04/05/2008
04/05/2008

sonnTAG 225

Einkaufsstraße in Ames/Iowa, eine Kleinstadt mit
ca. 20.000 Einwohnern, Foto: Wolfgang Angeringer

Einkaufszentrum Arena am Waldfeld, Fohnsdorf, nahe Judenburg, eine Kleinstadt mit 10.000 Einwohnern, Steiermark

Arena am Waldfeld

Lebendverbauung bedeutet 25 Tonnen Bodenlebewesen je Hektar und 30cm Tiefe
http://www.biohof-may.de/index.php?sid=acker

Regenwurmlosung. Sie enthält wertvolle Ton-Humus-Komplexe. http://www.ahabc.de/leben/wuermer.html

Wie viel Boden braucht Österreich? - Ein kritischer Blick unter die Oberfläche auf den aktuellen Umgang mit einer wertvollen Ressource.

Von Wolfgang Angeringer

Jedes Jahr werden rund 10.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche versiegelt, was einen dauerhaften Verschluss des Bodens bedeutet und seine vielseitigen und unverzichtbaren ökologischen Funktionen außer Kraft setzt.
Seit 1951 ist die landwirtschaftliche Nutzfläche von ca. 4 Mio. ha auf 3,3 Mio. ha durch Verbauung und Verwaldung geschrumpft (1). Der Großteil dieses Flächenverbrauchs von 700.000 ha war und ist auf den Bau von Straßen, Industrieanlagen und Siedlungen zurückzuführen. Neuerdings setzt allerdings ein an amerikanische Verhältnisse erinnerndes Phänomen ein: der beinahe exzessive Bau von Einkaufszentren. Das bedeutet einen weiteren Druck auf die verbliebenen Acker- und Grünlandflächen.
Dieser Artikel geht der Frage nach, ob es sich Österreich als Land mit ohnehin begrenzter potentieller Ackerfläche leisten kann, diese mit überdimensionierten "Kastengeschäften" samt Parkplätzen einzubetonieren.

Doch nun der Reihe nach:

Was bringt uns der Boden?
Der Boden ist der oberste belebte Teil der Erdkruste. Er sorgt durch die Bereitstellung von Wasser und Nährstoffen dafür, dass Pflanzen wachsen können. Ohne Boden kann pflanzliche Biomasse nur künstlich in Glashäusern produziert werden, allerdings mit maximalem Energieeinsatz für Düngung, Bewässerung, Temperaturregelung und Pflanzenschutz. Im natürlich gewachsenen Boden werden diese so genannten Wachstumsfaktoren großteils kostenlos zur Verfügung gestellt. Rund 25 Tonnen Bodenlebewesen je Hektar und 30 cm Tiefe sorgen für die Lebendverbauung(2). Der Landwirt erzeugt auf den Flächen, die je nach Ausgangsgestein, Topographie und Klima unterschiedliche Ertragsleistung besitzen, Futter für den Viehbestand oder direkt Rohstoffe für die Nahrungsmittelerzeugung. Die dem Boden entzogenen Nährstoffe bringt er als Dünger aus eigener Viehhaltung oder in Form von Handelsdünger wieder aufs Feld. Über eine angepasste Fruchtfolge (jährlicher Wechsel der Kulturen am Schlag) kann der Landwirt die Bodenfruchtbarkeit erhalten.
Der Boden ist außerdem der natürliche Filter für die Grundwasserneubildung - ca. 50% des Trinkwassers in Österreich ist Grundwasser - und stellt aufgenommenes Regenwasser Pflanzen zum Wachstum zur Verfügung. Zudem stecken im enormen Artenreichtum im Boden (Pilze, Bakterien, Protozoen, Insekten, Krebstiere, Spinnentiere, Würmer und Säugetiere), der noch kaum erforscht ist, wertvolle Genreserven. So stammt das von Fleming zufällig entdeckte Antibiotikum Penicillin aus einem Bodenpilz. Auch als erneuerbarer Energieträger spielt der Boden eine Rolle: Wärmepumpen nutzen die konstanten Temperaturen im Boden.
Dies ist nur eine kurze Darstellung und soll den Wert des Bodens in Erinnerung rufen.

Welche Auswirkungen hat die Bodenversiegelung?

Der Flächenverbrauch findet vor allem in ebenen, leicht erreichbaren Tallagen statt, wo auch die wertvollsten Böden zu finden sind. Am Beispiel der Arena am Waldfeld bei Fohnsdorf (Bezirk Judenburg) wird dies besonders gut sichtbar. Die österreichische Bodenkartierung (Bundesamt für Eich- und Vermessungswesen) weist für das Gebiet mittel- bis tiefgründige Braunerden aus, welche teilweise hochwertige Ackerstandorte bieten und auch dementsprechend genutzt werden/wurden. Für den Bezirk Judenburg und die Obersteiermark generell sind/waren diese Böden wichtige landwirtschaftliche Produktionsflächen für die Nahversorgung. Zurzeit werden die Landwirte angesichts noch! niedriger Erzeugerpreise und lukrativer Flächenverkäufe zur Nutzungsaufgabe gebracht. Übrig bleiben Betriebe in Berggebieten, wo oft keine intensive Ackernutzung mehr möglich (und derzeit auch nicht erlaubt) ist. Vor allem kleineren Betrieben bleibt zum Überleben nichts anderes übrig als am Programm für ländliche Entwicklung teilzunehmen (www.ama.at - Cross Compliance, ÖPUL, etc.).

Es hat den Anschein, dass die Landwirtschaft als wertlos betrachtet wird, wie auch aus der regionalen Entwicklungsstrategie der Gemeinden aus der Region hervor geht (www.raumplanung.steiermark.at): dort ist in der Stärken/Schwächen-Analyse (SWOT) zwar von einem "guten überregionalen Versorgungsangebot (Arena am Waldfeld)" die Rede, aber der landwirtschaftliche Wert der Talböden wird ignoriert. Angesichts bereits stattfindender Hungerrevolten aufgrund steigender Lebensmittelpreise in ärmeren Ländern und zunehmender Rohstoffverknappung eine besorgniserregende Tatsache.
Hinzu kommt auch, dass versiegelte Böden kein Wasser aufnehmen und nicht ihre Pufferwirkung für Umweltgifte etc. entfalten können (1m³ Boden mit 3% Humus hat ca. 210.000km² Oberfläche).

Welche Fragen stellen sich für mich als Konsument?

Ist es für mich wirklich wichtig, zwischen drei überdimensionierten Möbelgeschäften mit mehreren Hektar Flächenverbrauch zu wählen, anstatt regional erzeugte Nahrungsmittel kaufen zu können?
Kann ich mich auf meine Einkommens- und Wirtschaftssituation auch in Zukunft verlassen?
Wird es immer genügend fossile Rohstoffe geben, bzw. wird sich eine neue, in gleichen Mengen verfügbare und gleichwertige Energiequelle ergeben, die es erlaubt, Lebensmittel über Tausende von Kilometern billig nach Österreich zu transportieren?
Welche Dinge meines alltäglichen Lebens sind (über-)lebensnotwendig?

Schaut man sich amerikanische Shopping Center an, wird einem die Ähnlichkeit mit unseren "neuen" Einkaufszentren bewusst. Nur dass dort viel mehr Flächen zur Verfügung stehen als in unserer kleinen Alpenrepublik. Bleibt nur zu hoffen, dass der Wert des Bodens und damit der landwirtschaftlichen Urproduktion von unseren Politikern rechtzeitig erkannt und geschützt wird und die Landwirte wieder zu Nahrungsmittelproduzenten werden und weniger "Landschaftserhalter" spielen müssen. Ohne sie gäbe es unsere Kulturlandschaft nicht!

Aichfeld/Fohnsdorf - Bald alles verbaut?
(1) Quellen:
BUCHGRABER, K. & GINDL, G. (2004): Zeitgemäße Grünlandbewirtschaftung (2.A). Leopold Stocker Verlag, Graz-Stuttgart

BUNDESMINISTERIUM FÜR LAND- UND FORSTWIRTSCHAFT, UMWELT UND WASSERWIRTSCHAFT, BMLFUW (2007): Bericht über die Lage der österreichischen Landwirtschaft 2006 (48. Grüner Bericht), Wien

(2) SCHEFFER, F. & SCHACHTSCHABEL, P. (2008): Lehrbuch der Bodenkunde (15.A). Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg

Über den Autor: DI Wolfgang Angeringer, Absolvent der Universität für Bodenkultur, Schwerpunkt Pflanzliche Produktion, Bodenkunde und Naturschutz, Bergbauer in St.Oswald/Möderbrugg mit Grünlandbewirtschaftung auf Hanglage.
Kontakt: wolfgang.angeringer@boku.ac.at

Verfasser/in:
Wolfgang Angeringer
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