13/10/2022

Eine Veranstaltung vom Verein BauKultur Steiermark unter dem Titel „Günther Domenig und Zeitgenossen“:

Lehrlingszentrum St. Peter, 1973
, Architektur: Günther Domenig mit Eilfried Huth, Graz

Zentrale Lehrwerkstätte der Landesberufsschule, 2000
Architektur: Bernhard Hafner, Graz

Elektrotechnische Institute, Hochspannungsgebäude TU Graz, 1975, GerambRose 1981
Architektur: Hubert Hoffmann mit Team Gallowitsch, Bulfon, Hierzegger, Spielhofer, Graz

Mehrzwecksaal der Schulschwestern, 1977
Architektur: Günther Domenig mit Eilfried Huth, Graz

13/10/2022

Lehrlingszentrum St. Peter, 1973 (Architektur: Günther Domenig mit Eilfried Huth, Graz)

©: Bettina Landl

Eilfried Huth im Gespräch mit Studiendekan Hans Gangoly (Institut für Gebäudelehre, TU Graz) und Barbara Meisterhofer (Geschäftsführerin des Vereins BauKultur Steiermark)

©: Bettina Landl

Zentrale Lehrwerkstätte der Landesberufsschule, 2000 (Architektur: Bernhard Hafner, Graz)

©: Bettina Landl

Bernhard Hafner erklärt Struktur und Konstruktion des Bauwerks.

©: Bettina Landl

Die beste Sicht auf die „Landesberufsschule Graz 3" bietet sich in der Friedensgasse.

©: Bettina Landl

Außenansicht des Nikola Tesla Labors des Instituts für Hochspannungstechnik und Systemmanagement, TU Graz.

©: Bettina Landl

In der Hochspannungshalle finden gelegentlich öffentliche Vorführungen von Hochspannungsexperimenten statt.

©: Bettina Landl

„… es gibt so wenig Architektur auf dieser Welt, die es wert ist, bestaunt zu werden!“ (1)

Unter dem Titel „Zeitreise Graz“ lud der Verein BauKultur Steiermark am
7. Oktober 2022 zum gemeinsamen Besuch von vier ausgewählten Bauten, um an den vor mittlerweile zehn Jahren verstorbenen Architekten Günther Domenig zu erinnern, der in Graz lebte und arbeitete und von hier aus als „revolutionärer Professor“ am Institut für Gebäudelehre der TU Graz (1982 – 2001) und Protagonist der Grazer Schule weltweiten Ruf erlangte. „Er verhalf der Architekturfakultät zu internationaler Bekanntheit, man könnte sogar sagen, in seine Ära fällt deren Hochblüte.“ (2) 

Die Architekten Eilfried Huth, Bernhard Hafner und Volker Giencke erzählten von der Zusammenarbeit mit Günther Domenig und gaben zum Teil persönliche Einblicke in die Planung und Realisierung der Bauten, so entstand beispielsweise das Gebäude Lehrlingszentrum St. Peter, 1973 (Architektur: Günther Domenig mit Eilfried Huth, Graz) gleichzeitig mit dem Leobener Forschungszentrum und zeigt auch ähnliche strukturelle Interessen. Der (durch das Grundstück) schmale, lang und niedrig gehaltene Baukörper wird von einer Halle diagonal erschlossen, wodurch auch eine räumliche Beziehung zum Tragwerk mit einem Diagonalraster entsteht. Das Konstruktionskonzept geht von einem aufgeständerten, biegesteifen Rosttragwerk aus, dessen Riegel zum Teil horizontal, zum Teil, den verschiedenen Dachebenen folgend, geknickt sind und dessen Stiele auf den Wänden einer Betonwanne gelenkig gelagert stehen. „Domenig gelang es später, die Ausdrucksmöglichkeiten der Konstruktion auch künstlerisch zu nutzen (Z-Filiale, Favoriten, Wien), also ihre rationale Eindimensionalität emotional aufzubrechen“, beschreibt Friedrich Achleitner in seinem dreibändigen Werk „ Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert“ (1983). (3)

Unweit entfernt befindet sich die Zentrale Lehrwerkstätte der Landesberufsschule, 2000 (Architektur: Bernhard Hafner, Graz), die in einem Team mit Bernhard Hafner und Lehrern der Schule das Raum- und Funktionsprogramm entwickelt wurde. Das Gebäude besitzt die Form einer Rotunde, die sich über vier Geschosse erstreckt und sich aus der Durchdringung zweier geometrischer Körper – einem Zylinder und einem Kegelstumpf - entwickelt. Über einen kurzen Verbindungsgang ist der Neubau an das bestehende Werkstättengebäude angebunden und sorgt damit für eine natürliche Belichtung der vorhandenen Werkstätten. Um den inneren Zylinder führt eine zentrale Gangerschließung, welche über die Mantelflächen des Kegelstumpfes belichtet gleichzeitig eine Zäsur zwischen Arbeits- und Lagerräumen bildet. Um eine größtmögliche Flexibilität und räumliche Ausnutzung zu gewährleisten, wurde die statische Primärkonstruktion nach außen gelegt und in weiterer Folge auch die Heizkörper von der Decke abgehängt. (4)

Einen Exkurs bildete das Elektrotechnische Institut, Hochspannungsgebäude TU Graz, 1975 (Architektur: Hubert Hoffmann mit Team Gallowitsch, Bulfon, Hierzegger, Spielhofer, Graz), dessen Gebäudekomplex u. a. aus dem besichtigten Institutsgebäude für Hochspannungstechnik und Systemmanagement mit der angeschlossenen Hochspannungshalle, „die mit ihrer außenliegenden Konstruktion und perfekten konstruktiv-strukturellen Durchbildung eine hohe ästhetische Qualität besitzt. Die betont technoide Gestaltung von baulichen Sekundärfunktionen (etwa eines gedeckten Steges) unterstreicht die geschlossene Welt der Technik, sodass ihre futuristische Perspektive zum Symbol der mit der Technik verbundenen Hoffnungen der sechziger Jahre wurde. Es gehört zur inneren Logik (oder Alogik) solcher Manifeste, dass ihre zelebrierte Funktionalität kaum benutzt wird, also eher eine Darstellung zeitbedingter Träume bleibt.“ (5)

Anschließend stand der Besuch des Mehrzwecksaals der Schulschwestern, 1977 (Architektur: Günther Domenig mit Eilfried Huth, Graz) auf dem Programm. Das noch in Arbeitsgemeinschaft mit Eilfried Huth von Günther Domenig entworfene und realisierte Mehrzweckgebäude mit seiner „frei geformten, animalisch anmutenden“ Struktur aus Spritzbeton auf einem Stahlgitterwerk gehört nicht nur zu den extremen Leistungen der Grazer Schule, sondern sicher auch zu den Schlüsselbauten einer organisch-skulpturalen Architektur, wie sie in der Baugeschichte immer wieder als antirationalistische, personale Einzelleistungen auftreten. „Die doppelte Wirkung von Höhle und Schale als Ablagerung oder Rückstand eines Lebensprozesses gibt dem Bau, mit dem von Lichtkuppeln besetztem Rückgrat, eine unmittelbare, spontane Wirkung, als wäre es aus einem einzigen Wachstumsvorgang entstanden“, heißt es bei Friedrich Achleitner. „Die Analogie zum Lebendigen, die Ikonographie des Organischen ist Teil dieser Architekturphilosophie, die das Kreativ-Prozesshafte, die Form als Abdruck von Lebensvorgängen zum zentralen Thema macht. Domenigs emotionale Formenwelt bekommt ihre Korrektur im Entwurfs- und Realisationsprozess, in der Mitbeteiligung am Bauvorgang durch die Handwerker, vielleicht liegt darin auch die kollektive Dimension, die selbstverständliche Identifikation nicht zuletzt auch der Benutzer. Der licht und leicht wirkende Raum verliert im Gebrauch das bizarr-exaltierte Gehabe, wirkt in einer merkwürdigen Art ‚selbstverständlich‘, ja versöhnlich, als wäre man aus einer langen geschichtlichen Wanderung heimgekehrt. es dürfte kein Zufall sein, dass in einer von Bildung und Technologie vollgestopften Architekturszene auch immer wieder Bauten entstehen, die zur ursprünglichen und vitalen Freude am Bauen zurückfinden.“ (6)

Wie streitbar Architektur zu jener Zeit war, lässt sich u. a. in Texten wie „Inmitten der Ewigkeit“ (7) von Volker Giencke oder „P E N G L E N G A N –
G R A Z – B E R L I N“ (8) von Bernhard Hafner nachlesen. Erinnert sei auch die Ausstellung „Graz Architektur: Rationalisten, Ästheten, Magengruben-
architekten, Demokraten, Mediakraten“, deren Titel dem Buch „Architektur-Investitionen. ‚Grazer Schule’, 13 Standpunkte“ (Forum Stadtpark, 1984) entnommen wurde und die vom 23. September 2017 bis 28. Jänner 2018 im Kunsthaus Graz zu sehen war. (9) Der von Günther Domenig gegenüber der Öffentlichkeit inszenierten Figur eines kompromisslosen, geradezu besessenen Einzelkämpfers, der die Architekturgeschichte hinter sich lässt, seine Ideen ganz allein aus sich selbst, aus eigener Kraft und allen Widrigkeiten zum Trotz gegen eine Vielzahl an Widerständen durchzusetzen imstande war, wird ebenso von 22. Oktober 2022 bis 4. Februar 2023 in der von Michael Zinganel kuratierten Ausstellung „WIR GÜNTHER DOMENIG. Eine Korrektur“ im kunsthaus muerz eine andere Erzählung entgegengesetzt. „Der Künstlerarchitekt war keineswegs alleine und isoliert. Günther Domenig waren viele: über seine offiziellen Büropartner Eilfried Huth, Hermann Eisenköck und Gerhard Wallner hinaus konnte er auf ein breites Netzwerk aus Unterstützer*innen (Beamt*innen, Bauherr*innen, Baumeister*innen, Sammler*innen), Kommunikator*innen (Kritiker*innen, Autor*innen, Kurator*innen), hervorragenden Bauunternehmer*innen und – vor allem – Mitarbeiter*innen setzen: in der Arbeit in den Architektur-Büros ebenso wie an der TU Graz.“ (10) 

Mit dieser Tour erinnerte „Zeitreise Graz“ nicht nur Möglichkeiten eines Bauens mit einem speziellen Interesse an Ästhetik, ohne die funktionalen, technischen und sozio-ökonomischen Aspekte eines Gebäudes außer Acht zu lassen, sondern auch daran, dass viele utopisch anmutende Überlegungen der Grazer Architekten einst real waren, während damalige Realitäten heute wieder utopisch erscheinen. (11) Aus der Geschichte lernen? „Architektur und Kunst sind die Tragflächen einer Phantasie, die es braucht, um sich ein Leben außerhalb des Alltäglichen vorzustellen!“ (12)

_________

(1) Volker Giencke, Wandtext, Ein Teil von mir ist Sprache, 20.3.–27.6.2015, aut. architektur und tirol, Innsbruck

(2) http://www.gat.st/en/news/doyen-der-oesterreichischen-architektur-ist-t…, 16.6.2012

(3) Friedrich Achleitner, Österreichische Architektur im 20. Jahrhundert: Ein Führer in drei Bänden: 2: Kärnten, Steiermark, Burgenland, 1983

(4) https://www.nextroom.at/building.php?id=94, 5.11.2001

(5) s. o.: Friedrich Achleitner

(6) ebd.

(7) http://www.gat.st/news/inmitten-der-ewigkeit, 19.6.2012

(8) http://www.gat.st/news/p-e-n-g-l-e-n-g-n-g-r-z-b-e-r-l-i-n, 1.12.2010

(9) https://www.museum-joanneum.at/kunsthaus-graz/ausstellungen/ausstellung…

(10) https://www.kunsthausmuerz.at/veranstaltungen/wir-guenther-domenig/

(11) s. Barbara Steiner in: Graz Architektur. Rationalisten, Ästheten, Magengrubenarchitekten, Demokraten, Mediakraten, Kunsthaus Graz, Universalmuseum Joanneum, 2017, erschienen im Eigenverlag: https://issuu.com/universalmuseum/docs/archgraz_d_einzel/4 (S. 9)

(12) Volker Giencke, Wandtext, Ein Teil von mir ist Sprache, 20.3.–27.6.2015, aut. architektur und tirol, Innsbruck

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