27/06/2004
27/06/2004

"Über Literekten und ihre Archilatur"
Die österreichische Architekturszene
unter einem etwas anderen Blickwinkel
von Wojciech Czaja

Kennen Sie das „Kleine Wörterbuch der Architektur“ von Reclam? Knallgelb, schön spartanisch gebundenes Recyclingpapier, in starker Erinnerung an Schullektüren wie „Faust“, „Antigone“ und „Kabale und Liebe“ von anno dazumal. Eigentlich recht praktisch, ein Nachschlagewerk für Architekten, falls Sie einmal nicht wissen sollten, was eine Külliye (S. 77) oder ein Hochhaus (S. 61) ist, oder ob man das Ding in der Wand Leibung oder Laibung (S. 78) schreibt. Etwas problematischer wird es hingegen mit der exakten Schreibweise von Architekturbüros. Da kann einem zwischen Punkten, Underlines und Vertikalstrichen schon einmal ein kleiner Orthographiefehler unterlaufen. Oder aber man schreibt das Großgeschriebene klein und das Kleingeschriebene groß. Oder ist im sophisticated advanced English nicht ganz so sattelfest. Lauter Fehler, die nicht geschehen würden, hätten wir doch ein „Kleines Wörterbuch der Architekturbüros“!

Nimmt man einmal den klassischen Architekten unter die Lupe, so handelt es sich meist um einen alten Meister (Bramante, Brunelleschi, Holzbauer, etc.), der im Vordergrund steht und um den herum sich seine Schüler tummeln. Vereinfachterweise darf man feststellen, dass der Name und die individuelle Handschrift primäres Programm sind. Das geht soweit, dass die Typologie des Projekts heutzutage meist austauschbar ist (oder zumindest wünschen sich das Architekten manchmal). Helmut Richter beispielsweise konnte sich während seines Schulneubaus am Kinkplatz nicht mit der Idee einer Hauptschule anfreunden und spekulierte bis zum bitteren Ende mit einer späteren Umnutzung auf ein Gebäude ohne herumtobende Kinder.
Heute sieht es da schon ein bisschen anders aus. Die sogenannten Jungen, die sich so lang gegen diese disqualifizierende Brandmarkung wehrten, bis diese zum meistgehörten Begriff im Zusammenhang mit der New Generation wurde, setzen zwar ebenfalls auf das Produkt „Gesamtkunstwerk“. Doch die gestaltgebende Komponente dieses Kunstwerks ist nicht mehr der Familienname des Meisters, sondern das fertiggestellte (oder auch nur fertiggerenderte) Haus mit einem bürointernen Projektkürzel auf der Homepage, das keiner mehr verstehen kann (MBM, KIZ, JFK, Z3, RO2, SI1, VIT, MET, EGG, MAG, WINI). Das alles in Verbindung mit einem möglichst komplexen Firmennamen, dessen Perzeptionspotenzial nicht sehr viel höher als das des Projektnamens ist. Daraus folgt: „Bitte, können Sie mir das buchstabieren?“ und man fragt sich, ob ein möglichst ausgefallener Name - wenn schon nicht im Ziviltechnikerverzeichnis, so doch im Telefonbuch - der Sinn der Sache ist. Das vielzitierte angestrebte Herantreten an den Bauherrn wird mit einer notwendig gewordenen Schreibanleitung nicht gerade erleichtert, der Wiedererkennungswert nicht unbedingt gesteigert.

Am Ende aller kreativer Ausgeburten schüttelt man den Kopf und rekapituliert über den Ursprung von Originalität: Einerseits stützt sich der im 17. Jahrhundert entstandene Begriff auf das Urstück des Kunstwerks im Sinne einer Abgrenzung zur Kopie, andererseits aber brachte er schon damals die Individualität des Schöpfers zum Ausdruck. Den Reiz des Neuen zu nutzen, um Aufmerksamkeit zu wecken – diese Möglichkeiten hat die Architektur (im Vergleich zu anderen Darstellenden und Bildenden Künsten) erst relativ spät erkannt. Die erste österreichische Architektengruppierung entstand bereits 1950, die nach Austritt des Vierten dann nur noch 3/4 hieß. War die wenig verbreitete Begriffskultur der Architekturbüros wie zünd-up, Haus Rucker & Co, Coop Himmelblau in den 60er Jahren noch fast ein Novum, das durch seine ihm inhärente Neuartigkeit und relative Seltenheit punkten konnte, werden Kreativität und Innovation heute zum Repressionsmittel einer gesamten Architekturszene. Und zwar nicht nur in technischer, sondern längst auch schon in bürologistischer Hinsicht.

Wer im Mode-Strom nicht untergehen möchte, der muss mit der Masse mitschwimmen. Multipliziert man die persönliche Individualität mit 100 (denn mindestens so viele österreichische Büros sind von diesem Lifestyle-Virus betroffen), schaut unterm Strich ein lindgrüner Cluster hervor und mit der Unverwechselbarkeit ist es vorbei. Doch das Symptom bleibt bestehen: Das Neue zum Ausdruck zu bringen, wird ungeachtet seiner tatsächlichen Qualitäten zunehmend per se zu einer neuen Qualität. Und das Publikum applaudiert. Wie heißt es so schön: „Architecture sells!“ Damit steigt die (weit ältere und erfahrenere) architektonische Disziplin satten Schrittes in genau jene Fußstapfen, die der Aufschwung der Cyberkunst vor nur wenigen Jahren hinterlassen hat, als sie das Mittel zum Zweck an sich schon zu einem Zweck erklärt hatte. Nichts anderes passiert zur Zeit in der Baubranche.

Architekt Peter Eisenman proklamierte schon vor langem, man möge sich in der Architektur vom Prinzip der Originalität verabschieden, dem Diktat des Neuen abschwören und sich auf die „veränderte Kombination des schon Existierenden“ beschränken. Doch in Österreich stoßen Eisenmans Worte auf taube Ohren. Bei den letztjährigen Architekturgesprächen in Alpbach referierte Wolf Prix: „Die Hauptaufgabe des Architekten muß es sein, den Turm zu Babel fertigzustellen. Wer das nicht will, soll es bleiben lassen.“ Damit ist all jenen, die nicht beabsichtigen, das Rad neu zu erfinden, vorerst einmal der Wind aus den Segeln genommen. Hingegen würde Peter Eisenman deutlich staunen, wie akkurat doch seine Prognose ins Schwarze getroffen hat, was die Nomenklaturpolitik heimischer Architekturbüros betrifft. Da ist durch die Bank jeder schon so dermaßen originell, dass im groben Überblick die aktuelle Architekturszene haarscharf schon zum Gähnen (und Belächeln) ist.
In der Glücksspielshow „BINGO“ am Samstag, den 13. September (fulminantes Resultat eines allabendlichen TV-Zappings) wurde die Frage gestellt, ob es sich beim Namen „Coop Himmelblau“ um eine Eissorte, um ein Architekturbüro oder um eine Pop-Band handle. Die überforderte Spielerin hat nicht richtig geraten, sie blieb dem Kulinarischen verhaftet. Ein Architekturbüro? Nein, das kann es nicht sein. Wenn selbst schon ein so renommiertes Büro wie die vermeintliche Eissorte den Großteil des nichtarchitektonischen Publikums verstutzt, dann darf man sich gespannt zurücklehnen, was die nächsten Jahre an Kommunikationserfolgen ao alles einbringen wird.

Als unmittelbare Fortsetzung der 68er- Generation, die sich als erste gegen das Prinzip der auf eine Person reduzierten Architektur auflehnte, gelten wahrscheinlich jene Gruppen, deren Namen sich aus den Anfangsbuchstaben der gleichberechtigten Partner zusammensetzen, also eine Art Pluralitätsprinzip des alten Meisters: OMA, MVRDV und A.D.N.S. (der einzige in alphabetischer Reihenfolge!) im Ausland Büros wie ATP, BUS und NFOG in Österreich. Neu und mit im Spiel ist RAHM, zur Abwechslung eine milchproduktive Aneinanderreihung der Anfangsbuchstaben der Vornamen. Auch das kleingeschriebene msp-h und das sglw ist interessant, zumal Letzteres seit einem nicht allzu lang herliegenden Partnerzuwachs selbst zu einem sglw+s angewachsen ist. Und s? Plus s? Egal, überlegen Sie sich lieber, wie Sie dieses Schweizer Büro aussprechen würden: :mlzd (der erste Doppelpunkt ist ein Satzzeichen, der zweite ist Teil der Identität). Hoch aufdrehen tut auch ein Mann, dessen Vorname mit Ma- und der Nachname mit Schin- begnnt: voilà, dies ist die Genese von ma,schin. Ultimativ unübertroffen sind – aufgrund der frankophilen Liaison – aber ohnehin nur die moa rchitekten (sic!).
Wem die Initialbuchstaben in Folge in phonetischer Hinsicht etwas zu uncharismatisch sind oder wo sie in eine unangenehme Kombination treten könnten (CIA, CCCP, KO oder etwa WC), dem öffnen sich natürlich ungeahnte Abgründe typographischer Waghalsigkeiten bei der Aneinanderreihung der einzelnen Nachnamen. Denn stets ist man bemüht, eine () Klammer (in sprichwörtlicher oder in übertragener Weise) zu bilden: die bereits erwähnten COOP HIMMELB(L)AU (und seitdem sie tatsächlich bauen, befindet sich das L als Sichtbarmachung einer reinen Option des Blauen in Klammern) machen es vor: Man nennt sich Marte.Marte oder lichtblau . wagner (kleingeschrieben, auch mit einem Punkt dazwischen, aber diesmal mit je einem Leerzeichen davor und danach).
Der Punkt (dazwischen, besser noch danach): aufgedrückte Geste einer inszenierten Selbstsicherheit im Sinne von „Mein Name und Punkt um“. Ein Beispiel: fasch&fuchs. kleingeschrieben und Punkt um. Doch nachdem man von nulldimensionalen Pünktchen allein auch nicht Leben kann, bringen es andere Büros nicht nur auf den Punkt, sondern gleich auf die eindimensionale Variante davon: auf den Strich in all seinen erdenklichen Erscheinungsformen: loop_ing, as_architecture und Delugan_Meissl haben´s gern unten, das ethnisch anmutende Büro ThA-I gern in der Mitte, Dietrich | Untertrifaller und Kaufmann | Lenz gern noch ein bißchen anders (Spiegelstrich) und ST/A/D ist so richtig schräg. Aus den zuletzt vorgestellten Satzzeichen ist natürlich auch eine elegante Verschränkung möglich, wie es k_m.architektur vorzüglich vormacht. Nach dem gleichen Motto mutiert auch pop.lar gelegentlich zu pop*lar, dann wieder auch zu popular. Gibt´s auch pop°lar?
gerner°gerner schmücken sich statt mit einem . eben mit einem °, wie sie ihn auch am °finger tragen. Seitdem sie nicht mehr nur zu zweit arbeiten, heißen sie nun gerner°gernerplus. Andere wiederum holen dem Bauherrn die Sterne vom Himmel, nowak*schremmer und ESCAPE*spHERE sind zum Beispiel solche. Wie es scheint – da dürfte sich nun ein Psychologe einschalten – ist selbst das symbiotischste Team durch semantische Spielereien getrennt. Bei ko a la kann man schon eher von drei als von einem Büro dem medialen Auftreten nach sprechen. Ein Glück, daß es da eine Gegenfraktion gibt: DREER2 heißen genau so und sind gleichnamig zu zweit, die beiden Alliteraten MARTERERMOOSMANN (zwei Männer, ganz fest zusammengewachsen) oder Albertoni (wo Alberto und Toni einen gemeinsamen Nenner gefunden haben) führen die Symbiose bis an die Grenzen des individuellen Daseins.

Sie sind auf der Suche nach einem passenden Namen für Ihr Büro und sind immer noch nicht fündig geworden, da sie keinen schönen Familiennamen haben? Dann also plan_b (auch das ist ein Architekturbüro): Sie könnten sich überlegen, wo sie zu Hause sind oder es gerne wären. So entstand das sogenannte Atelier in der Schönbrunnerstraße. So weit, so klar. Eine etwas größere Herausforderung hingegen ist da schon der poetische eisvogel. (mit einem Punkt danach!). Eisvogelstraße? Platz? Nein, Gasse! Das Brüo STADTGUT sitzt, wenn schon nicht in der Kleinen Stadtgutgasse, so doch zumindest gleich ums Eck. Feld 72 – würden Sie das finden? Man setze ein „Schotten“ vorweg und eine Gasse hinten nach, und schon ist das Beispiel gelüftet. Diesmal wird uns sogar die zweiziffrige Hausnummer anvertraut. Einen Schritt weiter geht apollo 11-3. In diesem Fall ist bekannt: Hausnummer 11, Türnummer 3, doch zur ultimativen Verwirrung befindet sich das besagte Architekturbüro nicht in der Apollo-, sondern in der Riemergasse 11/3 (Kreativität hört eben nie auf in dieser Zunft).
Ähnlich ausgefuchst tritt das office 101 auf. Klug sterben wir, weil wir die Hausnummer kennen; blöd sterben wir, weil wir die dazugehörige Straße nicht wissen. [Ort: ein Hinterhof in der Mariahilfer Straße] Team A Graz dürfte „Das A-Team“ (US-amerikanische TV-Serie 1983) der Architektur sein. (Ob sie wohl auch vor den staatlichen Machtapparaten fliehen, um den Unchuldigen zu helfen?) Und West 8? Vielleicht im Westen, nichts Genaueres weiß man nicht. Genau dort befindet sich jedenfalls auch das atelier eck.st.ein an einer Ecke irgendwo, mehr erfahren wir auch hier nicht. So bemüht sich jeder um einen Komparativ in der lokalen Rätselaufstellung – und scheitert am Ende schier, nachdem er rücksichtslos von den ortlos architects übertrumpft wird. Das also ist wahre Reduktion auf das Minimum.
Frei nach dem Motto „Buchstabier mir, wie man Dich schreibt, und ich sag Dir, wer Du bist“ geht es weiter im Spiel mit Leerzeichen und Zusammenschreibweisen, stets klein und selten groß. Aus dem üppigen Verwirrsport mit Ziffern und Zahlen hat sich ein ganzes Konglomerat an Büros herausentwickelt. Man fragt sich beispielsweise, ob one room im gleichen Raum wie Halle 1 sitzt und fragt sich, warum Halle 1 so sehr nach Wunschkennzeichen klingt. Nach Phase 1 [1 weiteres Büro] kommt dann Phase 2 [nein, das gibt es noch nicht], und zwar mit den Schweizern EM2N, mit teamk2 oder etwa mit g2+, den beiden Grabensteiners, die halt auch solche Initialen wie die Gerners haben und ständig die falsche Post zugeschickt bekommen (die Gerners übrigens auch). In der Folge spielt 3:0 Landschaftsarchitektur und gewinnt mit dreiplus. Kennt sich da noch jemand aus? Eher noch als in der Untergruppe mit dem Index 4, wo sich gleich vier (was sonst!) Büros gefunden haben. In alphabetischer Reihenfolge homogen aufsteigend von A nach D: atelier 4, BG4, C4 und din a4. Es lebe der Überblick.
Wie zu erwarten war, wird in zunehmend numerischen Sphären die Luft dünn und die Trefferquote geringer. Immerhin noch dicht gefolgt von den 6B Architekten, die so heißen, weil sie mit solchen Bleistiften zeichnen. Endlich einmal etwas Intelligentes liefert zur Abwechslung das Architekturbüro mit dem programmatischen Namen 08 16. Erst wieder ein Lebenszeichen von Architekturkontoret 38, dann aber lang nichts… Die allerletzten 1000+1Free befreien uns von der unstillbaren Neugier, ob sich hinter dem Zahlenokkultismus doch noch irgendetwas verbergen mag.

auslage in arbeit ist sich dessen bewußt und macht keinen Hehl aus dem permanenten Prozeß des Dazulernens, des Erarbeitens, des kontinuierlichen Wechsels und macht das - eben in der Auslage in Arbeit - zur Straße hin auch sichtbar. Mit lustigen und inhaltlich konsequenten Sachen geht es auch weiterhin creuz & quer (auch das ist das Motto eines Büros): noncon:form geht prinzipiell mit allem nonconform, am meisten wahrscheinlich mit der :form. Und so denkt querkraft zum Beispiel quer (wenn auch nicht creuz & quer), andere betreiben wieder lieber raumkunst, rauben den Dächern die Gaupen (gaupenraub+/-) – aber nur so plus/minus – oder träumen wie die x-dream architects (nicht zu verwechseln mit den x architekten oder den aix architects) vom X-Traum, der wahrscheinlich ganz toll ist, aber so sicher kann man sich da nicht sein.
Egal wie und egal was, man kann im planhaus, im deephaus, im werkraum oder im RAUMlabor sitzen (wichtig ist nur, genug Q.RT Raum für Architektur zu haben), im TEAMWERK oder nach Belieben im SPLITTERWERK arbeiten, sich aufführen wie die Baufrösche – Hauptsache man betreibt seine Sache mit L.O.V.E. und der Beruf wird zum hobby a.. Wem das noch zu wenig ist, der muss eben noch >>mehr machen, nämlich planen & mehr, sodass am Ende more architecture dabei herauskommt. Und zwar z.B. Architektur.
Eines ist sicher: Von Wort Architektur kann man sichtlich gar nicht genug kriegen. Das führt dazu, dass man nicht mehr nur das Haus, sondern gleich auch den Büronamen in literarischen Shape bringt – wie etwa in Form von ARCHItexture oder s.arquitex – und die Grenzen zwischen Ort und Wort dabei wie bei trans.arch transzendentiell verschwimmen.

Ein kleiner Streifzug also durch die „Archifixierten“, wie man sie so schön auf einen gemeinsamen Nenner bringen könnte (mit dem sechsten synn, mit dem sogenannten PlanSinn kann man sich das auf einem Pentaplan oder RATAPLAN etwas besser verdeutlichen): Bei archipicture kann man sich ein Bild davon machen, wie es funktionieren würde, wenn der architekturladen seinen Sitz in der Architekturhalle hätte, selbstverständlich streng bewacht von den archiguards, damit nichts durcheinander kommt. Oder stellen Sie sich einmal vor, irgendwo in der archisphere, über dem südlichen oder nördlichen archipol+ schweben in einer Untertasse namens sputnic oder subbotnik – angetrieben von einem propeller z – ein paar archinauten und drehen auf der Suche nach dem silberpfeil eine loop line nach der anderen. Wenn das nicht Extasia ist!

Seit einem knappen Jahrzehnt schon ist in den Medien permanent die Rede von Revivals und von Retroausbrüchen, die sobald nicht verstummen werden. Der Kinofilm „Apollo 13“ (USA 1995) beweist das genauso eindringlich wie das wiederauflebende futuristische (Raumkapsel-)Design der 60er Jahre, wo die „unendlichen Weiten des Weltraums“ („Raumschiff Enterprise“) wieder zum Tragen kommen. Das inspiriert die Architektur in ihrem formalen Ausformulierungen in solchen Maßen, daß der Autor (Architekt) dabei selbst zum Produkt seiner eigenen Vorliebe mutiert, indem er sich mit genau diesem typologischen Vokabular umgibt.
Dem Phänomen der sogenannten „Jungen“ in der Architekturszene hat sich ein ganzes Heft der schweizerischen Zeitschrift „werk, bauen+wohnen“ unlängst gewidmet (Heft 9/2003) und hat aufgezeigt, dass sich die Umstände in der Schweiz von denen in Österreich offensichtlich nicht allzu stark unterscheiden: der eigene Büroname als Symbol von Zukunft, Progressivität und Freiheit, also von jenen Ideen, die bereits die 68er Generation zum damals aktuellen Jetzt-Zeitpunkt aufgegriffen hat. Als Resultat dieser simplen Formel gibt es da natürlich einige Büronamen, die in den deutschsprachigen Nachbarländern Doppelgänger haben. In dieser Diskrepanz zwischen der heutigen Zeit und den wiederverwerteten Mustern a là zünd-up und Haus Rucker & Co – zeitlich ausgedrückt sind das immerhin fast 40 Jahre – liegt der Beweis dafür, dass die angestrebte Freiheit und der vermeintliche Innovationsgedanke der jungen Architekturbüros von heute nur ein trauriger Abklatsch von gestern sind. Zumindest in medialer und also auch namenstechnischer Hinsicht.

Hat damals noch das utopische Sujet der Raumfahrt für alles mögliche hergehalten, so sind das heute vor allem zwei Dinge: das allgegenwärtige Internet und die sprachliche Neuerfindung bzw. Neudefinition von Wörtern, die (willkürliches?) Produkt von Pop-Kultur, Germanismen und Anglizismen sind. INNOCAD und HOLODECK.at sind so ein Beispiel, noch stärker zum Vorschein gebracht wird die Domain bei www.fuerrot.at. Sollten Sie (wie ich) der unwiderstehlichen Einfachheit von pla.net nicht standhalten und den Namen in seiner konsequenten Knappheit in den Internet Explorer eintippen, so landen Sie auf der Homepage von Networking Britain, die der Architekten heißt nämlich anders.

Was also ist ein SQUID? Beziehungsweise ist es cool im pool? Davon gibt es nämlich gleich zwei: in Wien und in Zürich. Ob da vielleicht ein urban fish drin schwimmt? Nicht, wenn Sie in between ein paar MEGATABS hineinwerfen, die nach Caramel schmecken. Dann läuft er nämlich purpur an und ist am limit, wie the unit seit seiner Neukonstellation heißt (übrigens die Einzigen, die sich statt der grenzenloses Freiheit schon im Vorhinein ein Limit setzen). Es ist egal, ob Sie ARTEC, IGIRIEN, Factory DA oder PPAG heißen (sie könnten natürlich auch PPGmbH oder PPZTKEG heißen, aber das klingt nicht so schön), wichtig ist es, seine literarischen Fähigekeiten aus dem AB domen heraus zu entscheiden und stets im Multipack standfest aufzutreten. (Ein Büro alleine macht ja noch keine Architekturszene.)

Die Architekten jedenfalls haben ihren Spaß und basteln weiter am ultimativen Wort, das den größten Respekt unter allen Anderen einbringen soll, während die potenziellen Kunden schier überfordert sind. Der angestrebte Cluster (das Paradies der Architekten nach US-amerikanischem städtebaulichen Vorbild) geht an einigen Stellen schon auf, an anderen geht er gleich wieder unter. Wer es beim ersten Anlauf nicht geschafft hat, probiert es – in hollywoodscher Manier gleich ein zweites Mal und trumpft mit seiner eigenen Reinkarnation auf. Statt ein Rising Star am Pop-Himmel zu sein, wird man so zum Blockbuster mit unendlich vielen Wiederholungsfolgen. Aus dem Baukünstlerkollektiv wurde - dem Beispiel von Terminator, T2 und T3 folgend – das abgekürzte BKK-2, daraus wiederum BKK-3. Ein bürointerner Krieg ließ the POOR BOYs ENTERPRISE in den Wogen der Architekturszene zerschellen, um in reduzierter Mannschaftsbesatzung als the next ENTERprise wieder für Einschaltquoten zu sorgen.

Nicht verzagen. In der Erkenntnis, dass es um die heimische Architektur nicht so rosig bestellt ist, werden wir getröstet, denn AllesWirdGut. Sollte auch diesem Büro eines Tages eine Neuorganisation ins Haus stehen, so könnte es sozusagen als Auto-Steigerung in vielen Jahren – wenn Realität und Fiktion endlich zueinandergefunden haben werden – unter einem neuen Postulat des Status-quo wiedereröffnen, wenn es dann heißt: alles ist super.

Der vorliegende Beitrag erschien in gekürzter und leicht abgeänderter Form erstmals im Oktober 2003 in Architektur&Bauforum 18.

Wojciech Czaja

Wurde 1978 in Ruda Slaska, Polen, geboren und ist seit 1981 in Wien wohnhaft.
Er ist seit 2002 selbstständig als Architekt tätig und hat 2004 sein Architekturdiplom an der TU Wien erlangt. Derzeit Zivildienst.

Wojciech Czaja arbeitet also als Architekt (lies nach unter www.czaja.at) UND Publizist. Er schreibt in Fachpublikationen wie dem Architektur&Bauforum, fallweise in Architektur aktuell, aber auch im Spectrum der Presse, im Falter oder in h.o.m.e.
Zu ARCHITEKTUR UND PUBLIKATIONEN Wojciech Czaja im Originalton:
Was ist schöner als gleichzeitiges Empfinden und Beschreiben des Mörtelduftes? Praxis und Theorie stehen in direktem Zusammenhang zueinander, Konzeption und Ausführung sind mit Rezeption und Kritik untrennbar verbunden: PUBLIKATUR UND ARCHITEKTIONEN.

Verfasser/in:
ausgewählt von Karin Tschavgova
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