31/05/2007
31/05/2007

Offener Leserbrief von Roger Riewe zum Artikel: "Styria-Hauptquartier setzt markantes Signal"
Kleine Zeitung, 21.05.2007

Sehr geehrter Herr Frido Hütter!

Wenn Architektur in der Rubrik "Kultur" der Kleinen Zeitung zu finden ist, dann lacht bereits das Architektenherz! Wenn aber eben diese Architektur(kultur) mit Füßen getreten wird, wie in Ihrem o.g. Artikel geschehen, dann dürfen berechtigte Zweifel am dargelegten Inhalt angebracht sein.

Wenn die Styria 35.000m2 (Endausbau: 50.000m2) oder 60 Million Euro als Headquarter zu verbauen gedenkt, dann ist öffentliches Interesse angesagt! In diesem Zusammenhang einen Architekturwettbewerb auszuschreiben ist eindeutig zielführend. Die Styria hat 4 ausländische und vier inländische Teams zu diesem, von Ihnen nur am Rande erwähnten Wettbewerb eingeladen. Dies waren: Future Systems (London), UN Studio/Ben van Berkel (Rotterdam), Fuksas (Rom), Bothe Richter Teherani (Hamburg), Limit (Wien), Coop Himmelb(l)au (Wien), Eisenköck (Graz) und Riegler Riewe (Graz), also eine beachtliche, renommierte Runde. Im Laufe des Wettbewerbs wurden drei Teams von einer hochkarätigen Jury unter Vorsitz von Prof. Heiner Hierzegger aufgefordert, in einer weiteren, nicht mehr anonymen Wettbewerbsstufeauf bestimmte Kritikpunkte einzugehen, was eine in Wettbewerbsverfahren nicht unübliche Vorgangsweise ist. Von einem "in die zweite Runde verweisen", wie Sie es geschrieben haben, kann nicht im geringsten die Rede sein und muß deshalb als Untergriff gesehen werden! UN Studio und Coop Himmelb(l)au haben in der ersten Wettbewerbsstufe kein Projekt abgegeben, Future Systems haben ihrerseits von einer Überarbeitung in der zweiten Runde Abstand genommen. Die Jury bei Architekturwettbewerben wird in der Regel gebildet aus Fach- und aus Sachjuroren. In diesem Fall waren die Fachjuroren die Architekten Hierzegger, Wetschko und Marques, die Sachjuroren die Vertreter der Styria, die Herren Pirker, Bretschko und Moik. Diese namhafte Jury hat in der zweiten Wettbewerbsrunde das Projekt Riegler Riewe einstimmig zum Sieger erklärt! Dieses kleine, jedoch wichtige Detail wird in Ihrem Bericht beachtenswerterweise nicht erwähnt. Ich wiederhole: einstimmig!

Nach einem Wettbewerbserfolg kommt es in der Regel zu Überarbeitungen, Optimierungen und das nachträgliche Integrieren von nutzerspezifischen Wünschen. Dies sollte im gegenständlichen Verfahren offensichtlich nicht erfolgen. Nach einem transparenten
Wettbewerbsverfahren (siehe Protokolle) verläuft sich die Spur in der Styria-Zentrale. Die von Ihnen konstatierte einstimmige Entscheidung auf der Grundlage eines uns nicht zur Einsicht gegebenen Benchmarkings, hat offensichtlich mit der Wettbewerbsjury nichts zu tun, denn Sie
schreiben in einem fast zynischen Selbstverständnis, daß die Styria entschieden habe, den Zuschlag an die Architektur Consult zu vergeben (die doch gar nicht zum Wettbewerb geladen war).Ein Auslober, der sich von einem Wettbewerbsverfahren distanziert, führt immer wieder zu Irritationen, daß sich die Styria von ihrem hoch angetragenen Wettbewerb verabschiedet und ein schon zuvor erstelltes Projekt (Architektur Consult) aus der Schublade zieht, überarbeiten läßt und zum "Sieger" (wovon??) erklärt, muß zwangsläufig zu massiver Kritik führen; eine
Kritik, die auch aus Ihrer Feder, sehr geehrter Herr Frido Hütter hätte kommen müssen, denn Sie sind doch der/ /schwergewichtige Kulturjournalist der Steiermark schlechthin und können sich doch nicht selbst zum Hofberichterstatter degradieren!

Es gibt kaum einen zweiten Berufsstand, der eine Qualitätsfindung derart öffentlich, diskursiv und transparent betreibt, wie jener der Architekten! Die Teilnahme an Wettbewerben ist für unseren Berufsstand selbstverständlich und zugleich ein Bekenntnis dazu, einen immanent wichtigen Beitrag zu einer gesellschaftlichen, politischen und baukünstlerischen Qualität
beizutragen. Dies zu negieren, wie Sie es tun, heißt diese Kultur zu begraben und sich statt dessen für eine baukulturelle Unkultur stark zu machen. Die Provinzialität läßt grüßen!Durch schöne Renderings soll nun das Styria-Headquarter-Architektur-Consult-Projekt dem Publikum schmackhaft gemacht werden. Was man erkennen kann, ist eine typische Headquarter-Architektur der siebziger Jahre, mit viel Glas, wahrscheinlich vollklimatisiert, in Ost-West-Richtung verlaufend, die stadtklimatologisch wichtige Nord-Süd verlaufende Luftströmung stauend, eine Architektur, die, bevor sie gebaut wird, schon in die Jahre gekommen ist.

Es ist nicht nachzuvollziehen, warum ein direkt beauftragtes Team mit einer höheren Qualität auftrumpfen soll, als der Preisträger des bereits abgeschlossenen Wettbewerbs, noch zumal einer der beiden Geschäftsführer der Architektur Consult unter der Firmenbezeichnung "Architekturbüro Eisenköck" zum Wettbewerb eingeladen und aus Gründen mangelnder Qualität in der ersten Wettbewerbsphase bereits ausgeschieden wurde!Mir ist nicht verständlich, noch habe ich das geringste Verständnis dafür, warum ein Auslober diese Vorgangsweise wählt, wo doch uns allen klar ist, welch öffentliches Interesse auf der einen Seite hier vorherrscht und auf der anderen Seite er es sich leisten kann, fast eine halbe Million Euro (!) für das Wettbewerbsverfahren zu verpulvern, ungeachtet allfälliger, nachträglicher Forderungen!

Ich freue mich schon jetzt auf die in der Wettbewerbsausschreibung angekündigte Pressekonferenz und auf die Ausstellung der Wettbewerbsprojekte! Wo und wann werden Sie
uns sicherlich in der Kleinen Zeitung verkünden. Ich kann Ihnen versichern, dass diese Ausstellung auf reges Interesse stoßen wird und, ja, vielleicht werden wir uns dort treffen. Dann können wir uns mal so richtig über Architektur unterhalten!

Roger Riewe
Prof. Arch. Dipl.-Ing.

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