithographische Anstalt eingerichtet (Bild 10), die später zum graphischen Großbetrieb Wall in der Merangasse 70 wurde; hier stand schon 1829 auf der Bauparzelle 53 ein Haus mit der Nr. Schutzengelgasse 402 (1838: 502), das dem Keuschler J. Windisch gehörte, 1870 an den Gärtner Stephan Schönitzer, 1900 an A. Mathey und schließlich an Wall ging; heute ist hier ein Institutsgebäude der Universität untergebracht. 

Nun zurück zum Bereitungsprotkoll von 1749: Ferrers gehet das Burgfried abwerts nach den Bach, allwo der 11 te Rainstein linker Hand herab, neben des Bachels in den Garten dem Jakob Reumer Untertan nach dem Jesuiter Convict gehörig, ansonsten genannt bey dem Gugutzhof erfindlich ist (beim genannten Hof handelt es sich – richtig geschrieben – um den Guschitzhof; später wurde daraus der Schützenhof, heute noch erhalten als denkmalgeschützter Bau, Schützenhofgasse bzw. Naglergasse 21).

Wenn man das Gittertor der Merangasse durchschreitet, befindet sich nach einigen Metern rechts – irgendwie verwaist wirkend – der Burgfriedstein Nr. 11 (Bild 11 und 12). Wie schon erwähnt, schuldet ihm das Bundesdenkmalamt bis heute noch immer die Eintragung in die Denkmalliste.

Wo an der Kreuzung mit der Nibelungengasse links die alte, steile Straße „Auf den Ruckerlberg“ abbog, steht der denkmalgeschützte „Engelhof“ (Merangasse 69, Bild 13); er stammt im Baukern vermutlich aus dem 18. Jahrhundert und wurde im Jahr 1918 umgestaltet. Am Gebäude und im Garten sind spätbarocke Sandsteinfiguren von Grazer Abbruchhäusern angebracht; die Statue eines Schutzengels gab der heutigen Merangasse in diesem Bereich bis 1870 den Namen Schutzengelgasse (später wurde aus der Seitenlinie die Engelgasse). Der historistische Gußeisenzaun wurde übrigens von der Herz-Jesu-Kirche übernommen, als dort vor ca. 60 Jahren der südwestliche Parkteil geöffnet wurde. 

Nach einem leichten Knick ging die Grenzlinie zum heutigen Schillerplatz, wo sie den Verbindungsweg zwischen dem „Schlosz Sparbersbach“ (Hallerschlössl) am Hang und dem Schützenhof kreuzte.

Über die Hallerfeldgasse (1838) bzw. verlängerte Merangasse (1870), seit 1899 Plüddemanngasse in Richtung Südosten weiter führend, gelangte die Linie bei Nr. 23, an der Ecke zur Ruckerlberggasse, an das ehemalige Mauthaus (Bild 14). Durch eine grässliche Aufstockung hat es vor einigen Jahren sein klassizistisches Erscheinungsbild verloren (Bild 15). In einer Mauernische ist noch immer das alte Wegkreuz eingesetzt, das ursprünglich an der Straßenecke stand; hier erinnert ein runder Vorbau an das ehemalige Mautlokal.

Nur einige hundert Meter weiter – bei Nr. 46 an der Ecke zur Koßgasse – befand sich ein weiteres Mauthaus bzw. „Linienamt“ (Bild 16), das 2021 abgebrochen und durch einen den Straßenraum bedrohlich verengenden Riesenklotz ersetzt wurde. Beide ehemaligen Mauthäuser waren schutzlos der Zerstörungswut der Bauwirtschaft und der Hilflosigkeit der Stadtplaner ausgeliefert, da sie nicht in Altstadt-Schutzzonen liegen – ob das „in Arbeit befindliche“ Altstadt- bzw. Ortsbildgesetz für Steiermark endlich für solche „charakteristische Bauten“ eine Lösung finden wird, wie sie andere Bundesländer bereits haben?

Die Skizze auf Bild 1 zeigt bei genauerem Hinsehen eine ganze Reihe alter Mauthäuser, deren Position mit der Lage einiger Burgfriedsteine natürlich identisch war. Wieso aber gab es auf so kurzer Distanz gleich zwei Mauthäuser? Die Lösung bringt ein Blick auf die Riedkarte zum Franziszeischen Kataster (Bild 17). Noch vor der Einmündung der schon früh als Weg nach Waltendorf genutzten Schörgelgasse zeigt sich ein eigenartiges Bild durch einen sackartig in das alte Grazer Weichbild eindringenden Bezirksteil von Waltendorf – durch den das meist ausgetrocknete „Annabachl“ floss. Hier hat 1909 Josef Toppler nach Entwürfen von Joseph P. Rathswohl eine großartige Jugendstil-Wohnhausanlage geschaffen (Plüddemanngasse 32, Schörgelgasse 80 und 82, „Am Ring“ 1 und 3, siehe Eva Lettl und Barbara Kramer-Drauberg, Jugendstil in Graz, S. 52). Leider ist es auch hier zu keiner Altstadt-Schutzzone gekommen, weshalb das schöne Ensemble gerade durch einen völlig gestaltlosen Neubau sein Gesicht verlieren wird (Bild 18). 

Wo bleibt hier die Berücksichtigung des Baugesetztes, wonach sich Neubauten an der Umgebung zu orientieren haben?

Bewohner haben mir kürzlich erklärt, diese „exterritoriale“ Waltendorfer Bucht sei darauf zurückzuführen, dass die Verbindung des Waltendorfer- mit dem Ruckerlberggürtel diesen aus dem Grazer Stadtgebiet so herausfallenden Zwickel der heutigen Koßgasse ergeben hätte (Bild 19).

Das stimmt aber nicht, denn schon 1749 war die Situation hier offensichtlich nicht ganz klar: Und weilen sotann solches Burgfried weiters durch die Gasse hinauswerts, bis auf die Straße allwo man von Gratz auf Sparberspach fahret (damit wird eben die Kreuzung mit der Ruckerlberggasse gemeint sein), sich ergiebet, als ist daselbst an den Jesuiter Convict Garten dem Thomas Leopold gehörig der 12 te Marchstein angemerkter zu ersehen, jedoch so gestalten, daß er mehr abwerts, als zwergüber anzeiget, wo sich doch bei dem folgenden Marchstein befindet, daß dieser zwergüber die Anzeige machen sollte. Weiters befindet sich linker Hand hinüber in denen tiefen Wegen gegen der Schörgglgassen alldorten in einem Gäßl rechter Hand, in dem Gartl dem Michael Steinkellner, Sparberspachi¬schen Untertan gehörig, der 13te stehende Marchstein, woselbst geschlossen worden, allsogleich die Planken wekzuhauen weilen solcher eingeblanket worden: so auch allsogleich beschehen ist, und dem Besitzer dieses Garten aufgetragen worden besagten Marchstein hinfüro frey zu belassen und nicht mehr einzublanken. NB. Von Seiten der löblichen Commenda Leech ist niemand erschienen.

Gustav Pscholka erklärte 1912 dazu: Es muss also hier — an der Ecke der Schörgelgasse und Plüddemanngasse — ein Gut des Deutschen Ritterordens angefangen haben.

Bevor wir der Grenzlinie weiter folgen, ein kurzer Blick auf eine alte, für die ehemalige Vorstadt charakteristische Gaststätte, die wohl bald auch einem Neubau weichen könnte. Auf Plüddemanngasse 71 schloss am 30.4.2023 das bekannte Gasthaus Di Gallo seine Pforten. Ein altes Foto bezeichnet das Haus um 1900 als Gasthaus Kernreich (Bild 20). Ein letzter prüfender Blick zeigte mir kürzlich, dass an den Kämpfern des schönen steinernen Torbogens die Jahreszahl 1812 angebracht ist; am Schlussstein sind die Initialen J E eingemeißelt (Bild 21). Eine Nachschau im Bauprotokoll der KG Waltendorf von 1825 nennt uns die Besitzer der Bauparzelle 13 „Mayerfranzl“: Joseph Erhard und Philip Anitrer. Solche Bauten sind inzwischen in Graz schon äußerst selten geworden, aber es gibt keinen Schutz für sie!

In der Burgfried-Beschreibung weiter: Weilen nun dieser terminus per directum einwerts von der Schörgglgassen über die Felder herauf anzeiget, so stehet der 14 te Marchstein am letzten Häusl am Egg, so nach der Herrschaft Moserhof dienstbar, gegen der Straß auf St. Peter an den Eggenberger Feld an, hart neben einen kleinen Rinnsal, in solchen halbversunken, ist dannenhero aus bemeltem Rinnsal weiter heraus dem Eggenberger Feld zu gesezet worden. Bey welchen Rainstein Herr Ignatz Schrezmayr, quasi Herrschaft Jauerburg Agent erschünen ist, wegen eines praetendirenden Moserhofferischen Burgfrieds, hat aber ratione seiner Burgfrieds iurium nichts einzuwenden gehabt, weniger erwiesen, wo sich solches Burgfried anfangen, und wie weit erstrecken sollte. Von da ergiebet sich nun ermelt Stadt Grätzerischer Burgfried mittels eingesetzten 15. Marchstein neben einen hölzernen Weg Kreuz an den Fahrt Weg auf St. Peter, welcher von denen Waldendorfer Feldern, und Moserisch dienstbaren Haus aufwerts an, zu einen Rainstein auf denen Harmannstorfer Feldern, und grad über solche Felder zeiget, von da weiters bis an des Liebenauer Burgfried, und ist von Seiten der Herrschaft Liebenau niemand erschünen. Welcher gleichbesagte, von vorigen angezeigte 16. Marchstein also zwischen Harmstorf, und St. Peters Feldern, gegen Harmstorf zu stehet, woselbst anstatt diesem, weilen solcher zerbrochen, ein neuer gesezet worden ist.

Das „Linienamt St. Peter“ war bis 1938 an der Adresse St.-Peter-Hauptstraße 1 eingerichtet. Dort stand wohl auch der Stein Nr. 14. Dass an der heutigen Plüddemanngasse kein Grenzstein nötig war, ergibt sich aus der Tatsache, dass sie ursprünglich nicht wie heute direkt zur St.-Peter-Haupstraße verlief, sondern nur als Weg (heute Eisteichgasse), dem noch vor einigen Jahrzehnten dort bestehenden Gewässer nach Westen auswich (Bild 22, Teichhof).

Den Stein Nr. 15 und das hölzerne Wegkreuz werden an der heute rücksichtslos zubetonierten Straßenecke Petersgasse – Gluckgasse gestanden haben, gegenüber dem schönen Wohnhaus St.-Peter-Hauptstraße 19 (als Kopie des „Glockenspielhauses“ in der Innenstadt hier von Gottfried Maurer nach 1905 errichtet, Bild 23). 

Der Burgfriedstein Nr. 16 lag an einer heute nicht mehr bestehenden bzw. nicht zustande gekommenen Wegverbindung (am Plan von 1928 angedeutet: Dr. Eckener Straße), wo die Grenze nach Westen abbiegt; heute wäre das die Grundstücksgrenze zwischen den Häusern Emil-Ertl-Gasse 44 und 46. Eine Bewohnerin kann sich noch an den Stein erinnern, der um 1961 dann plötzlich verschwunden war.

Das Schicksal des Burgfriedsteins Nr. 17 wurde im Bereitungsprotokoll von 1740 ziemlich exakt beschrieben: „Über erörterte Harmstorf und St. Peters Felder rechter Hand her, zu der Kreuz Säulen zu, an der Fernitzer Straße, linker Hand, zu Anfang der Anhöhe stehet der 17te Marchstein“. Gustav Pscholka 1912: „Nunmehr zieht die Grenze geradeaus zum heutigen Linienamte Harmsdorf, wo de la Porta abermals einen Burgfriedstein — also den siebzehnten 17 — vermerkt. Nach Aussage des Herrn Verzehrungssteuer-Einnehmers Birstner wurde der Stein vor einigen Jahren anläßlich einer Straßenerweiterung ausgehoben, achtlos beiseite geworfen und schließlich in das Haus Liebenauer Hauptstraße Nr. 246 verbaut.“

Die Adresse lautet heute richtig: Münzgrabenstraße 268, Ecke zur Ulrich-von-Liechtenstein-Straße, siehe Foto von 1938, Bild 24. Vom eingebauten Stein ist leider nichts mehr zu sehen. Der gegenüber liegende Bildstock (die 1749 genannte „Kreuz Säulen“) musste Ende der 1960er Jahre dem Autobahnzubringer Graz-Ost weichen.

Die Beschreibung von 1749 führt uns weiter „Ferers von dem Kreuz grad über die Wiesenmäder gegen der Aue, in der Liebenaur sogenannten Tendel Wiesen, ist erfindlich daselbst mehr bey dem Gebüsch an der Dominicaner Wiesen der 18. Stein“.

Etwas abweichend Pscholka: „Von hier strich die Grenzlinie schnurgerade durch die Wiesen zu dem 18. Stein in der Tendelwiese. Auch er ist sehr gut erhalten; ziemlich weit sichtbar ragt er vor dem Hause Kasernstraße Nr. 44 empor.“

Und tatsächlich haben wir an der nordwestlichen Ecke der Kreuzung Kasernstraße-Dr.-Plochl-Straße Glück. Der Stein Nr. 18 ist derzeit allerdings kaum zu sehen (Bild 25). Er weist an der zur Straße gerichteten Seite nach Süden (also nach außen) die Jahreszahlen 1673 und darüber 1749 auf (Bild 26). Ob sich auf der Innenseite der Grazer „Magistrats“-Panther zeigt, ist nicht zu erkennen, da hier der wenig achtsam aufgestellte Gitterzaun den Blick verstellt. Es darf auch hier der Wunsch an Denkmalamt und Stadt gerichtet werden, das Geschichtsdenkmal besser und dennoch geschützt neu zu positionieren.

Verwirrend ist der in der Bereitungsbeschreibung von 1749 verwendete Begriff „in der Liebenauer Tendelwiese“ weil wir die Wiese für das erzherzögliche Damwild (Tändel) eigentlich am westlichen Murufer beim Lustschloss Karlau orten. Vielleicht eine Verwechslung?

Wo genau der heute nicht mehr vorhandene Burgfriedstein Nr. 19 stand, ist nicht ganz zu klären. Er wird sich wohl im Bereich des heutigen Veranstaltungszentrums „Seifenfabrik“ im der Angergasse befunden haben, das mit der die Grazer Fäkalien zu Kunstdünger verarbeitenden „Poudrette-Fabrik“ einen ziemlich anrüchigen Anfang nahm; 1946 zog in einen Teil der nunmehr auch Ammoniak und Knochenmehl herstellenden Fabrik die Firma Lettner ein; in den 50er Jahren folgte die Firma Palmolive-Colgate.

Die Beschreibung von 1749 sagt: „Von diesen Rainstein in der Aue rechter Hand grad fort, bis an die Aue zu einem Rainstein, und zwar zu dem 19te neben einen Bachl, anzeigend über die Muhr an den Tiergarten.“ Hier geht also der Blick über den Fluss – zur Tendelwiese!

Gerd Herud, der an einem Buch „Liebenau einst und heute“ arbeitet, ist auf eine „Gränzbeschreibung der Gemeinde Liebenau vom 21. April 1820“ gestoßen. Die Beschreibung bezieht sich aber nicht auf den heutigen Bezirk Liebenau, sondern wohl auf die bis 1848/50 bestehende Grundherrschaft, weshalb die Grenze von Süden aus, also „seitenverkehrt“ beschrieben ist.

Ohne seinen Erkentnissen vorzugreifen, ist festzustellen, dass hier ein „trockener Mühlgraben“ eine Rolle gespielt haben muss. Ein Blick auf den „Adler-Plan“ zeigt uns die Situation um 1878/79. Der die Liebenauer speisende Mühlgang zweigte bei der  Schönaubrücke von der Mur ab und verlief auf der Linie der heutigen Straße „Am Langedelwehr“, zur heutigen verlängerten Neuholdaugasse. Hier gab es ein Wehr, das einen Teil des Wassers in Richtung der Poudrette-Fabrik abzweigte; dieser Wasserlauf war aber 1878/79 schon trocken gefallen. Über den noch in Teilen existierenden „Mühlgrabenweg“ und über den schmalen, gewundenen Verbindungsweg lief der Mühlgang zur Dr.-Plochl-Straße. Dort war früher der westlicher Ast des Mühlgangs abgezweigt, 1878/79 aber ebenfalls schon zugeschüttet.

Wo heute der, das Privatgelände der Seifenfabrik mühsam umkurvende, Mur-Radweg wieder beim neuen „Stadtstrand“ zum Fluss einlenkt, können wir den Burgfriedstein Nr. 19 annehmen. Er lag ja 1749 „neben einem Bachl“ und 1820 am „trockenen Mühlgraben“. Von ihm fehlt schon lange jede Spur.

Es stellte sich mir abschließend die Frage, ob die südöstliche Grenzlinie von der Schörgelgasse bis zur Mur nach Südwest wirklich in so geraden Linien verlief, und so stark von den späteren Grenzen abwich, wie das Gustav Pscholka in seiner Skizze darstellte (ich habe sie im ersten Teil als Bild gezeigt). Ein früher „Stadtplan“ von 1800, die Murstromkarte von ca. 1820 und die Riedkarte zum Franziszeischen Kataster von 1829 zeigen einigermaßen Übereinstimmung in der Zick-Zack-Führung der Grenze; der von Pscholka oft zitierte Plan von De la Porta (1788) ist für die Beantwortung dieser Frage zu ungenau. Der zu gerade gezeichneten Linienführung in der Skizze von Gustav Pscholka kann ich mich daher nicht überzeugt anschließen. Es dürfte dabei wohl immer wieder kleine Berichtigungen gegeben haben, wenn sich der Besitz von Grundstücken geändert hat. 

In einem dritten und letzten Teil werden wir die Grazer Burgfriedgrenze im Stadtteil westlich der Mur abgehen und auch dabei auf interessante Details stoßen.

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