11/02/2019

(Ufer-)Lose Gedanken zum Thema Brücke

Kommentar von Sigrid Verhovsek zum geplanten Neubau der Tegetthoffbrücke in Graz

.

Nachtrag:
Ein weiterer Brückenbaustein: Am 8. Februar 2019 wurde von Stadträtin Elke Kahr mit DI Barbara Urban und Martin Bauer von der Abt. für Verkehrsplanung das Konzept für den Straßenbahnausbau nach 2023 präsentiert:
Öffi-Offensive für Graz: Jetzt die Weichen für Straßenbahn-Paket II stellen!

Die Presseaussendung steht im Downloadbereich zur Verfügung.

11/02/2019

Graz, Tegetthoff-Brücke

©: Studio Magic
©: Studio Magic
©: Studio Magic

Straßenbahnlinien bestehend (schwarz) geplant (rot, blau)

©: Stadt Graz

„Praktisch wie logisch wäre es sinnlos, zu verbinden, was nicht getrennt war, ja, was nicht in irgendeinem Sinne auch getrennt bleibt.“
(Georg Simmel, Brücke und Tür)

"Vergebene Chance? Streit um neue Brücke" lautete eine Schlagzeile der Kleinen Zeitung vom 23. Jänner 2019. Schlechte Nachrichten sind gute Nachrichten, und Aufmerksamkeit erreicht man durch grelle Schlagzeilen. Aber muss deshalb ein offener Meinungsaustausch gleich als „Streit“ tituliert werden? Wäre es nicht an der Zeit, diese „Jahrhundertchance“ des Brückenbaus auch in übertragenem Sinne als neue Möglichkeit der Kommunikation zu sehen?

Nachdem bereits sehr viele „alte“ Konzepte wie die straßenbahntechnische Anbindung des Griesplatzes und des Grazer Ostens, oder auch die Bebauung des Andreas-Hofer-Platzes bzw. seine Ausformung zu einem modernen, innerstädtischen Busbahnhof der Furie des Verschwindens oder zumindest einer hungrigen Schublade anheimgefallen sind, gibt es seit Anfang 2018 eine neue Idee:
Für die Entlastung der Herrengasse wurde eine neue „Ausweichlinie“ für die Straßenbahnen gefunden: Über die Neutorgasse, den Andreas-Hofer-Platz, die Belgiergasse und schließlich die Vorbeckstraße in die (weiterhin unentlastete) Annenstraße soll die neue Linienführung laufen.
Weil die 1975 erbaute Tegetthoff-Brücke dafür statisch nicht ausgelegt ist, müsste man sie „ertüchtigen“ oder neu bauen, wobei ein Neubau nicht nur günstiger sei, sondern eben auch viel mehr Chancen eröffnen würde: Barrierefreiheit, Radwegenetz, Fußgängerfreundlichkeit usw.
2015 gab es bereits eine Art Wettbewerbs-Versuch der CIS, für „Gestaltungselemente für das Re-Design der Tegetthoffbrücke“, der auf „Designschaffende“ zielte und mit einem offenen Call zwar durchaus professionell kolportiert wurde, aber den geltenden Wettbewerbsnormen nicht im mindesten entsprach, und im Übrigen versickerte: Gab es überhaupt ein Gewinnerteam?
Diesmal wandte sich die Stadt Graz an den Wettbewerbsausschuss der Kammer der ZiviltechnikerInnen Steiermark und Kärnten, um die formalen Kriterien professionell abzuhandeln.
Im Dezember 2018 lud Bürgermeister Nagl dann zu einem zweistündigen Workshop, in dem Ideen zum Thema gesammelt werden sollten. Zu diesem Workshop wurde auch die Kammer der ZiviltechnikerInnen gebeten, und versuchte mit konstruktiver Kritik zum Brückenschlag beizutragen.
All die im besagten Kleine-Zeitung-Artikel angesprochenen Punkte dieser Kritik sind beinahe so selbstverständlich, dass sie kaum zu wirklichen Irritationen in der Stadtregierung beigetragen haben dürften:
Natürlich muss es eine Vision, ein übergeordnetes Verkehrs-Leitbild geben, eine Brücke in dieser Lage, in dieser Position kann ja nicht nur eine zufällige Verbindung zwischen den Uferpunkten a und b bedeuten?
Und auch, dass im Wettbewerb der umliegende Stadtraum mitgedacht werden muss, scheint – auch wenn man vielleicht die ökonomischen Möglichkeiten noch nicht haben sollte – völlig logisch: Was und wer an den Endpunkten über welche öffentlichen Räume zueinanderstrebt, ist doch eine der reizvollsten Aufgaben dieses Ingenieursbauwerkes Brücke. Zudem bietet die eineinhalb Jahre dauernde, brückenlose Zeit die einmalige Chance, zu sehen, wie sich der MIV „einrichtet“ – daraus könnte ein spannendes Experiment werden, vielleicht auch eine Dauerlösung.
Die Kammer hat mit ihrem Schreiben vor allem bezweckt, dass gerade diese Gesichtspunkte auch in der formalen Ausschreibung berücksichtigt werden, bzw. dass eine Diskussion über diese Aspekte auch in der Öffentlichkeit geführt wird, von jenen, deren alltäglicher Lebensraum betroffen sein wird.

Allem Verbindenden steht das Faktum einer Grenze voran. Um eine Verbindung zu schaffen, verlangt es zunächst nach einer genauen Kenntnis dieser Hindernisse.
So scheint es sich auch im Fall der Tegetthoffbrücke zu präsentieren. Unmetaphorisch gesprochen scheint das Hindernis nur die Mur zu sein, dass durch eine neue Brücke entgrenzt wird, aber auch in der Kommunikation zwischen Politik, Verwaltung, externen Fachleuten und Grazer Bürgern scheint die Verbindung vielleicht ein wenig Aufrüstung in punkto Tragfähigkeit nötig zu haben.
In diesem Sinne wäre auch eine Partizipation der Zivilgesellschaft durch umfangreiche Information zu wünschen, die durch „Rückkoppelung“ dazu dienen könnte, die Aufgabenstellung zu schärfen. Wichtig wäre auch die Einbindung bzw. die Offenlegung von Grundlagenforschung und Expertisen (Verkehrskonzepte …) sämtlicher Fachleute, von Politikern, Stadt- und Landesverwaltung, aber auch der entsprechenden Ausschüsse der ZiviltechnikerInnenkammer, der Universitäten, oder des Joanneum Research. 

Durch die zunehmende Spezialisierung und jene Zwänge, die unsere jeweiligen Aufgabengebiete mit sich bringen, scheint eine gemeinsame Sprache verlorengegangen zu sein, und aus dieser Absenz bildet sich jene Angst, die dann Konfliktscheuheit genannt wird – die aber völlig unangebracht ist, wenn man bedenkt, dass abseits persönlicher Eitel- und Befindlichkeiten kooperativ nach guten Lösungen für Graz gesucht werden sollte.

„Weil der Mensch das verbindende Wesen ist, das immer trennen muß und ohne zu trennen nicht verbinden kann - darum müssen wir das bloße indifferente Dasein zweier Ufer erst geistig als eine Getrenntheit auffassen, um sie durch eine Brücke zu verbinden.“
(Georg Simmel, Brücke und Tür)

PS: Ein Bild von einer Brücke?
Die u.a. im „Grazer" breit kolportierte, steirisch gestreifte dekorierte Ente mag durchaus zu Gesprächen anregen – aber nicht zu ernsthaften. Einzig denkbarer Hintergrund wäre, dass alle GrazerInnen, die sich darüber herzhaft amüsiert haben, nun für jede einigermaßen „normale“ Brücke so dankbar sind, dass sie andere Kritikpunkte außer Acht lassen. Wenn eine Brücke zur „Disney-Hupfburg“ mutiert, ist es unerheblich, was seitlich, auf oder unter ihr passiert, weil ihre ureigene Funktion – die Verbindung – nicht mehr im Mittelpunkt steht.

Eine Brücke ist eine Brücke ist eine Brücke ...

Netzwerktreffen
16. + 17.11.2023
 
GAT+