15/01/2007
15/01/2007

… Andreas Reiter und Martin Lesjak, heute unter dem Namen Innocad bekannt. Foto: Az Turm

All night long: Erhard Rathmayr… Foto: Az Turm

Am Anfang wurde der Turm besetzt: Die Fluchtstiegenhäuser im so genannten Zahn-Zubau von Günther Domenig in der Technikerstraße 4 wurden 1994 von einigen Studenten zum Architekturzeichensaal deklariert. Der Name Az Turm war nur die logische Folge. Foto: Az Turm

Am Anfang wurde der Turm besetzt: Die Fluchtstiegenhäuser im so genannten Zahn-Zubau von Günther Domenig in der Technikerstraße 4 wurden 1994 von einigen Studenten zum Architekturzeichensaal deklariert. Der Name Az Turm war nur die logische Folge. Foto: Az Turm

„Der Turm muss bleiben:“ Am 4. und 5. Dezember 2006 veranstaltete der Az Turm gemeinsam mit anderen Zeichensälen „Noki“, zwei Tage der offenen Tür. Weitere Veranstaltungen folgen. Foto: Az Turm

Nach Verschärfungen der Brandschutzbestimmungen übersiedelte der Az Turm in die Schlögelgasse 9, wo er mittlerweile auf 27 Mitglieder angewachsen ist. Foto: Az Turm

Der Architekturzeichensaal Az Turm soll umgesiedelt und um 10 Arbeitsplätze verkleinert werden. „Der Turm muss bleiben“ – mit diesem Slogan gehen die Studenten nun an die Öffentlichkeit.

„Studentische Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel“: Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Warnruf ertönt. In regelmäßigen Abständen wird auf der TU Graz über die Architekturzeichensäle – autonom organisierte studentische Arbeitsräume der Architekturfakultät – heftig diskutiert. Ging es früher um deren Abschaffung, ist heute eine Verkleinerung geplant. Konkret: Der Az Turm (Az für Architekturzeichensaal), 1994 durch Besetzung eines Stiegenhaus-Turms des Institutsgebäudes in der Technikerstraße 4 entstanden und seit 2000 im ersten Obergeschoß eines TU-eigenen Gründerzeithauses in der Schlögelgasse 9 ansässig, soll aufgrund räumlicher Umstrukturierung ab 1. April dieses Jahres ins zweite Obergeschoß desselben Hauses verlegt werden. Dort stehen allerdings 80 Quadratmeter weniger Fläche zur Verfügung, was eine Reduktion der 27-köpfigen Zeichensaalmannschaft um 10 Plätze bedeuten würde. Seltsam, denn zur selben Zeit erhält die Architekturfakultät in der ehemaligen Kronesschule, Kopernikusgasse 4, 1000 Quadratmeter neue Flächen. Wie geht das zusammen?
„Die Räume des Az Turm werden für Büros gebraucht“, heißt es dazu vonseiten Johann Theurl, der als Vizerektor für Infrastruktur gemeinsam mit Urs Hirschberg, Dekan der Architekturfakultät, für die geplante Umsiedelung verantwortlich zeichnet. „Die Verkleinerung des Az Turm ist die Kröte, die wir schlucken mussten“, bedauert Hirschberg den Preis, der mit Theurl im Gegenzug für die neuen Flächen in der Kronesschule ausverhandelt wurde. Von einem schlechten Deal spricht hingegen Roger Riewe, der als Vizedekan anfangs an der räumlichen Neuorganisation der Fakultät mitgearbeitet hatte, nach Differenzen aber das Handtuch warf. „Hirschberg macht dauernd Kompromisse auf Kosten der Architektur“, sagt Riewe, der durch den neuen Architektur-Standort in der Kronesschule nur eine weitere örtliche Aufsplitterung der Fakultät sieht.
Hirschberg, der laut eigener Aussage die Flächenreduktion des Az Turm „anfangs auch nicht realisiert hat“, betont jedenfalls, dass hinter der Umsiedelung „keinesfalls“ ein Plan zur Abschaffung der Zeichensäle stehe, sondern lediglich die Zusammenlegung von Az Turm und dem schon jetzt im zweiten Obergeschoß der Schlögelgasse 9 beheimateten Architekturzeichensaal Az0 beabsichtigt ist. So etwas erscheint sinnvoll, wird aber von den Studenten rundweg abgelehnt: „Die Gruppe würde zu groß“.
„Als erstes haben sie sich eine Wand gewünscht, die den Az0 vom Az Turm trennen soll“, erinnert sich Theurl kopfschüttelnd an Gespräche mit den beiden Zeichensälen. Die sind ihm aber ohnehin ein Dorn im Auge: „Die Zeichensaalstudenten sind unter allen an der Grazer Technik die konservativsten. Da bekommen sie 1000 Quadratmeter neue Flächen, und dann regen sie sich wegen 80 Quadratmetern auf!“ Theurl sähe die Räume generell lieber durch betreute studentische Arbeitsplätze genutzt – ein Konzept, das er ursprünglich auch in großem Stil in der Kronesschule plante, „nach dem Modell der ETH“. Diese Idee scheiterte aber am Widerstand von Architekturprofessoren: „Absolut outdated“ befindet Riewe das Meisterklassenprinzip, das Theurl in der „blöden alten Schule“ verwirklichen wollte. Mit seinem Institut würde Riewe dort nie einziehen: „Dort sitzt man ja in Klassenzimmern.“ Riewe schwebt vielmehr die Bündelung der Fakultät an einem Ort vor, und er spricht von neuen Zeichensaalplätzen, „selbstverständlich autonom“. Ein Plan, der vor einiger Zeit wiederum an Vizerektor Theurl scheiterte, der laut Riewe aber ohnehin schlecht auf die Architektenschaft zu sprechen sei: „Als Architekturliebhaber und Autodidakt kriegt der halt dauernd von den Architekten Saures“.
Angesichts dieser zunehmend verworrenen Situation geht der Az Turm nun in die Offensive: „"Wir wollen keine Protestaktionen, wir wollen einen Diskurs"“, sagt Philipp Müller aus dem Az Turm, der stattdessen gemeinsam mit seinen ZeichensaalkollegInnen eine Öffentlichkeitskampagne lanciert. Eine eigene Homepage wurde eingerichtet, Printmedien und Radio von der prekären Situation informiert, und man sucht Verbündete: Grazer Architektur-ProfessorInnen, Architekturbüros, das Forum Stadtpark, aber auch die Fachschaften der Architekturfakultäten in Wien und Innsbruck sprechen sich für einen Verbleib des Zeichensaals am jetzigen Ort aus. Darüber hinaus plant der Turm Veranstaltungen: Nachdem am 4. und 5. Dezember unter dem Motto „Noki“ zwei Tage der offenen Tür abgehalten wurden, ist nun der Modeworkshop „Architekten tragen Prada“ geplant. „Es geht darum, das, was in den Zeichensälen passiert, transparenter zu machen“, betont Müller.
In Bezug auf das Verhältnis zwischen Zeichensälen und Fakultät ortet Müller zudem eine eigenartige Diskrepanz zwischen der von der Fakultät beabsichtigten Außenwirkung – die Zeichensäle würden stets als wesentlich für den guten Ruf der Architekturausbildung in Graz dargestellt – und dem Fehlen tatkräftiger Unterstützung: „Auf der Homepage der Fakultät gibt es keinerlei Hinweis auf die Zeichensäle, auch fehlt jegliche Verlinkung auf die Homepages der Architekturzeichensäle“. Auch der EDV-Support wurde unlängst eingestellt. Sollte der Auszug nicht mehr zu verhindern sein, wären einige Studenten jedenfalls bereit, auf die Barrikaden zu steigen und den Zeichensaal – in bester Turm-Tradition – zu besetzen; Schützenhilfe „durch Know-How und vor Ort“ wurde dazu auch schon von den Wiener Studenten zugesichert. Andere wiederum überlegen eine Umbenennung: Als Az Wurm sollten die heimatlosen Zeichnsaalinsassen „andere Zeichensäle, aber auch Institute oder Seminarräume parasitär besetzten“.
Angesichts der angespannten Lage möchte Vizerektor Theurl nun lieber Langmut walten lassen: „ „Noch ist nicht klar, ob wir die jetzigen Flächen des Az Turm tatsächlich verwenden werden“, stellt er einen Verbleib des Zeichensaals in Aussicht – Aufklärung darüber sei allerdings erst im Sommer zu erwarten. Generell überlegt Theurl gar, das gesamte erste Obergeschoß in der Schlögelgasse 9 zu Zeichensälen umfunktionieren: „Aufgrund der vielen Durchgangsräume ist das Gebäude für Büros schlecht adaptierbar – als Zeichensaal wäre es am effizientesten genutzt.“ Also doch mehr Zeichensaalplätze? „Für jeden Studenten einen Zeichensaalplatz“ wünscht sich auch Roger Riewe schon seit geraumer Zeit. Eine Forderung allerdings, die bis dato – wie auch Riewe selbst sagt – eine rein „politische“ blieb.

Verfasser/in:
Fabian Wallmüller, Bericht
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