27/07/2008
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Fotografische Impressionen aus Berlin

Fotos von Vilja Neuwirth, Februar 2008
Fakten recherchiert von Karin Wallmüller, Juni 2008

Die Grazerin Vilja Neuwirth zieht es immer wieder zur Kunst. Ob bildende oder darstellende Kunst, ob Musik oder Architektur: Alles bewegt sie und zwingt sie, sich mit ihr auseinander zu setzen. Der Zwang ist kein beklemmender, viel mehr ein freudiger, geradezu schöpferischer. Kunst wird bei ihr zum Auslöser eigener Bildproduktion mit dem Medium Digitalkamera, allerdings ohne Bildbearbeitung.

GAT.ST darf einen Blick in ihr Fotoschaffen tun und bringt zum Start "Fotografische Impressionen aus Berlin". Barcelona folgt.

Fotos 1 + 2:

Das Museum Berggruen, genannt nach dem Kunstsammler Heinz Berggruen, der 1914 in Berlin geboren, 1936 in die USA emigrierte, sich danach in Paris niederließ, wo er intensiven Kontakt zu Künstlern pflegte und eine Sammlung klassischer Moderne aufbaute. 1996 kehrte er nach Berlin zurück. Mit dem Stülerbau gegenüber dem Schloss Charlottenburg (in der Baugeschichte des Schlosses ist ein Martin Grünberg Ende des 17. Jahrhunderts erwähnt) erhielt die Sammlung ein Zuhause, das Heinz Bergruen selbst als "maßgeschneidert" empfand. Das Museum Berggruen ist neben der Alten und der Neuen Nationalgalerie, dem Hamburger Bahnhof und der Friedrichswerderschen Kirche die fünfte Säule der Deutschen Nationalgalerie. Der Standort ist der westliche Stüler-Bau aus den 1850er Jahren des Architekten Friedrich August Stüler gegenüber dem Schloss. Im östlichen Stüler-Bau befand sich bis 2005 das Ägyptische Museum mit der Büste der Nofretete, die jetzt wieder auf der Museumsinsel zu bewundern ist. Die mächtigen Zwillingsgebäude gegenüber der Eingangsfassade des Schlosses wirken wie Torwächter und runden den Vorplatz ab. Im Inneren besticht die zentrale lichtdurchflutete Treppenanlage. Unter dem Titel "Picasso und seine Zeit" werden auf drei Etagen Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier von Picasso, Klee, Braque, Matisse und Giacometti gezeigt. Mit über 100 Exponaten ist das Werk Picassos in allen Facetten zu sehen: von einem Blatt aus der Studienzeit 1897 bis hin zu Arbeiten von 1972, die ein Jahr vor dem Tod des Künstlers entstanden sind.

Fotos 3 und 4:

Der Hamburger Bahnhof, seit 1996 staatliches Museum der Gegenwart, ist der einzige noch erhaltene, in den Jahren 1846 - 1847 als Kopfbahnhof im spätklassizistischen Stil errichtete, Berliner Bahnhof. 1884 wurde er nach nur 37 Jahren Betriebszeit stillgelegt, da der nahe gelegene Lehrter Bahnhof den Reiseverkehr in Richtung Hamburg bediente. 1906 wurde im Bahnhofshauptgebäude das Königliches Bau- und Verkehrsmuseum später Lokomotivenmuseum eröffnet. Das Museum erwies sich von Anfang an als Publikumsmagnet, worauf 1909 bis 1911 der zweigeschossige linke Flügelbau errichtet wurde. Der Zwillingsflügel auf der rechten Seite folgte in den Jahren 1914 bis 1916. Die nach den Weltkriegen noch erhaltenen Sammlungsstücke wurden an das Dresdner Verkehrsmuseum und an das Technikmuseum Berlin vergeben. 1989 wurde ein Wettbewerb zum Umbau des Bahnhofs ausgeschrieben, den Architekt Kleihues gewann. 1996 erfolgte die Neueröffnung des Hamburger Bahnhofs als Museum der Gegenwart. Es beherbergt die Sammlung Flick, das Beuys Medien-Archiv und Teile der Nationalgalerie so wie wechselnde Ausstellungen von Künstlern. Sarah Wiener, Tochter von Ossi Wiener, betreibt hier ein Restaurant.

Fotos 5 - 7

Das Jüdische Mahnmal, das der 1932 geborene amerikanische Architekt Peter David Eisenman 1998 gemeinsam mit Architekt Richard Serra entworfen hatte und heftige politische und kulturelle Auseinandersetzungen auslöste, wurde in überarbeiteter Form ohne Serra 2005 anlässlich der 60-jährigen Befreiung der Juden aus den Ghettos eröffnet. Das Mahnmal stellt eine Landschaft in Wellen dar. Zitat Eisenman bei der Eröffnung: "Für mich ist von Bedeutung, wie viel ich während des Projekts gelernt habe. Erst gestern habe ich zum ersten Mal gesehen, wie Menschen hinein gelaufen sind, und es ist erstaunlich wie diese Köpfe verschwinden - als würden sie in Wasser abtauchen. Primo Levi spricht in seinem Buch über Auschwitz von einem ähnlichen Bild. Er schreibt, dass die Gefangenen nicht mehr lebendig, aber auch nicht tot waren. Sie waren vielmehr in eine Art persönlicher Hölle herabgestiegen. Ich musste, während ich die Köpfe im Mahnmal verschwinden sah, plötzlich an diese Passage denken. Man sieht nicht häufig, dass Menschen in etwas verschwinden, das flach erscheint." Das Denkmal wird durch einen Ort der Information ergänzt, den Eisenman in der südöstlichen Ecke des Stelenfeldes unterirdisch angelegt hat.

Fotos 8 - 25

Das Jüdische Museum in der heutigen Form geht zurück auf einen 1989 abgehaltenen Wettbewerb zur Erweiterung der Jüdischen Abteilung des Berlin-Museums, den der amerikanische Architekt Daniel Libeskind gewann. Der 1998 fertig gestellte Komplex besteht aus zwei Gebäuden, dem barocken Altbau von 1735 und dem Neubau von Libeskind, die unterirdisch mit einander verbunden sind. Das Jüdische Museum Berlin ist schon vielen Ansichten und Meinungen begegnet. Ob es sich beim Neubau um ein »besonderes« oder ein »normales« Museum handelt, um ein dekonstruktivistisches Meisterwerk oder um ein Exponat an sich - die Wahrnehmung des Einzelnen, an deren Anregung dem Architekten viel lag, entscheidet sich täglich neu und individuell. Vilja Neuwirth beeindruckt der Bau als Ort dramatisch inszenierter Räume, die Eindrücke über Ghettos zu vermitteln imstande sind. Die räumliche Auseinandersetzung mit den Gegensätzen Licht und Schatten, Stein, Metall und Pflanze, Tod und Leben führen zu immer dichter werdenden beklemmenden oder auch befreienden Wahrnehmungen. So stehen für sie die Bäume, die aus den Stelen des "Garten des Exils" sprießen, für Leben, das aus der unbelebten Materie entsteht. Das kreuzförmige Fenster erinnert sie an die vielen christlich getauften Juden, die sich lange sicher gewähnt hatten. Der immer niedriger werdende lange Gang an die Ausweglosigkeit der Situation im Ghetto. Vilja Neuwirth weiß aus Erzählungen ihrer Mutter, dass ihre Eltern schon bald nach dem Erscheinen Hitlers "Mein Kampf" gelesen und sich dem Widerstand anschlossen hatten, weil für sie klar war, wohin es führen wird, wenn dieser an die Macht kommt.

Biografie VILJA NEUWIRTH (*1948)

Geboren und aufgewachsen in Graz, Studium ( Musik-, Gesangs- und Instrumentalpädagogik, Englisch ) ebenda. Schon als Kind leidenschaftliche Theater -und Opernbesucherin, in der Folge Ballettunterricht und lange Zeit aktiv beim Kinder- und Jugendtheater. Klavierunterricht, Gesangs- und Schauspielunterricht . Langjährige Unterrichtstätigkeit an einer BHS als Musik- und Instrumentalpädagogin, mit Schwerpunkt fächerübergreifende Projektarbeit, sowie verantwortlich für Präsentation und für Comenius – Projekte. Drei Jahre Sendegestalterin in der Abteilung E - Musik des ORF, Studio Steiermark. Tätig auch in der Erwachsenenbildung und mit Workshops zum Thema Musik und Film, Musik und Bild, Musik und Bewegung, Theaterformen etc. Lange Zeit Mitglied in Jazz - und später auch Kammerchorensembles, wie u. a. dem Pro Arte Chor und der Domkantorei. Ab dem Jahr 2000 regelmäßige Mitarbeit in der englischen Roland-Collection for Films on Art (Kunstfolder – Layout, Übersetzungen, Fotoarbeiten, usw). Seit dem Ausscheiden aus dem Schuldienst rege Reisetätigkeit, sowie Gestaltung einer eigenen Musiksendung beim unabhängigen Grazer „Radio Helsinki“, zu der auch immer wieder Gäste vor allem aus dem Bereich Kultur eingeladen werden. Ab 2005 Mitglied der Fotosektion des Steiermärkischen Kunstvereins - Werkbund.

Ausstellungen :
„In langsamen Kreisen ein Vogel - Verknüpfungen“. Eine Kunstsparten verbindende Installation der anderen Art in der ESC Graz, im Dez.2005. ( Henry Moore, Film, Literatur, Fotografie, Grafik ).
Teilnahme an Sammelausstellungen des Kunstvereins- Werkbund im Kunsthaus Bruck (Nov.2005) und im Künstlerhaus Graz (2006, 2007,2008).
Fotoausstellungen : „Aus dem Lot“ ( Werkbundgalerie, Juni 2006)
„L’art trouvé“ – Kunst, gefunden im öffentlichen Raum. Kunstuniversität Graz, 2008.

Teilnahme am Schweppes Photographic Portrait Prize 2005, an der RHS Photographic
Competition 2006, der Photo – Stuttgart 2006, der „photo graz 2006“ und an der
„kaunas-photo 08“.

Persönliche Anmerkung :
Zur Fotografie gekommen bin ich zunächst durch Dokumentationsarbeiten für den Bildungsbereich. Während zahlreicher Aufenthalte in London und Südostengland hat sich dann eine neue Art des Sehens herauskristallisiert. Mich faszinieren Oberflächen und Strukturen, Fundstücke, Weggeworfenes, der Blick zu Boden oder himmelwärts, aber vor allem Kunst und Architektur. Dem Alltäglichen und Banalen einen Moment der Spannung zu verleihen und dadurch Gedankenprozesse beim Betrachter in Gang zu setzen gilt mein Bestreben. Ich fotografiere mit einer Digitalkamera, bearbeite meine Fotos aber nicht, denn ich glaube an die „Magie des Augenblicks“.

Verfasser/in:
Vilja Neuwirth (Fotos), Karin Wallmüller (Text)
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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