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Bericht
sonnTAG 258

LINZ - BAUTEN FÜR DIE ZUKUNFT
Bericht über einen Tag in Linz, am 01. Dezember 2008.

Text und Fotos: Karin Wallmüller

Am 31.12.08 wird sich Linz als Kulturhauptstadt präsentieren. Tags darauf ist Linz zusammen mit Vilnius, der Hauptstadt Litauens offiziell Kulturhauptstadt Europas 2009. Dementsprechend emsig laufen die abschließenden Arbeiten in der Stadt. Über 2009 hinaus will Linz 2015 die interessanteste Stadt Österreichs sein. Um dafür erst einmal den Wandel in den Köpfen herbeizuführen, wird mit dem Kulturprogramm 2009 der Grundstein gelegt. Sichtbare Zeichen für das aufkeimende neue Lebensgefühl in Linz sind jetzt schon erneuerte öffentliche Räume und neue/erneuerte Bauten.

GAT hat sich einen Monat vor dem Start von Linz09 in der Stadt umgesehen.

AEC, ARS ELECTRONICA CENTER

Zur Eröffnung am 01.01.2009 wird das erweiterte Ars Electronica Center (AEC; Planung: Treusch architecture, Wien) - das kulturelle Leitprojekt am Urfahraner Donauufer gegenüber dem Lentos - fertig. Auf den ersten Blick scheint der städtebauliche Coup gelungen zu sein: Das Lentos hat ein Gegenüber, das den Dialog mit ihm nicht scheuen muss. Allzu lange war das Neue Rathaus das dominante Brückenkopfgebäude vis a vis der am Altstadtufer stehenden Gebäude aus der NS-Zeit. Jetzt, nach seiner Erweiterung, weist das AEC den "Büroberg" in die Schranken. Es besteht aus dem Hauptgebäude, dem abgesenkten Teil mit Ausstellungsflächen und dem Medienkunstlabor mit seiner Arena zur großen öffentlichen Terrasse über dem Ausstellungsteil.

Lohnend ist, den Rundgang von der Brücke kommend, über den Platz vor dem neuen Rathaus zu beginnen: Vom Platz, die Treppen hinunter zum Rad-und Fußweg am Fluss, die Brücke unterquerend, wo der Steg auftaucht, der die obere Terrasse mit dem unten liegendem Weg verbindet. An dieser Stelle haben entlang des Donauufers, auf engstem Raum, Auto-, Fahrrad-, Fußgängerverkehr und ein Zugang zum Wasser Platz gefunden. An der Donau entlang zum nördlichen Ende des AEC zeigt sich, wie eng die Situation neben der Urfahraner Pfarrkirche ist.

Kriterium des Entwurfs, der letztlich zu dieser Form des abtauchenden U geführt hat, war die Wahrung des Blicks auf Alt-Urfahr als einen der ältesten Urfahraner Teile. Umgekehrt sollte auch der Blick von Urfahr zur Altstadt erhalten bleiben. Der Maßstab des neu geschaffenen öffentlichen Raumes mit Terrasse und Stufenanlage kontrastiert zwar mit dem des Umfeldes, kann sich aber großzügig mit Leben füllen.

Im Mai 2009 wird die Kammer der Arch+Ing OÖ ein Zeichen setzen: Direkt vor dem AEC wird das LINZER AUGE in der Donau positioniert. Ein rotierendes begehbares Objekt, angetrieben von der Donau, wird Linz anders als bisher erlebbar machen. (Abb. 03 – 17)

SÜDFLÜGEL, LINZER SCHLOSS

Im Juli 2007 soll der Südflügel des Schlosses, die Ergänzung der bestehenden Schlossanlage nach den Verwüstungen des großen Brandes im Jahr 1800, eröffnet werden. Damit entsteht ein Museumsensemble am Schlossberg, das die Sammlungen des Oberösterreichischen Landesmuseums von der Ur- bis zur Zeitgeschichte des 20. Jahrhunderts präsentieren kann und speziell im neuen Trakt Technik und Naturgeschichte in einer Dauerausstellung zeigen wird.

Der Südflügel (Planung: HoG Architektur, Graz) ist als Stahl-Brückenkonstruktion auf zwei Betonträgern mit einer Auskragung zum Westflügel hin geplant. Der Rundumgang im Museum mit 18.000 m² Ausstellungsfläche) erfolgt einerseits über den Südflügel (6.000 m²) andererseits über Verbindungswege unter und über dem Hof: Eine Verbindungsbrücke in der oberen Hälfte des lang gestreckten Hofes eröffnet interessante Blickperspektiven, während ein unterirdischer Verbindungsgang direkt unter der Brücke zum bestehenden Keller, diesen barrierefrei begehbar macht. Die Anlieferung der schweren Objekte wird in Zukunft über den unterirdischen Gang zum Keller des Schlosses vom Tummelplatz aus erfolgen. Dafür wurde vom Denkmalamt der Durchbruch durch die mächtige südseitige Stützmauer genehmigt.
Der Hof, durch die neue Verbindungsbrücke in einen unteren und einen oberen Hof zoniert, wird im Sinne eines öffentlichen Erholungsraumes überwiegend begrünt. Die gastronomischen Bereiche sind vom unteren Hof aus über eine Treppe und vom oberen Hof über die offene gedeckte Terrasse erreichbar. Auf dieser bietet sich ein erster Panoramablick auf die Altstadt mit ihren vielen Türmen. Übertroffen wird dieser Blick ein Geschoss höher vom großen Saal aus und von der davor liegenden Terrasse. Linz freut sich, eine Sicht auf die Stadt zu haben, die es bis dato nicht gab. Anfragen, den Saal zu mieten, liegen jetzt schon vor. (Abb. 18 – 24)

PROMENADE

Der Blick hinunter in die unter dem Südflügel des Schlosses gelegene Altstadt zeigt eine winkelförmige Grünzone mit Bäumen - die Promenade, an der u. a. das barocke Landestheater (mit Bühnenhaus) und das Renaissance-Landhaus (mit Turm) liegen. Entstanden ist die Promenade aufgrund des Abrisses der Stadtmauer mitsamt ihrem Graben. Der ganze Bereich wurde für eine Tiefgarage (488 Pkw, Planung: Arch. Kneidinger, Linz) unterbaut und befindet sich gerade im Stadium der Oberflächenarbeiten für die Aufenthalts- und Gehbereiche (Planung: el.ch Landschaftsarchitekten, München). Von der Promenade aus wird das Schloss über eine alte Treppenanlage direkt zugänglich sein. (Abb. 25 – 27)

DOMPLATZ

So gut wie fertig ist auch der Platz vor dem Mariendom. Ein dem Sakralbau entsprechend großer, ruhig gestalteter Raum, der vom Dom, dem nördlich angrenzenden Park und der Häuserzeile an der Stifterstraße gerahmt, ebenfalls mit einer Tiefgarage ausgestattet ist. Das Domviertel war Gegenstand eines Wettbewerbs, aus dem Hohensinn Architektur aus Graz als Sieger hervorging. Das Team wandelte die beengten städtebaulichen Verhältnisse in die jetzige Folge öffentlicher Räume um und zeichnet auch für den Umbau der Häuser Herrenstraße 36 und 38 und das neue STADTHOTEL, ein Haus mit flexibler Nutzung, verantwortlich. Im April 2009 soll alles fertig sein. Hohensinn Architektur baut derzeit auch im Winterhafen an der Donau an einem Wohn- und Bürokomplex (Wettbewerb 2002), der bis 2010 fertig sein soll. Bausumme: ca. 35 Millionen. (Abb. 28 – 30)

OK, OFFENES KULTURHAUS

Der lang gestreckte neue Multifunktionsbau mit Turm von Riepl Riepl Architekten aus Linz bildet zusammen mit dem gegenüber liegenden ehemaligen Kloster der Ursulinen (1968 aufgegeben, 1972 von OÖ erworben, 1977 Landeskulturzentrum U-Hof) und dem OK (ehemaliger Schultrakt) einen öffentlichen Raum, der sich dank vielfältiger Veranstaltungen großer Frequenz erfreut und räumlich von der Spannung zwischen Alt und Neu lebt.

Mit dem OK hat das Land Oberösterreich einen dynamischen Kunstraum geschaffen, der aktuellen Strömungen Platz zur Darstellung und vernetzten Entwicklung bietet. In dieser nunmehr über 15 Jahre gereiften Kulturinstitution wird ein experimentierfreudiges, offenes Konzept verfolgt, welches mehrere Schwerpunkte hat. Zum einen werden vorwiegend junge internationale KünstlerInnen eingeladen, die im OK die Möglichkeit haben, ihre Werke von der ersten Idee bis zu ihrer Ausführung umzusetzen und dabei auf die gute Infrastruktur des Hauses zurückgreifen. Zum anderen werden Themen- oder Einzelausstellungen organisiert. Hier profitiert das OK von seiner internationalen Vernetzung und verfolgt gemeinsame Ausstellungs- und Installationsprojekte mit ausländischen und lokalen Institutionen. Diese Kontakte nutzt das OK auch im Rahmen seines dritten Schwerpunktes, der in der Achsenbildung zwischen regionalen Kunstschaffenden mit ihren Kollegen weltweit liegt.

Das OK ist in der ehemaligen Ursulinenschule untergebracht und wurde 1998 von Riepl Riepl umgebaut. Seit 2007 präsentiert sich das OK wiederum verändert: Eine räumliche und organisatorische Allianz mit dem Moviemento Programmkino bietet den BesucherInnen neue Räume und Erlebnismöglichkeiten. Solaris, die Cafe-Bar im EG, ein äußerst modern ausgestatteter Kinosaal im von 2006 bis 2007 errichteten Multifunktionsgebäude und der urban gestaltete OK-Platz mit Gastrobetrieben, Sommerkino und Gastgarten, sowie die historisch bedeutende achteckige Kapelle am Platz schaffen eine Umgebung, die sich mittlerweile als Kulturbezirk definiert.

Von Mai bis September 2009 wird das OK Schauplatz des HÖHENRAUSCH, einem Projekt von Linz09, bei dem die Dächer von Linz bespielt und begangen werden. (Abb. 31 – 37)

KUNSTUNIVERSITÄT LINZ

Die Universität für künstlerische und industrielle Gestaltung Linz unterhält am Standort Kollegiumgasse das Institut für Bildende Kunst und Kulturwissenschaften, das Ludwig Bolzmann Institut, Arbeitsbereiche des Zentralen Informatikdienstes und die ÖH. Im Hof des barocken Bestandsgebäudes mit wechselvoller Geschichte wurde 2006 ein Erweiterungsbau (Planung: Architekten Schneider + Lengauer) eröffnet, der mit Audimax, Metallwerkstätte und Café mit Dachterrasse den Umbau zur Universitätsnutzung abschloss. Der neue weiße Kubus mit Glasmosaikfassade und deutlicher Fuge zum Bestand setzt einen Kontrast ohne zu dominieren.

Über den 2007 gestalteten PFARRPLATZ mit Tiefgarage (Planung: Arch. Kneidinger + Lang, Linz) gelangt man auf kurzen Weg zum LENTOS Kunstmuseum (2003, Planung: Architekten Weber + Hofer, Zürich) und weiter zum Brucknerhaus (1974, Planung: Heikki + Kaja Sirén, Helsinki) an der Unteren Donaulände. (Abb. 38 – 42)

SALZSTADL

Mit der Renovierung und Adaptierung des alten Salzamtes an der Donau (1706 errichtet) schafft Linz ein Internationales Atelierhaus für bildende Kunst und einen Ort für künstlerische und kulturelle Aktivitäten und Begegnungen. Topographisch markiert der Gebäudekomplex eine Eingangssituation, baugeschichtlich ist er Teil des mittelalterlichen Stadtkerns. Das neu adaptierte Haus soll Anlegestelle und Transitraum für künstlerische Ideen, Entwürfe und Gestaltungen werden: Für den künstlerisch/kritischen Blick von außen nach innen und umgekehrt. Ort des Diskurses mit Gästen, der Kunst- und Kulturvermittlung, der internationalen Netzwerkbildung z.B. mit den europäischen Kulturhauptstädten.

Geschaffen werden Arbeitsräume und Wohnateliers für Stipendiaten (bis zu 12 Monate freie Unterkunft) und Linzer bzw. regionale Künstler, außerdem Kommunikations- und Ausstellungsbereiche und eine Werkstatt. Die Einrichtungen der anderen Kunst- und Kulturinstitutionen können mitbenützt werden. Seit 2006 wird gearbeitet, die Fassaden sind fertig, die Innenarbeiten (1700 m2 NF) werden wohl über das Jahr 2009 hinausgehen. Der großartige Dachstuhl ist in sehr gutem Zustand und wurde gesondert unter Schutz gestellt. Das Dachgeschoss bleibt vorerst ungenutzt. (Abb. 43 – 48)

MUSIKTHEATER

Das neue Musiktheater (Terry Pawson Architects, London, Wettbewerb 2006), für dessen Bau sich 68 % der Linzer ausgesprochen haben, wird ab 2012 einen Standort aufwerten, der historisch schon im Blickpunkt gestanden ist. Einerseits gab es im Volksgarten gegenüber schon einmal ein Theater, andererseits plante auch Hitler eine Oper an dieser Stelle (Links: Patenstadt des Führers und Kulturhauptstadt des Führers). Das MUTH wird den Schnittpunkt der wichtigsten innerstädtischen Verkehrsachsen markieren: Der Ostwest-Achse vom Wissensturm über den Hauptbahnhof bis zum ORF-Landesstudio und Design Center am Europaplatz und der zentralen Nordsüd-Achse von der Donau über die Landstraße zur Wienerstraße.

Pawson schließt mit seinem Entwurf die derzeit nach Süden hin offene Nordsüd-Achse und öffnet das MUTH mit großer Geste zum Volksgarten, will Gebäude und Park miteinander verbinden. Nach den Verhandlungen mit LinzLinien wird nun aber keine direkte Anbindung des MUTH an die Straßenbahn erfolgen, weil sie an dieser Stelle bereits in den Untergrund abgetaucht ist und ein Umbau des Tunnels zu teuer käme. Also werden die Besucher in Zukunft gute 50 m über eine Fußgängerzone oberirdisch bis zum Foyer gehen. Kein Nachteil, das große Haus von weiter weg zu erleben. Das Foyer soll ganztägig öffentlich zugänglich werden.

Der Autoverkehr wird Richtung Bahntrasse verlegt, die Einfahrt in das MUTH wird vom Norden erfolgen. Der Spatenstich für die neue Verkehrslösung erfolgte am 13.03.2008. Die Einreichplanung für das Gebäude wurde am 03.11.2008 übergeben. Zurzeit ist von Bautätigkeiten nichts zu sehen. Nach Diskussionen mit Pawson über die Ausführung der Fassade, musste dieser von der geplanten Cortenstahlfassade abrücken.

Vom MUTH Richtung Hauptbahnhof kommt man am Linz-AG Turm, dem Sitz des Konzerns für Energie, Telekommunikation, Verkehr und kommunale Dienste und am Komplex des Landesdienstleistungszentrums (52 000m2 NF, Büro + Geschäfte, Planung: Architekten Neumann+Steiner + Kaufmann+Partner, 2001-2004) vorbei und erreicht gegenüber dem Bahnhof (Planung: Arch. Wilhelm Holzbauer, Wien) den WISSENSTURM, der mit der Hauptbibliothek, der Mediathek und der Volkshochschule auf 15.400 m² in 17 Geschossen zum Zentrum für lebensbegleitendes Lernen wurde. (Eröffnung 2007, Planung: Arch. Kneidinger, Linz)
Fotos 49 – 54

Auf nach Linz - aber nehmen Sie sich mehr als einen Tag Zeit!

Wissenswert:
Beirat für Stadtgestaltung, sh. Architekturforum OÖ
http://www.afo.at

Weitere Bauwerke:
VOEST Alpine Stahl Sercice Center, x architekten, 2005, sh. nextroom.at

Besucherstege VOEST, Caramel Architekten, 2006, sh. nextroom.at

J.Kepler Universität Linz, Science Park, Caramel Architekten, 1. BA fertig Ende 2009

Sportpark Linz-Pichling, Schwarzenbacher Architektur, Ende 2008

Austria Tabakwerke, Peter Behrens, Alexander Popp, 1929-1935,
sh. nextroom.at

KARIN WALLMÜLLER lebt und arbeitet als Architektin in Graz.

Verfasser / in:

Karin Wallmüller

Datum:

Sun 21/12/2008

Infobox

Vom AEC bis zur neuen Oper unweit des Bahnhofs inclusive Linzer Radl.

Bericht über einen Tag in Linz, am 01. Dezember 2008. Knapp vor Eröffnung des Kulturstadt-Jahres.

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