29/06/2008
29/06/2008

sonnTAG 233

Folder zur Ausstellung: Gestaltung: Norbert Rusz (zur Vergrößerung auf das Bild klicken)

Foto: Zita Oberwalder

Foto: Zita Oberwalder

Foto: Zita Oberwalder

Foto: Zita Oberwalder

Foto: Zita Oberwalder

Foto: Paul Ott

Foto: Paul Ott

Foto: Paul Ott

Foto: Paul Ott

Foto: Paul Ott

Foto: Paul Ott

"la visita". Fotos: Claudius Pratsch (zur Vergrößerung auf das Bild klicken)

v. li.: Arch. DI Wofgang Feyferlik, die Fotokünstler Paul Ott, Zita Oberwalder, DI Claudius Pratsch sowie Dr. Gerhard Fabisch von der steierm. Bank und Sparkassen AG und Pater Karl Schauer, Superior bei der Eröffnung der Ausstellung zwischennordsüdTURM, am 27.06.2008, in der Turmkammer der Basilika Mariazell. Foto: Michaela Wambacher

zwischennordsüdTURM 08.1 - Zita Oberwalder. Paul Ott. Claudius Pratsch. Eine Ausstellung in der in der Turmkammer der Basilika Mariazell.

Einführung - P. Karl Schauer OSB, Superior

„Mit Mariazell assoziieren die Menschen viel: Mariazeller Madonna, Wallfahrt, Votivbilder und Votivgaben, Schatzkammern, europäische Adresse, Papstbesuch. In den letzten 15 Jahren ist im Stillen viel gewachsen, das wir herzeigen müssen. So die fünf Turmkammern, die eine große Bereicherung sind mit der Weihnachtskrippe, mit den Reliquien und mit den Wachsreliefs. Raum aber auch, der einlädt, nicht nur „Schätze“ zu verwalten, sondern zu gestalten, das Ungesagte zur Sprache zu bringen.
zwischennordsüdturm 08.1 ist der Beginn eines Projektes, dessen Verlauf wir noch nicht genau kennen. Jedenfalls eine Einladung, gestalterisch tätig zu sein. Wir möchten mit Künstlern eine Sprache sprechen, die anspricht.
Den Anfang machen drei Künstler, für die der 8. September 2007 noch nicht der Vergangenheit angehört. Dank zu sagen ist der Steiermärkischen Bank- und Sparkassen AG mit ihrem Vorstandsvorsitzenden Mag. Dr. Gerhard Fabisch. Ohne diese helfende Unterstützung wäre das Ausstellungsprojekt nicht durchführbar.“

Text zur Ausstellung - Ulrich Tragatschnig

Zita Oberwalder, Paul Ott und Claudius Pratsch haben den Besuch des Papstes in Mariazell genutzt, um Blicke auf dieses Ereignis freizulegen und fotografisch festzuhalten, die dem professionellen Bildberichterstatter für gewöhnlich entgehen, weil er sie notgedrungen übergehen muss, um seiner Aufgabe gerecht zu bleiben. Dass sie in ganz anderen Genres der Fotografie bewandert sind, mag ihnen die Umsetzung dieses Vorhabens erleichtert haben.
Mit ihren Fotografien bespielen sie nun die vom Grazer Architekturbüro Feyferlik / Fritzer neu adaptierten Räumlichkeiten im Inneren der Turmaufbauten der Basilika Mariazell.

Ereignisse wie ein Papstbesuch, die nicht nur mit einem denkbar großen Medieninteresse rechnen dürfen, sondern auch besonderen Personenschutzmaßnahmen folgen müssen, erfordern auch recht strikter Reglements, um das Zentrale des Ereignisses bei aller gebotenen Abschirmung noch möglichst nahsichtig verbildlichen zu können. Also werden schon im Vorfeld bestimmte Perspektiven festgelegt, den professionell Beobachtenden genaue, sicherlich bevorzugte Positionen zugeteilt, um den Papst ins Bild zu bringen. Schließlich wollen alle Medienvertreter ein gleich gutes Bild einfangen und in ihrem Medium weitergeben: Nicht zuletzt auch an jene zahlreichen Pilger vor Ort, die den Papst nur via Videowall zu Gesicht bekommen können.

Bildlichkeit heißt Rahmung, heißt die Mitteilbarkeit des Abzubildenden nach allen Seiten abzusichern. Der verhältnismäßig große Aufwand, der dazu in Mariazell betrieben werden muss und schon der eigentlichen Bildfindung voraus läuft, dieser eher enge Vorgaben auferlegt, widerspricht freilich aufs Gröbste jenen Vorstellungen, die der sicher prominenteste Bildjournalist des 20. Jahrhunderts, Henri Cartier-Bresson, noch 1952 von einer gelungenen Reportage haben konnte. Einer sich stets als Überfülle anbietenden Wirklichkeit sei fotografisch mit Besonnenheit zu begegnen, meint ein Selbstzeugnis, mit dem er seine erste Einzelpräsentation im Museum of Modern Art einbegleitet. Der Fotograf solle vermeiden, „zu schnell und zu automatisch herunterzufotografieren“, solle das zu verbildlichende Ereignis statt dessen „im Laufe seiner Entwicklung gewissermaßen umkreisen“, sich ihm „höchst behutsam, auf Samtpfötchen, aber mit Argusaugen nahen“. Das bedeutet für Cartier-Bresson, sich frei und unbemerkt um das Ereignis herum und in ihm zu bewegen, seine Kamera schließlich „mit einer bestimmten Beziehung zu dem Objekt in den Raum zu stellen“ und im entscheidenden Augenblick auszulösen: Ein Bild zu machen, das Zeugnis auch von einem „bestimmten Rhythmus der Oberflächen, Konturen und Tonwerte innerhalb der Wirklichkeit“ gibt, also nicht nur der Wirklichkeit des Fotografen entspricht, sondern auch noch gut komponiert ist.

Zwischen einer solchen, auch künstlerischen Ansprüchen genügenden Reportage und der in Mariazell von vornhinein auf bestimmte Aspekte hin festgelegten Bildberichterstattung liegt freilich einiges. Und noch mehr liegt zwischen den Blicken, die der einzelne in Mariazell erhaschen oder einfach haben konnte und der theatralisch zugeputzten, die Aufmerksamkeit des Einzelnen lenkenden Medienwirklichkeit. Zita Oberwalder, Paul Ott und Claudius Pratsch haben jeweils für sich versucht, die Schranken der streng konventionalisierten Pressefotografie zu durchbrechen und sind dabei, gewissermaßen ohne konkrete Absicht und auch auf jeweils ganz unterschiedliche Weise, den Vorstellungen eines Cartier-Bresson wieder nahe gekommen. So ergänzen sie die Wirklichkeit des Papstbesuches um drei sehr eigenständige Facetten.

Zita Oberwalders Bilder scheinen dem Ereignis gegenüber am zurückhaltendsten. Schon deshalb, weil sie gar nicht erst versuchte, sich am Wettlauf der übrigen Fotografen um die besten Positionen zu beteiligen, es ihr nicht wichtig war, auf das Geschehen von der ersten Reihe aus zu blicken. Sie, die sonst für sich alleine und in Ruhe fotografiert, hielt sich mit ihrer Kamera bewusst zurück, im Hintergrund, um dort auch Hintergründiges festzuhalten, konzentrierte sich auf die stillen Momente, die zwar vom Ereignis geprägt aber nicht im Fokus eines allgemeinen Interesses standen. Wie etwa jene Gruppe Nonnen, die in der künstlich für die Fernsehkameras ausgeleuchteten Basilika und inmitten allen Trubels ihre Andacht zu bewahren wussten und so ihre eigene Welt hatten.
Ihre Bilder bringen damit keine handlungsreichen Abläufe auf den Punkt, sondern zeigen ein weit inwendigeres Geschehen. Und sie sind selbst inwendig, weil aufeinander ebenso bezogen wie auf die Außenwelt. Oberwalders Bilder „tragen einander in sich“. Einmal aufgenommen sind sie Teil eines persönlichen Archivs und sind als solche frei, aus ihren ursprünglichen Zusammenhängen auszubrechen, assoziativ rekombinierbar. So enthält etwa das Bild der Nonnen in sich Spuren jener bei anderer Gelegenheit aufgenommenen Krautpflanzen, die hellgrün im kargen Niemandsland eines winterlichen Gartens sich behaupteten. Und das mit Rosenblüten überreich geschmückte Brunnenbecken in Mariazell unterhält Korrespondenzen zur gleichfalls in Schwarzweiß gebannten Pilgerschar.

Paul Ott hat es ebenfalls vermieden, sich über die strategisch eingerichteten Pressepositionen ins Geschehen einzuklinken. Stattdessen fokussierte er gerade die Bruchstellen zwischen dem Erleben der Pilger vor Ort und der in Mariazell erzeugten Medienwirklichkeit. Wenn in allen seinen Bildern der Papst zu sehen ist, dann zumeist via Monitor, bereits zum Bild gerahmt und abgeschirmt. Als aus Pixeln zusammengesetzter Koloss steht er so dem einzelnen, staunenden Pilger oder der jubelnd winkenden Menge gegenüber. Im Inneren der Basilika, wo die Alten und Kranken dem Geschehen beiwohnten, sieht man ihn gar vervielfältigt auf den an den Pfeilern angebrachten Flachbildschirmen.
Paul Otts Bilder sind den medial transportierten gewissermaßen nachgeordnet. Sie setzen eine medial erzeugte und verbreitete Realität bereits voraus, fangen diese als Bild im Bild erneut ein und bringen sie in Gegensatz zu jener unverstellten Wirklichkeit des sich unmittelbar vor der Linse Ereignenden. Damit sind sie auf die mediale Rahmung fokussiert, wobei Ott, der sonst Architektur verbildlicht, auch diese Rahmung stets auf ihre architektonischen Aspekte zurück bezieht. Architektur bestimmt so auch das Bildgefüge seiner Mariazeller Bilder gewissermaßen als Gerüst. Damit garantiert sie nicht nur die von Cartier-Bresson als Paradigma der Bildkomposition angesprochene Rhythmik der Oberflächen, Konturen und Tonwerte. Mehr als das Ereignis selbst nahm Ott die Räume bzw. die sie bestimmenden Grenzen auf, in denen das Ereignis stattfand.

Claudius Pratsch ist am ehesten den Positionen treu geblieben, die für die Pressefotografen eingerichtet waren. So hat er den Papst auch direkt zu Gesicht und ins Bild bekommen können. Unter den Pressefotografen ist er allerdings mit seiner doch betagten weil noch analogen Ausrüstung aufgefallen. Anders als sie, die mit den neuesten und schnellsten Kameras zu Werke gingen, um nur ja keinen der entscheidenden Momente zu versäumen und sich stets auf das vermeintlich Wesentliche konzentrierten, ging er um vieles gelassener vor. Statt der vorab festgelegten Dramaturgie der liturgischen Abläufe überließ er sich weit stärker jenen Emotionen, die erst bedingten, was er sah, ließ seinen Blick natürlich schweifen und fing so zum Beispiel das Gewölbe über ihm oder Details wie die Flagge am Radstand des Papamobils mit ein, erging sich lange in der Farbigkeit der Plastikfolien, mit denen sich die Pilger vor dem Regen schützten. Bei aller persönlichen Involviertheit als Beobachter entstand so ein dennoch distanzierter Blick auf das Geschehen.
Seine Ergebnisse finden sich nun, teils beschnitten, zu zwei Bildstreifen collagiert. Damit mag ein filmischer Ablauf insinuiert sein, wiewohl die einzelnen Fotos sich nicht nach chronologischen, sondern nach gestalterisch-ästhetischen Kriterien zum Fries zusammenfinden. Bilder, die aus ganz unterschiedlichen Entstehungskontexten stammen, stehen jetzt nebeneinander, womit Pratsch auch die Medienspezifik des Kleinbildstreifens mitreflektiert.
(1) Henri Cartier-Bresson, Der entscheidende Augenblick (1952), in: Wolfgang Kemp (Hg.), Theorie der Fotografie, Bd. 3 (1945–1980), München 1999, S. 78–82.

AUSSTELLUNG:
zwischennordsüdTURM 08.1 - Zita Oberwalder. Paul Ott. Claudius Pratsch

Ausstellungsdauer: 28.06. bis 02.11.2008
Öffnungszeiten: jeweils Fr, Sa, So, ganztägig und nach telefon. Vereinbarung

Ausstellungsort: Basilika Mariazell - Turmkammer
Veranstalter: Basilika Mariazell
Benediktiner Superiorat

KONTAKTE:
Zita Oberwalder: oberwalder_zita@hotmail.com
Paul Ott: office@paul-ott.at
Claudius Pratsch: clpr@s-f-a.eu
Ulrich Tragatschnig: ulrich.tragatschnig@tugraz.at

KURZBIOGRAFIE:
Mag. Dr. Ulrich Tragatschnig (geb. 1972), Studium der Kunstgeschichte; war wissenschaftlicher Mitarbeiter des SFB Moderne in Graz, Lektor am Institut für Kunstgeschichte der Univ. Wien sowie freier Mitarbeiter bei der Tageszeitung Der Standard. Derzeit übt Tragatschnig eine Lehrtätigkeit an der Architekturfakultät der TU Graz aus und verfasst als freier Schreiber u. a. Beiträge für www.gat.st.

Verfasser/in:
Ulrich Tragatschnig
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