24/02/2012
24/02/2012

Reininghaus-Areal, Graz. Foto: Asset One

Leserkommentar zur öffentlichen Präsentation und Diskussion des Entwicklungsschwerpunkts Graz-Reininghaus durch Bürgermeister Siegfried Nagl und Planungsbeamte, am 14.02.2012 im Hotel Europa in Graz.

Smart Reininghaus?

Am Valentinstag 2012 präsentierte die Grazer Stadtverwaltung ihre Vorstellungen für den neuen Stadtteil Reininghaus: eine „Smart-City". Ernst Rainer vom Institut für Städtebau der TU Graz meinte dazu in einem Vortrag: „An erster Stelle einer intelligenten (smarten) Stadtentwicklung sollte die Erhaltung und Steigerung der urbanen Lebensqualität liegen.“

Einleitend erinnerte Bürgermeister Nagl daran, dass das Reininghaus-Gelände, für das die Stadt zuletzt ja selbst 79 Mio. Euro geboten hatte, schon seit rund 30 Jahren „entwickelt“ werde und verwies auf den jährlichen Zuwachs von 3.000 Grazern. Dann zählten die Experten altbekannte Tatsachen in historischer Reihenfolge auf: den noch gültigen Flächenwidmungsplan 2002, der am Reininghaus-Aeal Industriegebiet vorsah; den am 25.02.2010 vom Gemeinderat beschlossenen Rahmenplan, ein Puzzle aus würfelartigen Wohn-„Quartieren“ (Blockrandbebauung mit kleinen Parks in der Mitte und einem „Central Park“); schließlich den derzeit öffentlich aufliegenden Entwicklungsplan, den humorvolle Teilnehmer als „Pyjama-Plan“ karikierten, weil er fast nur Schraffuren zeigt - das sind Gebiete mit mehr als einer Nutzungsmöglichkeit. Stadtbaudirektor Werle sollte später die Funktion von Gewerbegebieten als Pufferzonen zwischen der im Osten des Areals nach wie vor dominierenden Industrie (Marienhütte) und den Wohnvierteln erläutern und darauf hinweisen, dass das endgültige Aussehen des Areals erst durch den neuen Flächenwidmungsplan und dann durch Bebauungspläne festgelegt werden könne.

Hatten Verkehrsplaner vor Beginn der Diskussion noch versucht, dem staunenden Volk zu erklären, wie leicht man eine Tram (verlängerte Linie 3) durch die Unterführung der Alten Poststraße bekommen könnte, dass aber die Linie 8 als eine Art „U-Bahn“ vom Nahverkehrsknoten in der Kärntner Straße zur Alten Poststraße vorzuziehen sei (die Politik gab dazu an, die rund 120 Millionen für die Infrastruktur seien in 5-jährigen Tranchen budgetär gesichert), so vernahm man später auf eine Frage aus dem Saal erstaunt, dass die Verlängerung der Josef-Huber-Gasse in Richtung Alte Poststraße ebenfalls noch immer aktuell sei.

Aktivbürger aus dem vollen Saal bezogen dann zum Stadtentwicklungskonzept-Entwurf kritisch Stellung: „Blattform“ verlangte den Erhalt des dort befindlichen, wertvollen Grünraums, „SOKO Altstadt“ wollte schützenswerte Teile des einst für Graz so wichtigen Industrieareals bewahrt sehen, „Mehr Zeit für Graz“ sah offene Fragen bei der Erschließung durch die Öffis, ein für „Graz denkt“ agierender Raumplaner wollte dem erschreckt ablehnenden Podium gar schon konkrete Phasenpläne vorlegen, überreichte sie aber dann lieber dem Vertreter der Investoren; „WIRBürger“ mahnten generell die Klärung der Finanzierungsfragen der Stadt ein und kritisierten das Fehlen des Verkehrskonzeptes im STEK. Es kam die Frage nach der geringen Beteiligung Grazer Architekten an dem seinerzeitigen Wettbewerb; eine bekannte Architekturpublizistin bemängelte schließlich echte Ansätze für die seinerzeit von Asset One vorgestellten Visionen.

Den berechtigten Anliegen und Fragen der ehrenamtlichen „Stadtentwickler“ wurde von den bezahlten Experten und Gemeinderäten zum Teil mit herablassender Arroganz begegnet, nur wenige Antworten konnten befriedigen. Dem Bürgermeister kann man noch bescheinigen, dass er sich tapfer für seine marode Truppe in die Schlacht werfen wollte, er konnte aber außer Beschwörungen wie „unser Budget ist konsolidiert“ nicht viel zur Beruhigung beitragen. Er verwies zwar auf laufende Gespräche mit dem in der letzten Reihe stumm dasitzenden Vertreter der Investoren, konnte oder wollte ihn aber nicht dazu bewegen, seine Ansichten der Versammlung preiszugeben.

Trotz mehrerer Aufforderungen aus dem Auditorium war auch Heinz Schöttli, Chef der Stadtplanung, zu keiner Wortspende bereit. Hat man ihm etwa ein Sprechverbot auferlegt? In einem Vortrag im Haus der Architektur hatte er sich einige Tage zuvor noch an seinen ersten Gedanken zum Thema erinnert: „Hier gehören ein Park und ein See her!“ Jedenfalls scheint er jetzt nicht bereit oder nicht imstande zu sein, sich kritischen Fragen zu stellen – und das, während die Stadt ihre künftige Entwicklung festlegt! Der für das Ressort verantwortliche Nagl müsste sich fragen, ob hier nicht Arbeitsverweigerung vorliegt. Und die Grazer Presse? Sie glänzte durch Abwesenheit. Es gab in der „Kleinen“ und der „Krone“ nicht den geringsten Kommentar.

Fazit: So mit an der Zukunftsentwicklung ihrer Stadt Interessierten umzugehen, ist nicht smart. Gehört doch zu den wesentlichen Elementen von Smart City auch die „Einbindung aller relevanten Stakeholder (Akteure, Interessensgruppen) im Projektprozess“. Die Grazer Bürger drohten daher auch gegen das Projekt Reininghaus mit einer Aufsichtsbeschwerde beim Land Steiermark.

Durch die letzten Meldungen (Investoren bieten Reininghaus jetzt doch wieder der Stadt an) ist manches Verhalten vielleicht verständlich, aber dennoch nicht entschuldbar.

ZUR INFORMATION
Noch bis 12.03.2012 liegt der Stadtentwicklungskonzept-Entwurf zum „Entwicklungsschwerpunkt Reininghaus" im Stadtplanungsamt, Europaplatz 20/6 St. in Graz (Mo-Fr während der Amtsstunden) öffentlich auf.

VERANSTALTUNGSHINWEIS:
TAGUNG Stadtlabor 2012: Konzepte für Smart Cities
planen - verpflichten - umsetzen

WO? Alte Technik, Hörsäle AT I und AT II
Rechbauerstraße 12, Graz, Steiermark
WANN? MI 11.04. bis FR 13.04.2012
Eröffnungsabend 11. April 2012, 18.30 Uhr

Veranstalter: Technische Universität Graz im Auftrage des BMVIT
www.stadtlabor2012.tugraz.at
Anmeldeschluss: 01.04.2012

Verfasser/in:
Peter Laukhardt, SOKO Altstadt; freie Meinung
erich cagran

Wenn schon auf die Denkmalschützer in Graz niemand hört, warum sollen wirBürger auf die Denkmalsetzter Nagl/Rüsch hören? Bei der Präsentation des Stadtentwicklungskonzeptes für Reininghaus konnte Nagl nicht einmal ein Verkehrkonzept dazu nennen, geschweige denn die Finanzierung.
Dem Betriebswirt Nagl in den Rechenschieber diktiert: Stichtag 31.12.2011: Rekordschuldenstand 1,056 Milliarden. Für das Budgetjahr 2012 lt. offiziellem Budget der Stadt Graz: Rekord-NEUverschuldung von 171 Millionen EUR. Wie er das verantworten und die weitere dramatische Schuldenerhöhung zurückzahlen will, konnte der Bürgermeister nicht erklären.
Ganz zu schweigen von den 138 Millionen zusätzlicher Verschuldung vom November und Dezember 2011 aus Pfandbriefen und einem Auslandskredit in Hannover. Das alles zusammen muss den Bürgern einmal offen gesagt und endlich erklärt werden, ehe man über "Reininghaus" zu reden beginnen kann. Denn: Auch Bürger-Fonds sind Schulden - für die Steuerzahler!
Eines aber kann und darf hier nicht widerspruchslos hingenommen werden: Nagl sagte in einem Statement in der größten Tageszeitung von Graz, private Planer hätten nicht das Zeug, so einen Stadtteil wie Reininghaus zu entwickeln. Und er berief sich dabei auf das Beispiel Triestersiedlung. Gegenfrage: Wer, wenn nicht Profi-Planer, und das sind nun allesamt Private, könnten solches? Oder: Wer, auch wenn selbst nicht Planer sondern "nur" normal denkender Bürger, traut dieser Stadtverwaltung von Graz zu, so etwas zu "heben"? Wie die Präsentation zeigte, die Peter Laukhardt sehr schöne beschrieben hat, kann man die Qualifikation dieser Stadtplaner samt ihrem politischen Chef, Bürgermeister Nagl, schlicht und einfach mit hilflos bezeichnen.

Fr. 24/02/2012 10:21 Permalink
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