13/07/2008
13/07/2008

sonnTAG 235

DI Eva Mohringer-Milowiz

Foto 1: Alles ist ein Denkmal

Foto 2: Unbestrittenes Denkmal: die Karlskirche in Wien

Foto 3: Park des Schlosses Neuwaldegg in Wien

Foto 4: Straßenraum in Wien

Foto 5: Befundung Putzschichten

Foto 6: Bauforschung: Baualterplan

Foto 7: Bad Radkersburg, Färbelungsplan von Fritz Silberbauer, Ausschnitt

Foto 8: Fresko im Keller des Franziskanerklosters in Graz

Foto 9: Bad Radkersburg, Baualterplan von Architekt Klar, Ausschnitt. Fotos: Eva Mohringer-Milowiz

Gedanken über die (steirische) Denkmalpflege im Rückblick.

Von Eva Mohringer

Vier Phasen von Landeskonservatoren habe ich durchlebt und dabei viele verschiedene Moden, Bewertungen und Definitionen erfahren: Alles ist ein Denkmal: Telegrafenmast oder Balkonbrüstung (Foto 1), Nur hoch qualifizierte Objekte (wie Schloss Schönbrunn oder Karlskirche in Wien (Foto 2) sind ein Denkmal. In diesem Fall gäbe es in der Steiermark nicht viele Denkmäler!
Ensembles, Parks (Foto 3), Außenräume wie Plätze und Straßen (Foto 4) sind Denkmäler oder sind keine…. Die Begriffe ‚Außenraum’, ‚Platzraum’ oder ‚städtebaulicher Zusammenhang’ existieren im österreichischen Denkmalschutzgesetz nicht.

Die juristische Definition (Sicht) eines Denkmals unterscheidet sich von der Definition (Sicht) durch einen Kunsthistoriker, von der Definition (Sicht) durch einen Architekten, oder durch die Wirtschaft, Touristik, den Eigentümer, den Nachbarn….oft grundlegend.

Die Bewertung eines Denkmals ändert sich zudem zwingend durch die Globalisierung und die damit verbundenen immer weiter reichenden Vergleichsmöglichkeiten.
Es gibt die lokalen Werte und eine Bewertung im österreichweiten (nationalen) Zusammenhang. Aber der Radius wird EU-weit (EU-Gesetze, Zusammenwachsen der EU, Durchmischung der Völker), bzw. auch weltweit erweitert. Durch das Unesco-Weltkulturerbe, das heute noch schwerpunktmäßig – aus politischen Gründen? - europalastig ist. Aber auch das wird sich ändern.

Die Moden sind veränderlich und richten sich nach der Gesellschaft - derzeit immer mehr nach der Marktwirtschaft. Dementsprechend ändern sich auch die gesellschaftlichen Werte.

Ursprünglich nahm die öffentliche Hand die Verantwortung für die österreichische Kultur und Denkmalpflege mit dem §2 des Denkmalschutzgesetzes wahr. Denn die Kultur ist Allgemeingut und sollte daher allgemein geschützt werden. Durch die heutige Privatisierung – natürlich nicht nur in Österreich und nicht nur in Bezug auf Denkmale – begannen die Politik und die Politiker zu vergessen, was ihr ursprünglicher Sinn und ihre Aufgabe ist, bzw. sein sollte.
Das ist leider eine globale Tendenz, die in verschiedenen Ländern verschieden weit fortgeschritten ist, bzw. durch einen unterschiedlichen Bezug zur eigenen Identität in verschiedenen Nationen auch verschiedene Ausprägungen erfährt. (z. B. in romanischen Ländern anders als in Österreich)

Die Staaten werden heute wie Konzerne geführt. Das Ziel der Politik ist (in Wirklichkeit) materieller Gewinn in kurzer Zeit. Für wen? Nicht für die Gesellschaft. Nicht für das gute Funktionieren der Gesellschaft und die Erhaltung der ethischen Werte. Im Grunde sind es ständige Konkurrenzkämpfe um Macht und Geld (Ressourcen), die leider zu oft zu Kriegen führen.
Der einzelne Mensch ist jederzeit ersetzbar. Er existiert im Staat und im Konzern nicht, sondern nur in der Masse als arbeitende Ameise. Wenn er nicht funktioniert, wird er einfach ausgetauscht.

Aber es gibt immer zugleich eine ausgleichende Tendenz. Die Gegenströmung ist zu spüren.

Da auch das österreichische Denkmalamt heute als Teil der großen Weltkultur von der globalen Entwicklung abhängig ist, ist die Hoffnung auf eine Trendumkehr zu einer politischen Reife der Staaten berechtigt. Damit könnten der Mensch und die ethischen Werte wieder zur Richtlinie politischen Handelns werden. – wir hoffen!
Der Begriff ‚Nachhaltigkeit’ ist immer öfter zu hören.

Nun wieder zurück in die kleine Steiermark, die für uns wenige ‚Hanseln und Greteln’ im Denkmalamt gar nicht so klein ist.
Da es, wie wir wissen und wie schon oben ausgeführt, keine absoluten Regeln und Richtlinien in der Denkmalpflege gibt, gibt es auch entsprechend viele Lösungen.
Dennoch können Grundlagen die Lösungsmöglichkeiten begrenzen, erleichtern und als Entscheidungshilfen dienen: Befundung (Foto 5), Bauforschung (Foto 6), Untersuchung von Materialien, Historische Forschungen, technisches Wissen, usw. sind Hilfsmittel bei unserer Arbeit.

In den 1970er Jahren, zur Zeit meines Eintritts in das Amt, damals mit LK Dr. Ocherbauer, arbeiteten wir in der Baudenkmalpflege rein intuitiv: Die Farbe eines Objektes wurde nach Gefühl ausgesucht, die Oberflächen nach Geschmack…..usw.
Künstler entwickelten ohne Befundung Färbelungspläne, in der Steiermark z. B. der Maler Fritz Silberbauer für Bad Radkersburg (Foto 7). Es sind wunderschöne Kunstwerke, entsprechen aber nicht der historischen Realität.

Geforscht wurde nur im Bereich der Wandmalerei, Fresken (Foto 8) und Glasmalerei. Das waren auch die wissenschaftlichen Interessen von Landeskonservator Dr. Ocherbauer und den leitenden Österreichischen Denkmalpflegern. Zum Glück gab es Arch. Klar im Bundesdenkmalamt, der mit bewundernswerter Konsequenz unendlich viele Baualterpläne (Foto 9) für ganz Österreich erstellte. Trotz aller Ungenauigkeiten bilden sie heute die Basis für die wissenschaftliche Bauforschung.

Es gab keine Ausbildung für DenkmalpflegerInnen, keine Untersuchung vor der Sanierung. Jeder arbeitete, wie er es persönlich für richtig hielt. Dazu ist zu anzumerken, dass man sich im jahrelangen Umgang mit Stilen und Objekten durchaus ein Gespür für den richtigen Umgang mit einem Denkmal erarbeiten kann. Die europaweit einzige Ausbildung in dieser Richtung gab es zu dieser Zeit in Rom.

In den Phasen von Landeskonservator Dr. Kodolitsch und Dr. Kaiser in der Steiermark entwickelte sich endlich im zentralen Wien, in der Kartause Mauerbach, einer Außenstelle des Bundesdenkmalamts mit DI Franz Neubarth als Leiter, eine Forschungstätigkeit in der Baudenkmalpflege. Mit dem Architekten Dr. Bouvier als Landeskonservator wurde die wissenschaftlich fundierte Baudenkmalpflege zur einzigen berechtigten und heute gültigen Form der Denkmalpflege in der Steiermark.

Trotzdem hat bei jeder Restaurierung die Intuition noch ihren wichtigen Platz, sowohl bei den Vorarbeiten, der Analyse (Bauforschung, Befundung, usw.), als auch während der Sanierungsarbeiten, z. B. bei der Entdeckung verdeckter Bauteile, Fresken, usw., und schlussendlich bei der Synthese zum sinnvollen, verwendbaren und für alle verständlichen Objekt und seinem Erscheinungsbild.

Eine Spezialisierung der einzelnen Mitarbeiter in der praktischen Denkmalpflege, wie sie derzeit in der Steiermark mit viel zu wenigen Mitarbeitern bewältigt werden muss, scheint mir aus logistischen Gründen problematisch. Durch persönliche Interessen und Begabungen jedes einzelnen Mitarbeiters entstehen jedoch automatisch Schwerpunktbereiche.

Die verschiedenen Interessen, Charaktere, Talente der Landeskonservatoren und deren Umgang mit den Mitarbeitern haben die Phasen der lokalen Denkmalpflege stark geprägt.

Dr. Ocherbauer war souverän, großzügig, modern im Denken. Sein wissenschaftlicher Schwerpunkt waren die Fresken. Die Mitarbeiter konnten relativ frei arbeiten.

Dr. Kodolitsch war humorvoll im Umgang mit den Klienten und pendelte zwischen Salzburg und der Steiermark. Sein Schwerpunkt war das Barock. Er ließ sich jedoch nicht gerne festlegen.

Beiden waren das Amt und die Denkmalpflege noch ein persönliches Anliegen, offen nach außen, freundschaftlich nach innen. Die Restauratoren waren Freunde, es war eine Zusammenarbeit, wenn irgend möglich, mit Freude. Zugleich bestand eine persönliche und interessierte Anteilnahme an den Kollegen und Mitarbeitern.

Dr. Kaiser führte das Amt in dieser Form ein Jahr lang fort

Danach stellte Dr. Bouvier die steirische Denkmalpflege auf eine besser fundierte, wissenschaftliche Basis, entfernte sich persönlich aber Schritt für Schritt von seinen Mitarbeitern und Klienten. Er machte als Erster aus dem steirischen Denkmalamt, das vorher ein Haufen von mehr oder weniger befreundeten Individuen war, ein bürokratisches Amt mit (fast) anonymen Mitarbeitern, die ihre Funktion in einer hierarchischen Struktur getrennt voneinander wahrnahmen. Durch fehlenden inneren Informationsaustausch war das einheitliche Bild denkmalpflegerischer Lösungen nach außen nicht mehr gegeben. Es wurde eine deutliche Trennlinie zwischen Innen und Außen, Oben und Unten gezogen.

Die Beschäftigung mit der Denkmalpflege ist eine Leidenschaft. Die Intuition und Individualität in der Arbeit sind ein wichtige Faktoren. Durch zu viele Vorschriften, Bürokratie und die Vorgabe einzelner Schritte geht Qualität verloren.
Denn wir dürfen nie vergessen, dass wir mit Objekten befasst sind, die als kleine und große Kunstwerke von Menschen errichtet, meist auch intuitiv entstanden sind.
Eva Mohringer-Milowiz:
Geboren 1944 in Hatzendorf, aufgewachsen am Rosenberg in Villa mit großem Garten und Plumpsklo. Gymnasialzeit in Köln und Graz. 1962 Matura an der Kepler-Realschule. Architekturstudium bis 1970, Staatsprüfung mit einer Klausurarbeit „Künstlerkolonie“. Nach zwei Monaten Praxis in einem Architekturbüro in Villach wurde sie vom damaligen Landeskonservator Dr. Ocherbauer abgeworben. Seit Juli 1970 Arbeit im Denkmalamt. 1970-71 Stipendium in Paris, Kurs für Denkmalpflege. 1973 und 1999 Mitarbeit im Grabungsland Ephesos.
1976 Geburt von Sohn Thomas– drei Karenzjahre (zwei unbezahlt). 1980 Geburt der Tochter Amélie – zwei Karenzjahre. In der Karenzzeit übte Eva Mohringer Milowiz besonders viele handwerkliche Tätigkeiten aus, Schwerpunkt Textilien und fotografierte mit Selbstausarbeitung ab dem 6. Lebensjahr.

Bisherige Ausstellungen:
1998 Graz Landeskonservatorat ‚the wall’
2002 Graz Werkstatt Missenbäck ‚ein Requiem für Erich’
2004 Graz Werkstadt Graz , mein persönliches Archiv ‚meines erachtens’
2005 Graz Mediathek ‚2 positionen’
2007 Graz Kulturabteilung der Stmk. Landesregierung Ganggalerie ‘kulturmist’
2007-2008 Wagna Schloss Retzhof ‚what’s your reality’
2008 Graz, Lagergasse 18 ‚einfach schuh’
Ab 4. April 2008, MUWA „IM ÖFFENTLICHEN RAUM“

Verfasser/in:
Eva Mohringer-Milowiz
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