sonnTAG 249
Anlässlich der Schuldenkrise von Mexiko im Jahr 1985 haben die mexikanischen Katholiken Estelle und Mario Carota ein formelles Ersuchen an den Vatikan gerichtet und darum gebeten, die Position zum Zins darzulegen. Die Kongregation für Glaubenslehre unter der Leitung von Kardinal Ratzinger hat geantwortet, dass die Lehre über den Zins nie neu formuliert worden sei und sich also nichts geändert habe, dass es aber im Vatikan heute niemanden mehr gäbe, der in dieser Frage kompetent sei
Dies macht mehr als deutlich, dass das gegenwärtige System des Kapitalertrages keine Glaubensfrage ist (was oft bestritten wird), da selbst der Vatikan das freie Spiel der Märkte für seine Kapitalgeschäfte akzeptiert und damit quasi säkularisiert hat. Das Kerngeschäft des Stadtstaates, die Verbreitung der religiösen Glaubenslehre, ist dabei nur nach einer simplen Einnahmen-/Ausgabenrechnung in den Wechselwirkungen zur Realwirtschaft betroffen und kann daher auch so dargestellt werden. Das Glaubensbekenntnis selbst verbietet ja nach wie vor die Einhebung von Zinsen.
Im Unterschied zum "moneybag phenomenon" (lesson 1), das quasi ausschließlich auf physikalischen Größen basiert, haben wir es beim Zinsertrag mit einer simplen Prozentrechnung zu tun. Diese setzen wir als handhabbar voraus (1%=100%/100). Während der Zinssatz sich nicht verändert, hat die zur Berechnung angenommene Grundzahl (Anfangskapital) in der Praxis radikale Auswirkungen:
a) angenommene Ausgangssituation: Im Jahr 2000 verdienen die Vorstände der an der Wiener Börse notierten Unternehmen im Schnitt 20-mal mehr als die durchschnittlichen Beschäftigten, im Jahr 2007 das 48-fache. Das österreichische Durchschnittsgehalt (im Jahr 2000 Euro 23.940,00 brutto p.a.) steigt in diesem Zeitraum um insgesamt 14,24%.
b) Kapitalveranlagung / Zinseszins: Der jährliche Zugewinn (die "Lohnerhöhung" = linearer Anstieg vom 20 zum 48-fachen des Durchschnittseinkommens, bzw. 14,24%/7) wird als Kapital zur Verzinsung auf einem Konto angespart. Als Zinssatz wird 5,5% p.a. angenommen. Es ergibt sich als Gesamtertrag für den Vorstand ein 78,6 prozentiges "Zusatzgehalt" im Verhältnis zum Jahreseinkommen 2007, während sich der/die Durchschnittsverdiener/in über 15,53 Prozent freut.