01/02/2007
01/02/2007

Mechs, Tischler: Der Entwurf „Colored Strips“ gliedert das Grundstück mittels Straßen in Bebauungsstreifen, auf denen durch Vorgabe wechselnder Bebauungsdichten und Wohnungstypen ein Mix der Bewohner erzeugt wird. Foto: Mechs, Tischler

In Querrichtung erlaubt ein Netzwerk von Grünflächen, die bereits zu Beginn der Bauphase als Gärten angelegt werden, die Bewegung zwischen den Bebauungsstreifen. Abbildung: Mechs, Tischler

Unterschiedliche Rottöne kennzeichnen unterschiedliche Dichten der Bebauung. Links unten im Bild das Africa Centre (gold). Abbildung: Mechs, Tischler

Die Wohnungen öffnen sich sowohl zu privaten Patios als auch zum öffentlichen Straßenraum. Foto: Mechs, Tischler

Das Africa Centre (links) ist anti-monumental im Gelände versenkt, ausladende Lamellenstrukturen spenden Schatten. Foto: Mechs, Tischler

LOVE architecture and urbanism: “Southbank Wings” sieht eine lockere Bebauung des Grundstücks nach dem Vorbild der afrikanischen Streusiedlung vor. Die Weite der Landschaft soll so erhalten bleiben. Abbildung: LOVE

Frei geformte Gebäuderiegel bilden eine offene Struktur, die vielfältige Raumsituationen erzeugt. „Wir wollten keinen klassischen Städtebau mit hierarchischen Strukturen, sondern den Raum guerillia-mäßig besetzen.“ Foto: LOVE

Die eingeschoßigen Gebäuderiegel werden durch Boden- und Deckenplatten gebildet, die je nach Bedarf ausgebaut werden können. Foto: LOVE

Unter den Riegeln gibt es jede Menge Platz für informelle Aktivitäten. Foto: LOVE

Das Africa Centre faltet sich aus der Landschaft und umkreist eine öffentliche Arena. Foto: LOVE

Africa Centre. Foto: LOVE

Bei einem internationalen Städtebau-Wettbewerb in Südafrika landen zwei junge Grazer Architektenteams unter hundert Teilnehmern punktgenau am zweiten Platz. Ein Zufall?

Mitnichten, denn es ist nicht das erste Mal, dass junge Grazer Architekturbüros im Ausland reüssieren. War es in den vergangenen Jahren schlichte Notwendigkeit, sich aufgrund der schmalen Auftragslage international zu orientieren, steht in Zeiten der Hochkonjunktur der Spaß am Unbekannten im Vordergrund. „Wir waren in Südafrika auf Urlaub und sind danach durch Zufall in den Wettbewerb hineingerutscht“, erzählen Mark Jenewein und Bernhard Schönherr vom Büro LOVE architecture and urbanism. LOVE errangen ebenso wie Martin Mechs in Zusammenarbeit mit dem Architekturbüro Uli Tischler beim internationalen städtebaulichen Wettbewerb Southbank Competition in Südafrika eine lobende Erwähnung und somit ex aequo Platz 2. „Im Grunde habe ich nach einem spannenden Diplomarbeitsthema gesucht“, beschreibt auch Mechs, derzeit noch Architekturstudent, die eher zufällige Teilnahme seines Teams am Wettbewerb.

Beide Büros sind allerdings auf internationalem Terrain kampferprobt: LOVE nahmen bereits erfolgreich an Städtebau-Wettbewerben in Hamburg, München und Seoul teil, Mechs und Tischler in Nürnberg – fast scheint es logisch, dass der Erfolg auch diesmal nicht ausblieb. „Vielleicht ist es die Außensicht, die gegenüber einheimischen Teams einen Startvorteil bietet“, überlegen LOVE. Ein Bonus, der allerdings verstärkt die Frage nach den tatsächlichen Absichten von Wettbewerbs-Auslobern aufwerfen mag, für die man möglicherweise ja auch einmal baut. Nicht zuletzt in einem Land, das die Apartheid erst 1994 abgeschafft hat. Hier lohnt also ein genauerer Blick auf die Aufgabenstellung.

Auf einem 450-Hektar-Grundstück in den Weinbergen nahe Kapstadt soll unter Führung des privaten Unternehmens Spier Holdings eine Idealstadt für etwa 3000 Bewohner unterschiedlicher Gesellschafts- und Einkommensgruppen nach ökologischen Gesichtspunkten entstehen. 1000 Kauf- und Mietwohnungen, ein Hotel, Unterkünfte für Artists in Residence, Schulen, Kindergärten sowie das Africa Centre, mit 15000 Quadratmetern das künftig größte Museum für Gegenwartskunst am afrikanischen Kontinent, sind geplant.

„Echte Ambitionen“, orten LOVE hinsichtlich des beabsichtigten Zusammenlebens schwarzer und weißer Bevölkerungsgruppen in der neuen Stadt. Eine Idealvorstellung, die allerdings auch dem Trend der Zeit zu entsprechen scheint, zumal in Südafrika Investoren nunmehr per Gesetz dazu angehalten werden, auf den Ausgleich unterschiedlicher Bevölkerungsschichten zu achten. „Ihre Ziele nehme ich den Auslobern ab“, sagt auch Mechs, „gleichzeitig sind sie freilich politisch opportun.“

„Colored Strips“
Mechs und sein Team nahmen die sozialen Herausforderungen des Wettbewerbs jedenfalls an. Ihr Entwurf „Colored Strips“ gliedert das Grundstück mittels Straßen in Bebauungsstreifen gleicher Breite, auf denen der erwünschte Bevölkerungsmix durch die Vorgabe wechselnder Bebauungsdichten und Wohnungstypen garantiert werden soll. Unterschiedliche Bewohner sollen durch unterschiedliche Wohnqualitäten – vom Einfamilienhaus bis zum dreigeschoßigen urbanen Appartement – angesprochen werden. „Wir glauben trotzdem nicht an die totale Durchmischung“, sagt Mechs, „innerhalb der Streifen sollen eher Nachbarschaften sozial ähnlicher Bewohnergruppen entstehen, quer dazu treffen dann unterschiedliche Gesellschaftsschichten aufeinander.“ Sowohl Abgrenzung als auch Kontakt sollen möglich sein, denn: „Ich weiß nicht, wie die ideale Stadt aussieht, und ich will es auch gar nicht wissen.“

„Southbank Wings”
„Keine blöden Regeln“ fordern hingegen LOVE mit ihrem Konzept „Southbank Wings”, das eine lockere Bebauung des Grundstücks nach dem Vorbild der afrikanischen Streusiedlung vorsieht. Beabsichtigt sei ein „Athmosphären-Boogie-Woogie durch unterschiedliche Raumsituationen“, erläutern LOVE die durchlässige Struktur ihrer frei geformten eingeschoßigen Gebäuderiegel, die wie hingeworfen in der Landschaft liegen: „Wir wollten keinen klassischen Städtebau mit hierarchischen Strukturen wie Achsen und Plätze, wir wollen den Raum guerilliamäßig besetzen.“ Wie die Bebauung tatsächlich aussieht und wer darin wohnen mag, wird nur angedeutet und soll im Übrigen dem Spiel von Angebot und Nachfrage überlassen bleiben: „Wir negieren die Gesetze des Marktes nicht, wir arbeiten damit.“

Beide Teams platzierten den Komplex des African Centre am Rand der Siedlung – übrigens im Unterschied zum Gewinner des Wettbewerbs, thread collective & normaldesign aus New York. Hier wurde das Museum in kleinen Einheiten dezentral über die ganze Stadt verstreut. Ein Ansatz, den wiederum Mechs als „hochproblematisch“ beurteilt: „Wenn dann täglich tausende Museumsbesucher durch die Siedlung laufen, gibt es für die Bewohner gar keine Normalität mehr.“

Mit dem Problem der Musealisierung wird sich die Siedlung – derzeit noch ohne Namen – aber so oder so herumschlagen müssen. Geplant vor den Toren eines touristisch bedeutenden Nobel-Freizeitparks, erinnert die Idealstadt, die in den kommenden 30 Jahren gebaut werden soll, trotz bester Absichten bisweilen an ein Freilichtmuseum. Dies nicht zuletzt, da die Stadt – von der Größe her vergleichbar mit Orten wie Murau oder Admont – gänzlich privat verwaltet wird. Die Bildung einer politischen Kommune wird vonseiten der Auslober nicht forciert. Für LOVE kein Thema, Mechs allerdings betont: „Wir haben ein Rathaus vorgeschlagen.“

TEAMS:

Martin Mechs und Architekturbüro Uli Tischler: „Colored Strips“.
Mitarbeit: Felicitas Konecny, Wolfgang Isopp, Christina Kimmerle, Markus Hopferwieser, Christoph Wiesmayr, Herwig Marx. Renderings: Jakob Winkler. Modell: Patrick Klammer. Landschaftsplanung: Land in Sicht. Umweltplanung: Arge Energie AEE INTEC. Partnerbüro Südafrika: Kruger Roos Architects & Urban Designers.

LOVE architecture and urbanism: “Southbank Wings”.
Mitarbeit: Gerald Brencic, Florian Fanta. Modell: Julius Popa, Hora Hundorfean.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Bericht
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