19/07/2007
19/07/2007

LR Johann Seitinger zeigt sich vom Wohnbaupilotprojekt begeistert.

Mitten in Gleisdorf soll ein zukunftsweisender Wohnbau für verschiedene Generationen entstehen. Foto: Paul Rajakovics

Mitten in Gleisdorf soll ein zukunftsweisender Wohnbau für verschiedene Generationen entstehen. Foto: Paul Rajakovics

Yona Friedmann. Foto: Archiv ARTIMAGE

Siegfried Loos ist für Großzügigkeit im Wohnbau im Hinblick auf Raumhöhen und Baumaterialien. Foto: ch.s.

Wolfgang Feyferlik ist überzeugt davon, dass ein Grundriss nicht die Welt verbessern kann. Foto: ch.s.

Charlotte Pöchhacker (ARTIMAGE) und Bernd Vlay (EUROPAN A) im Trialog mit Yona Friedmann, am Abend der Präsentation. Foto: ch.s.

Thomas Pucher beschreibt anhand eines eigenen Projektes, wie Nutzungsmischung erfolgreich sein kann. Foto: ch.s.

Für Manfred Wolff-Plottegg heißt Bauen ordnen und Wohnen aufräumen. Foto: ch.s.

Vladimir Tolstoi weiht die Containersiedlung „Karl Marx Hof 2“ ein

Am Montag, den 16. Juli präsentierten das Land Steiermark, Wohnbauforschung, ARTIMAGE und EUROPAN A unter dem Titel „Gesellschaft und Ökologie. Generationen Wohnen“ im Generalihof in Graz einen europaweit offenen Pilotwettbewerb. Das Verfahren soll ein Leitmodell für den steirischen Wohnbau hervorbringen, das innovative zukunftsweisende Konzepte für das moderne Wohnen aufzeigt. Kernthemen sind eine nachhaltige Siedlungspolitik, vielfältiges Wohnen der Generationen und ökologische Nachhaltigkeit.

Da das Wohnbauprojekt über mehrere Jahre beobachtet und evaluiert werden soll, werden Fachleute(„Wohnpilotinnen“) aus den Feldern der Architektur, Soziologie und Ökologie das Projekt innerhalb eines Rahmenprogramms begleiten. Das kann in Form von Workshops, Vorträgen, Podiumsdiskussionen und Wohnbaukonferenzen erfolgen.

Am Abend der Präsentation sprach LR Johann Seitinger einleitende Worte. Er sieht dieses Projekt als Reaktion auf gesellschaftliche und klimatische Veränderungen. Sein Ziel ist es, ein zukunftsweisendes Wohnbauprojekt zu verwirklichen, das den neuen Ansprüchen der Gesellschaft gerecht wird und eine gute Mischung aus Kunst und Wirtschaft darstellt.

Der französische Architekturtheoretiker und Visionär Yona Friedmann, der erste „Wohnbaupilot“ des Wettbewerbprojekts, konnte leider aus privaten Gründen nicht nach Graz kommen und trat daher per Video in einen Trialog mit Charlotte Pöchhacker (ARTIMAGE) und Bernd Vlay (EUROPAN), die den Pilotwettbewerb konzipieren. Friedmann sprach über seine Auffassung von Architektur, nach der Gesellschaft und Umwelt untrennbar miteinander verbunden sind, und weiters von den kleinen Schritten mit großen Perspektiven im Sinne einer machbaren Utopie.

Anschließend waren auf die Frage „Können wir heute wohnen lernen?“ 16 Positionen von 16 ArchitektInnen zu hören: Bettina Götz (ARTEC) und Mark Blaschitz (SPLITTERWERK) sprachen von der Notwendigkeit der Findung neuer Rezepturen und Veränderungen. Brian Cody (Vorstand des Instituts für Gebäude und Energie, TU Graz) setzte sich für „form follows energy“ ein. Volker Giencke stellte fest, dass der Wohnbau schäbig behandelt werde und propagierte das Wilde Wohnen. Klaus Kada ärgerte sich über die Blockierung von guten Ideen durch Pseudowirtschaftlichkeit. Siegfried Loos (Polar÷) plädierte für mehr Großzügigkeit im Wohnbau im Bezug auf Raumhöhen und Baumaterialien. Eugen Gross (WERKGRUPPE) und Siegfried Kristan (A15, Wohnbauförderung, Land Steiermark) sprachen über gelungen Wohnbauten, wie die Terrassenhaussiedlung in Graz-St. Peter. Wolfgang Köck (PENTAPLAN) erklärte, wie man in neuen Wohnbaukonzepten Sehnsüchte (nach einem Einfamilienhaus mit Garten) befriedigt und ein Stück Garten durch ein Stück Himmel ersetzt. Wolfgang Feyferlik (FEYFERLIK / FRITZER) kritisierte, dass der soziale Wohnbau eine zwei Klassen Wohngesellschaft hervorgebracht und sozialer Wohnbau viel mit politischem Liebäugeln zu tun habe. Er betonte, dass ein Grundriss nicht unbedingt etwas zum Besseren wenden müsse, sehr wohl aber das Gemüt erheitern könne. Markus Pernthaler äußerte drei Wünsche, nämlich, dass der Wohnbau als schlagkräftiges Instrument der Stadtplanung gesehen werden soll, Investoren und Auftraggeber aus starren Programmen ausbrechen und längerfristige Finanzierungsmodelle nach skandinavischen Modellen angeboten werden. Thomas Pucher meinte, dass Nutzungsmischung von Wohn- und Arbeitsbereich erfolgreich sein könne. Manfred Wolff-Plottegg beantwortete die gestellte Frage damit, dass Bauen ordnen und Wohnen aufräumen bedeute. Er schloss daraus, dass zunächst mit alten Wohnideen aufgeräumt werden müsse.

Zum Ausklang des Abends gab es eine „musikalische Überraschung“ von Gerngross/Rowenta/Tolstoi, in dessen Rahmen eine angedachte preisgünstige Containersiedlung, der „Karl-Marx-Hof 2“, mit Containerkirche und Container für Obdachlose, eingeweiht, gepriesen und geheiligt wurde.

So klang die Eröffnungssoiree im Sinne von Yona Friedmann aus: "Es ist der Anfang, der zählt".

PROJEKTABLAUF und TERMINE

Der Pilotwettbewerb wird von ARTIMAGE und EUROPAN A konzipiert und mit Unterstützung des Lebensressorts Steiermark und der Abteilung 15 Wohnbauförderung des Landes Steiermark durchgeführt.

Das Projekt startete seine Arbeit im Frühjahr 2007 mit einem Wettbewerb der Standorte, den ARTIMAGE und EUROPAN A mit Unterstützung der Wohnbauförderung Steiermark durchgeführt haben. Als Gewinner ging unter 16 steirischen Gemeinden die Stadt Gleisdorf hervor. Die Stadt hat gemeinsam mit der Volksbank Gleisdorf als Grundsuücksbesitzer ein optimal gelegenes Baugrundstück eingebracht.

Im Rahmen von zwei Verfahrensstufen des Pilotwettbewerbs wird Wert auf eine interdisziplinäre Ausrichtung der teilnehmenden Architekturteams gelegt.

Architektur qualifiziert sich in erster Linie über die Behandlung gesellschaftlicher, ökologischer und ökonomischer Fragen. Daher wird die international besetzte Jury in der ersten Stufe ausschließlich die für die Standortentwicklung maßgebende städtebauliche Qualität sowie Ideen über mögliche Wohnszenarien der unterschiedlicher Nutzer bewerten.

Erst in der zweiten Stufe, für deren Teilnahme 6 Teams ausgewählt werden, wird die konkrete Architektur und Gestalt des Gebäudes entwickelt.

Nach der Wettbewerbsentscheidung soll das Projekt zügig mit einer engagierten steirischen Wohnbaugenossenschaft unter Unterstützung der Wohnbauförderung des Landes Steiermark umgesetzt werden.

Einschreibung zum Wettbewerb
Architektenteams aus den Mitgliedsländern der EU können sich von 30. Juli bis 17. September 2007 bei u. a. Stelle einschreiben.

Zeitlicher Ablauf des Pilotwettbewerbes mit den wichtigsten Daten:
Standortbegehung der 1. Stufe: 11. September 2007
Einlangen der Projekte der 1. Stufe: 25. Oktober 2007
Jury der 1. Stufe: 12. bis 14. November 2007
Standortbegehung der 2. Stufe: 13. Dezember 2007
Einlangen der Projekte der 2. Stufe: 25. Februar 2008
Jury der 2. Stufe: 15. März 2008
Internationale Bekanntgabe der
Wettbewerbsergebnisse: 16. März 2008

KONTAKT:
Projektbüro ARTIMAGE
Herrengasse 3, A-8010 Graz
T ++43 (0)316/35 61 55
M ++43 (0)664/350 89 32
artimage@artimage.at

Verfasser/in:
Christine Seuter, Bericht
Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
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