15/07/2007
15/07/2007

Geramb Rose 2007: Haus R in Graz, Feyferlik / Fritzer

Geramb Rose 2005: Jugenscamp Passail. Planung: Holz Box Tirol. Foto: Archiv proHolz Steiermark

Geramb Rose 2002: Tagesheimstätte Pischelsdorf Planung: Arch. DI Irmfied Windbichler. Foto: Arch. DI Irmfied Windbichler

Geramb Rose 2001: Holzwohnbau Trofaiach. Planung: Arch. DI Hubert Rieß. Foto: Damir Fabijanic

Geramb Rose 2000: Marienmühle Graz. Planung: Arch. DI Hans Gangoly, Graz. Foto: Paul Ott

"Baukultur hierzulande"

Ein Beitrag von DI Karl Amtmann zur Baukultur in der Steiermark.

Diskutiert man über die Art des Bauens in den letzten Jahrzehnten, ist man mit unterschiedlichster Kritik konfrontiert. Die Architekten kritisieren die von unfähigen Planern dilettantisch und überladen gestalteten Neubauten. Die Häuslbauer beklagen, dass sie nicht ihren persönlichen Gestaltungswillen durchsetzen können. Die Gewerbetreibenden meinen, notwendige Bauten nicht errichten zu können. Und die Urlauber kritisieren die verlorene Einheit ehemaliger Orts- und Landschaftsbilder. Alle bedauern die fortschreitende Zersiedelung und den Verlust unserer ursprünglichen Kulturlandschaft. Vor Jahren sei ja die Welt noch in Ordnung gewesen. Die Dörfer stellten geschlossene, lebenswerte Gebilde dar und die Bauernhäuser hätten sich harmonisch und für das Auge wohltuend in die Umgebung eingefügt. War es nun früher wirklich besser?

Vergangene Dinge werden oft als die schöneren, wohltuenderen und lebenswerteren verklärt. Tatsächlich aber waren die räumlichen und sozialen Verhältnisse für die Bewohner unbefriedigend und alle wollten ihre Lebensbedingungen verbessern. Die Bauten, vornehmlich Kirchen, Klöster, Pfarrhöfe, Mühlen, Bauernhäuser, entwickelten sich aus den Bedürfnissen der Bewirtschaftung und aus den vorhandenen Baustoffen. Eine große Rolle spielten das Handwerk, das Klima sowie kulturelle und religiöse Traditionen. Mittel waren nur begrenzt vorhanden und Sparsamkeit war oberstes Gebot.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts setzte ein rapider Wandel ein. Industrie- und Gewerbebauten, Schulen, Straßen, Brücken, Eisenbahnen, Bahnhöfe etc. wurden notwendig und drangen in den ländlichen Raum vor. Gasthöfe und Hotels entstanden und nahmen die ersten Urlauber aus der Stadt auf. Die städtische Elite leistete sich Villen, die zum Vorbild für Häuser der Landbevölkerung wurden. Das Ende der tradierten Hauslandschaften war die Folge.

In den letzten Jahrzehnten haben sich die sozialen Verhältnisse gravierend verbessert und die Gesellschaft wurde mobil. Wohnbauförderungen erlauben heute einer breiten Bevölkerung, ihr Einfamilienwohnhaus zu errichten - und Baugrund ist in jeder Gemeinde ausreichend vorhanden. Industriell vorgefertigte Produkte (bis zum ganzen Haus) werden angeboten, sind überall verfügbar und für viele erschwinglich. Unzählige Betriebe, Einkaufsmärkte, Tankstellen und Wohnsiedlungen sind notwendig und wuchern nunmehr allerorts in der zersiedelten Landschaft. Architekt Roland Gnaiger meinte anlässlich seines Vortrages am Steirischen Ortsbildtag 2001 in Straden: „Architektur wurde in der Vergangenheit durch zweierlei bestimmt – durch Kultur und durch Armut. Durch Kultur die Bauten des Klerus, des Adels und des Bürgertums und durch Armut die Bauten der einfachen Bevölkerung.“ Damit brachte er zum Ausdruck, dass die traditionellen Bauten geprägt waren einerseits von geistiger Leistung und andererseits durch begrenzte Mittel und Möglichkeiten.

Beides trifft heute selten zu. Einfamilienhausvillen im bäuerlichen Umfeld werden mit Marmorböden aus fernen Ländern ausgelegt und prägen mit falsch verstandenen Attributen wie Erker, Rundbogenfenster, Ecktürmchen, Turmdächern und Wetterhahn die Landschaft. Umgeben sind sie natürlich nicht von großzügigen Parklandschaften, sondern von schmalen Hausgärten in der Breite der Mindestabstände zu den Nachbarhäusern – die wiederum mit ähnlichen Gestaltungsmerkmalen prahlen.

Das Baugesetz fordert zwar, dass Bauwerke in ihrer gestalterischen Bedeutung dem Straßen-, Orts- und Landschaftsbild gerecht werden müssen. Außerdem dürfen Bauten in Landschaftsschutzgebieten die Landschaft in ihrer Eigenart und Erholungswirkung nicht stören. Kulturbewusstsein lässt sich damit jedoch nicht erzwingen.

Wo liegt nun der Ausweg aus diesem Dilemma? Welche Maßnahmen können zu einer nachhaltigen Verbesserung unserer Baukultur führen? Grundsätzlich sehe ich zwei wesentliche Ansätze, die zielführend sind: die Raumordnung und die Qualität der Planungen.

Die örtliche Raumplanung umfasst jeweils ein Gemeindegebiet, also eine relativ kleine Fläche in einem natürlichen, meist größeren Landschaftsraum. In diesem kleinen Planungsgebiet werden überwiegend die ureigensten Gemeindeinteressen vertreten. Landschaftsrelevante Notwendigkeiten und Zusammenhänge bringen der Gemeinde keinen unmittelbaren Vorteil. Damit ist aber bereits das kleinste Gewerbegebiet oder die kleinste Siedlung für die Gemeinde von größter Bedeutung und verhindert eine dem natürlichen Landschaftsraum angepasste Entwicklung. Als Beispiel möchte ich hier das Pöllauer Tal nennen. In diesem geschlossenen Talkessel und den sechs Gemeinden - mit dem Prädikat Naturpark ausgezeichnet - könnte ein gemeinsames Gewerbegebiet wertvollen Naturraum schonen und Zersiedelung verhindern. Ein diesbezüglicher Versuch wurde vor Jahren gestartet, scheiterte aber im Spannungsfeld der Interessen von Naturschutz, Raumplanung, Gemeinden und Grundeigentümern. Hier ist der Gesetzgeber gefordert, durch neue Zielvorgaben bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, die Lösungen zum Nutzen aller ermöglichen.

Eine bessere Planungsqualität kann nur erzielt werden, wenn der Wert von Baukultur und Bauqualität einem breiten Bevölkerungskreis bewusst gemacht wird. Die Forderung nach mehr Qualität ist vom Nutzer zu stellen und muss auch ein Anliegen der Gesellschaft sein. Baukultur muss daher bereits in Schulen vermittelt werden und ist über Förderungsmodelle steuerbar. Zwanzig- bis dreißigjährige Bauherren sind leider oftmals ihre eigenen Planer und durch Selbstüberschätzung legen sie den Grundstein für Fehlentwicklungen, die letztendlich die Allgemeinheit betreffen. Eine gute Planung muss einen ähnlichen Stellenwert in der Gesellschaft erreichen wie eine gute medizinische Versorgung und benötigt auch entsprechende Fachleute. Dies umso mehr als neue Baustoffe, geänderte Wohnbedürfnisse, neue Anforderungen an die Wohnumgebung, gesundes Wohnen, Energieeinsparung oder Alternativenergienutzung, ein besonders hohes Maß an Wissen erfordern.

Durch den richtigen Einsatz der Mittel unserer Zeit für die Bedürfnisse von heute kann eine hohe Bauqualität und Baukultur erreicht werden. Die Grundlagen dafür müssen aber bewährte Materialien, Formen und Erfahrungen vergangener Epochen bilden, auf denen aufzubauen ist. Dieser Anspruch setzt eine besondere Planungsqualität voraus und kann sicherlich nicht durch Einreichpläne zu Niedrigstpreisen als Draufgabe beim Baustoffeinkauf erreicht werden.

Zum Abschluss möchte ich Adolf Loos zitieren, der 1913 in den „Regeln für den, der in den Bergen baut“ schrieb:
„Baue nicht malerisch. Überlasse solche wirkung den mauern, den bergen und der sonne. Der mensch, der sich malerisch kleidet, ist nicht malerisch, sondern ein hanswurst. Der bauer kleidet sich nicht malerisch. Aber er ist es.“
und weiter:
„Sei wahr! Die natur hält es nur mit der wahrheit. Mit eisernen gitterbrücken verträgt sie sich gut, aber gotische bogen mit brückentürmen und schießscharten weist sie von sich.
Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten bauweisen sind nur dann erlaubt, wenn sie eine verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim alten. Denn die wahrheit, und sei sie hunderte von jahren alt, hat mit uns mehr inneren zusammenhang als die lüge, die neben uns schreitet.“

OBR DI KARL AMTMANN ist Geschäftsführer des Vereins BauKultur. 2005 übernahm der ehemalige Stellvertreter und Leiter des Referates Hochbau die Leitung der Baubezirksleitung Hartberg. Im Jahr 2006 war er Mitglied des Gestaltungsbeirats Naturpark Südsteirisches Weinland - Gamlitz, Spielfeld und St. Johann.

KONTAKT:
OBR DI Karl Amtmann
Verein BauKultur Steiermark
baukultur@steiermark.at

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